Heute tagt das Flüchtlingsparlament
«Wir verlangen die gleiche Behandlung aller Geflüchteten»

In Bern tagt heute Sonntag zum zweiten Mal das Schweizer Flüchtlingsparlament. Sie fordern unter anderem die Gleichberechtigung aller Geflüchteter.
Publiziert: 08.05.2022 um 10:00 Uhr
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Das Flüchtlingsparlament wurde 2021 gegründet. Die erste Session fand am 6. Juni letzten Jahres statt (Bild).
Foto: zvg
Janina Bauer

Geflüchteten eine Stimme geben – darum geht es dem Flüchtlingsparlament, das am heutigen Sonntag im Berner Rathaus zusammenkommt. «Es wird in der Schweiz viel über Flüchtlinge gesprochen, selten jedoch mit ihnen. Wir im Flüchtlingsparlament glauben, dass jeder Mensch für sich selbst sprechen sollte», sagt der Vorsitzende Sherefedin Mussa (32).

Der gebürtige Eritreer ist studierter Sozialpädagoge und lebt seit achteinhalb Jahren in der Schweiz. Als Mitglied der Geschäftsführung des NCBI Schweiz (National Coalition Building Institute, etwa: Brückenbauer-Institut) kämpft er für bessere Integration, gegen Rassismus und Diskriminierung. Mit Partnerorganisationen gründete das NCBI 2021 deshalb das Flüchtlingsparlament.

Seit Ende März bereiten sich rund 90 Geflüchtete in Kommissionen und Arbeitsgruppen auf die Session vor: Menschen aus allen Teilen der Welt. In der Schweiz leben sie über 16 Kantone verteilt. Das sei besonders wichtig, sagt Mussa: «Die Umsetzung vieler Gesetze und Regelungen, die unserer Meinung nach Integration verhindern, wird auf der kantonalen Ebene entschieden.» Dort müsse man ansetzen, um etwas zu verändern. «Am Sonntag wird auch das erste kantonale Flüchtlingsparlament lanciert.»

Dessen Mitglieder haben Vorstösse und Empfehlungen für Politiker und Entscheidungsträger ausgearbeitet. Schwerpunkte in diesem Jahr: Abgewiesene, die nicht in ihr Heimatland zurückkehren können, sollen bessere Lebensbedingungen in der Schweiz bekommen. «Wer gewinnt, wenn die abgewiesenen Menschen für fünf bis zehn Jahre mit acht Franken am Tag im Asylheim leben? Die Menschen brauchen eine Aufgabe, Bildungsmöglichkeiten, eine Perspektive», sagt Mussa. Konkret fordert das Parlament die vorläufige Aufnahme von Abgewiesenen, die Vereinfachung der Kriterien für Härtefallgesuche und die Aufhebung von Rayonauflagen. Zudem hat sich eine Kommission des Parlaments intensiv mit der Situation von körperlich und psychisch beeinträchtigten Geflüchteten beschäftigt. Oftmals werde ihnen die Aufnahme in die Invalidenversicherung verweigert, so Mussa. Das Parlament fordert eine «bedürfnisorientierte Unterstützung» für Betroffene.

Auch ukrainische Geflüchtete dabei

Erstmalig werden heute auch Geflüchtete aus der Ukraine dabei sein. Das Flüchtlingsparlament sei solidarisch mit allen Ukrainern und Ukrainerinnen, sagt Mussa. «Wir unterstützen ihre Forderungen und sind froh, dass die Geflüchteten aus der Ukraine den Schutzstatus S und weitere Vorteile erhalten.»

Gleichzeitig weist er auf die grossen Diskrepanzen im Vergleich zum Umgang mit anderen Geflüchteten hin: «Wir verlangen eine gleiche Behandlung aller Geflüchteter. Alles andere ist Diskriminierung.»

Ein tatsächliches Stimmrecht hat die Versammlung bisher nicht. Ihre Hauptaufgabe ist deshalb laut Sherefedin Mussa Lobbyarbeit, ebenso die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen. Durch Petitionen und Podiumsdiskussionen möchte das Parlament seine wichtigsten Vorstösse verfolgen und durchsetzen.

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