Vor einigen Jahren galt Daniel Vasella (69) als Abzocker der Nation. Nun bringt der Ex-Novartis-Chef die Volksseele erneut zum Kochen. Der Grund: 2013 versuchte er, einen «äusserst hohen» Steuerbetrag nicht zahlen zu müssen, indem er behauptete, seinen Wohnsitz von Risch ZG ans Mittelmeer verlegt zu haben – nach Monaco.
Doch die Zuger Steuerverwaltung nahm Vasella nicht ab, dass er tatsächlich ins steuerfreie Fürstentum umgezogen war. Anhand von Flugbewegungen, Telefonkosten sowie Wasser- und Stromverbrauch kam sie zum Schluss, dass Vasella in Wahrheit immer noch in Risch zu Hause war – und somit in Zug steuerpflichtig. So geht es aus einem rechtskräftigen Urteil des zuständigen Verwaltungsgerichts hervor, das die «SonntagsZeitung» letzte Woche publik machte.
Vasellas Versuch, dem Fiskus ein Schnippchen zu schlagen, ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten – vor allem nicht angesichts seiner Vorgeschichte. Der studierte Mediziner ist allerdings bei weitem nicht der Einzige, der mit einem angeblichen Umzug Steuern zu sparen versucht: Gerichtsurteile zeigen, dass es in der Schweiz viele kleine Vasellas gibt.
Von der Pensionskasse auf das Bankkonto
Vor wenigen Wochen erst machte das Bundesgericht die Pläne eines Ehepaars endgültig zunichte, ihr Pensionskassen-Kapital in Graubünden zu versteuern statt im Kanton Zürich.
Der Arzt (77) und seine Frau (72) wohnten jahrzehntelang in einer Zürcher Gemeinde, in der sie seit 1978 praktizierten. Im September 2015 vermeldeten sie plötzlich den Umzug ins Bündnerland, wo sie seit 1996 eine 4,5-Zimmer-Wohnung besassen. Wenige Wochen später lagen 2,5 Millionen Franken aus ihrer Pensionskasse auf dem Bankkonto.
Mit Steuerdomizil Graubünden wären für den PK-Bezug 315 000 Franken weniger Steuern fällig geworden als in Zürich. Die dortigen Behörden aber nahmen dem Paar die Verlagerung des Lebensmittelpunkts nicht ab und veranlagte es trotz angeblichen Wegzugs.
Bank- und Postkontoauszüge in Zürich
Die beiden machten zwar geltend, die Arztpraxis sei ab Oktober 2015 nur noch 2,5 Tage die Woche geöffnet gewesen, man habe jeweils vier Nächte pro Woche in den Bergen übernachtet. Diese Pensumsreduktion – vor allem aus gesundheitlichen Gründen – überzeugte die Steuerverwaltung aber ebenso wenig wie der höhere Stromverbrauch in der langjährigen Ferienwohnung, der Ausbau von Telefon-, Internet- und TV-Installationen sowie Belege für Einkäufe und Restaurantbesuche in Graubünden.
Die Zürcher Steuerverwaltung strich hervor, Bank- und Postkontoauszüge seien noch immer an die Zürcher Adresse gegangen. Laut Kalendereinträgen nahmen die Steuerpflichtigen im Dezember 2015 noch Augenarzt-, Optiker- und Coiffeurtermine im Mittelland wahr.
Weiter fiel den Behörden auf, für den Raum Zürich seien nur wenige Ausgabenbelege vorhanden – dafür auffällig hohe Bargeldbezüge. Vor allem sei Ende 2015 von einer «erheblichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Integration» im Zürcher Heimatdorf auszugehen.
Das Bundesgericht urteilte deshalb: «Das bisherige Steuerdomizil erscheint damit auch nach dem September 2015 als sehr wahrscheinlich. Es gilt damit eine natürliche Vermutung für den Weiterbestand des bestehenden Steuerdomizils.» Ein Gegenbeweis sei den Beschwerdeführern nicht gelungen.
Keine Arbeit im Kanton Schwyz
Nicht besser erging es dem Ex-Filialleiter (47) einer Raiffeisenbank. Der meldete sich im Oktober 2016 in seiner langjährigen Wohngemeinde im Aargau ab, um sich im Kanton Schwyz anzumelden. Als er sich Anfang 2018 wieder im Mittelland anmeldete, erhielt er kurz darauf dicke Post: Die Steuerkommission der Gemeinde verlangte, dass er auch die 316'000 Franken, die er 2016 verdient hatte, vollständig im Aargau versteuere. Im September 2021 gab das Spezialverwaltungsgericht der Gemeinde recht.
Der Banker hatte gleich mehrere grobe Fehler gemacht, die einen Wohnsitzwechsel unglaubwürdig erscheinen liessen: Zum einen ging er im Kanton Schwyz nie einer Arbeit nach, zudem mietete er im Tiefsteuerkanton lediglich eine Zwei-Zimmer-Wohnung für 1650 Franken im Monat. Im Aargau wohnte er in einer Stockwerkeigentumswohnung mit 5,5 Zimmern – inklusive Sauna und Doppelabstellplatz. Beides spreche laut Gerichtsurteil «gegen die Verlegung des Lebensmittelpunktes» nach Schwyz.
Zum Verhängnis wurde dem vermeintlichen Schlaumeier aber vor allem die Verletzung seiner Mitwirkungspflicht: Er lehnte es ab, den Behörden Kreditkarten- und Bankkontoauszüge zu überlassen – mit dem Argument, das Eindringen in Finanztransaktionen und persönliche Ausgaben lehne er als ehemaliger Banker aus persönlichen und privatrechtlichen Gründen ab. Das Gericht bezeichnete dies als «absolut irrelevant» und wies seinen Rekurs als «unbegründet» ab.
Lotto-Millionär in WG-ähnlichen Verhältnissen
Ebenfalls chancenlos blieb ein Lottogewinner (64) aus dem Thurgau, der im Januar 2015 dank Losglück zu einer Million Franken gekommen war. Er meldete sich im Herbst in der Ostschweiz ab und mietete im Kanton Schwyz ein möbliertes Zimmer.
Doch die Justiz glaubte ihm nicht, dass er seinen Lebensmittelpunkt damals in die Zentralschweiz verlegt hatte. 2019 wies das Bundesgericht seine Beschwerde gegen die Steuerveranlagung des Kantons Thurgau endgültig ab – unter anderem mit der Begründung, es mute «aussergewöhnlich» an, dass sich ein Lotto-Millionär, Jahrgang 1958, mit einem «Zimmer in WG-ähnlichen Verhältnissen» begnüge.
Auch die Todesanzeige seiner im Januar 2016 verstorbenen Mutter geriet dem Beschwerdeführer zum Nachteil. Darin wurde der Name einer Frau «ausdrücklich zusammen mit jenem des Beschwerdeführers» genannt. Das Problem: Der Lottogewinner hatte geltend gemacht, dass diese Frau lediglich eine «enge Freundin» sei, bei der er ab 2011 zur Untermiete wohnte. Es habe sich um eine «schlichte Wohngemeinschaft» gehandelt.
Wegen der Todesanzeige schenkten die Steuerbehörden dieser Behauptung keinen Glauben und gingen davon aus, der Lottogewinner habe noch immer bei seiner «festen Partnerin» im Thurgau gelebt – und nicht im WG-Zimmer im Kanton Schwyz.
Meinungsverschiedenheit mit den Steuerbehörden
Ein Steuerbetrüger ist der Lotto-Millionär nach Schweizer Recht dennoch nicht – ebenso wenig wie die Beteiligten in den anderen geschilderten Fällen. Vereinfacht ausgedrückt hatten die «Beschwerdeführer» lediglich eine Meinungsverschiedenheit mit den Steuerbehörden. Daher mussten die Steuerpflichtigen auch lediglich die Verfahrenskosten tragen. Für die PK-Bezüger waren das 2000 Franken, für den Banker 2590 Franken und für den Lotto-Millionär 4000 Franken.
Am teuersten wurde es für Daniel Vasella. Wegen des «ausserordentlich hohen Zeit- und Arbeitsaufwandes, der Wichtigkeit und Schwierigkeit» des Verfahrens musste er 25 000 Franken abdrücken. Der ehemalige Topmanager dürfte es verkraften können. Allein 2007, seinem ertragreichsten Jahr als Novartis-Chef, verdiente er 115 000 Franken – pro Tag.
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