Die Taten von Emre F.* (44) waren dreist, sein Auftritt vor dem Richter war es auch. Am Donnerstag stand der Sozialhilfe-Betrüger vor dem Zürcher Obergericht. Der Schweizer gibt zu, jahrelang Sozialhilfe kassiert und daneben heimlich eine Autogarage geführt zu haben. Deliktsumme: mehrere Hunderttausend Franken!
Als der Fall letztes Jahr zum ersten Mal vor Gericht war, schrieb der «Tages-Anzeiger» von einem «wohl einmaligen» Betrug. Ab 1997 bezog die Grossfamilie des Angeklagten Sozialhilfe bis zu 5000 Franken im Monat, während mindestens neun Jahren bestand darauf aber kein Anspruch. Damals ebenfalls auf der Anklagebank: die Ehefrau von Emre F.
«Ich suche Arbeit. Aber leichte Arbeit»
Das erstinstanzliche Gericht fand deutliche Worte für das Paar, das schon vor Jahrzehnten aus Nordmazedonien in die Schweiz kam: «Sie führten in den betreffenden Jahren ein gutes Leben, konnten iPads, Möbel und Fahrräder für die Kinder kaufen, einen Mercedes für 63'000 Franken.» Der Gewinn aus den Autogeschäften wurde auf etwas mehr als 300'000 Franken festgesetzt.
Sowohl Emre F. als auch seine Ehefrau wurden im November 2020 vom Bezirksgericht verurteilt. Während die Frau ihr Urteil akzeptierte (zwei Jahre bedingt), hätte ihr Mann einen Teil der Strafe absitzen müssen – und zog den Richterspruch weiter.
So landete der Fall vor dem Zürcher Obergericht und der Familienvater bekam eine neue Chance, seine Beweggründe einem Richter zu erklären.
Das Gericht wollte wissen: Geht Emre F. einer geregelten Arbeit nach? «Ich suche Arbeit», antwortete er. Und fügte hinzu: «Aber leichte Arbeit, vielleicht Gastronomie. Wegen Corona ist das im Moment schwierig.» Auch seine Frau im Haushalt zu unterstützen, liege nicht drin: «Den Job, den sie macht, kann ich auch nicht gut machen, kochen und so.»
«Skrupellos und unverfroren»
Da der Angeklagte geständig ist, fiel die Befragung kurz aus. «Ich habe das für meine Familie gemacht, ich hatte nicht genug Geld», begründete er den Betrug. Und: «Ich hätte das Zusatzeinkommen eigentlich melden wollen.»
Seinem Verteidiger ging es vor allem um das Strafmass: Er forderte für seinen Mandanten eine bedingte Strafe von 24 Monaten. Emre F. habe in der Untersuchungshaft seine Lektion gelernt: «Er hat 182 Tage abgesessen, das hat ihm vor Augen geführt, dass das Sozialsystem kein Selbstbedienungsladen ist.» Ausserdem habe die Familie nicht in Saus und Braus gelebt.
Das Gericht liess sich nicht erweichen. «Skrupellos und unverfroren» sei die Tat gewesen und habe «ehrliche Rentenbezüger in Verruf gebracht». Das Obergericht bestätigte das Urteil der Vorinstanz: 33 Monate Haft wegen gewerbsmässigen Betrugs, davon 12 Monate vollzogen. Abzüglich U-Haft muss Emre F. noch ein halbes Jahr absitzen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
* Name geändert