Steueroptimierung ist ein Volkssport. Wenn jedoch ein schwerreicher Schweizer zu unlauteren Mitteln greift, um hohe Steuerbeträge nicht zahlen zu müssen, gibt es wenig Mitgefühl aus der Bevölkerung.
Ein rechtskräftiges Urteil des Zuger Verwaltungsgerichts aus dem Jahr 2020, das der «SonntagsZeitung» vorliegt, zeigt nun auf, wie Daniel Vasella (69) vorging. Und wie hoch der Aufwand war, um ihm auf die Schliche zu kommen.
Die Steuerflucht nach Monaco
Ausgangspunkt der Geschichte ist das Jahr 2013. Daniel Vasella tritt als Verwaltungsratspräsident von Novartis ab. Laut Schätzungen soll er beim Basler Pharmakonzern seit 2000 rund 400 Millionen Franken verdient haben. Zum Abgang bietet ihm Novartis eine Entschädigung im Wert von bis zu 72 Millionen Franken, unter anderem darum, damit er nicht zur Konkurrenz wechselt. Die Schweiz ist empört. Vasella gibt kurz daraufhin an, er verzichte auf das Geld.
Tut er aber nur teilweise. Acht Millionen Abfindung lässt er sich trotzdem auszahlen. Erklärt im Blick, er siedle in die USA um, was sich später als Täuschungsmanöver entpuppt. Stattdessen zügelt er ins Steuerparadies Monaco. Seine Villa in Risch ZG behält er. Und zieht 2016 dort wieder ein.
So wird Vasella überführt
Da Monaco weder Einkommens- noch Vermögenssteuern erhebt, spart Vasella drei Jahre lang beträchtlich. Nur: Um in den Genuss der Steuerfreiheit zu kommen, müsste er auch tatsächlich in Monaco wohnen. Die Zuger Steuerfahnder zeigen aber in akribischer Arbeit auf, dass dies nicht der Fall war.
Wasser- und Stromverbrauch
Der Klassiker: Das Ehepaar Vasella verbraucht laut Rechnung von April bis Dezember 2013 in Monaco nur 36 Kubikmeter Wasser – in einer Fünfzimmerwohnung mit Swimmingpool. In derselben Zeitspanne liegt der Wasserverbrauch in der Villa am Zugersee bei 1184 Kubikmetern. Vasella beruft sich auf seine Kinder und die Haushälterin, die zeitweilig in der Villa zugegen sind. Doch die Behörden glauben ihm nicht, dass dies einen 32 Mal höheren Wasserverbrauch als in Monaco zeitigt. Zudem wird in Zug auch elfmal mehr Strom verbraucht als in Monaco.
Handy
Vasella gibt den Behörden keinen Zugriff auf seine Handydaten für diese Zeit, auch nicht mit Schwärzung von Namen und Nummern. Das Gericht vermutet, dass die Standortdaten gegen ihn sprechen würden. Er behauptet, seine Ehefrau habe gar kein Handy in Monaco benutzt. Doch auch auf dem Festnetzanschluss sind so gut wie keine Gesprächskosten vorhanden.
Falsche Kalendereinträge
Vasella stellt seinen Outlook-Kalender mit seinen Aufenthaltstagen in Monaco und Risch zur Verfügung. Die Steuerverwaltung kann darin aber 33 Fälle aufzeigen, bei denen Vasella nachweislich in Zug die Kreditkarte nutzte, während er laut Kalender in Monaco hätte sein müssen.
Die Flüge ab Zürich
Monaco hat keinen Flughafen. Wer dort wohnt, nutzt üblicherweise den nahe gelegenen Flughafen von Nizza. 160 Flüge tätigt das Ehepaar Vasella zwischen 2013 und 2015. Ein einziger hat Nizza als Start- und Endpunkt. Ansonsten gehen die Flüge fast immer ab Zürich. Vasella erklärt, er sei jeweils mit dem Auto vom Flughafen Zürich nach Monaco gefahren oder umgekehrt. Das sind rund 6,5 Stunden Fahrzeit. Dabei wäre Nizza als drittgrösster Flughafen Frankreichs gut an die Welt angebunden.
Post- und Kreditkartenabrechnungen
Vasella legt Kreditkartenabrechnungen nur für begrenzte Zeitperioden zur Verfügung. Für seine Aufenthalte in Monaco gibt es dabei kaum Zahlungen. Vasella beruft sich auf ein zurückgezogenes Leben in Monaco, und dass er die Haushaltshilfe in bar bezahlt habe. Eine Haushaltshilfe in Risch kauft derweil wöchentlich mit Kreditkarte ein, darunter für 100 bis 200 Franken Nespressokapseln. Wohl kaum für ihren Eigenverbrauch in Abwesenheit des Hausherrn. Nicht zuletzt lässt Vasella seine Post nicht umleiten. Alle Postzuschriften kommen nach Risch.
Vasella schweigt
Im Gerichtsschreiben beruft sich Vasella darauf, dass die Ungereimtheiten nicht dagegen sprechen, dass er und seine Frau sich «vorwiegend» in Monaco aufgehalten haben. Anfragen zum Thema will er aber nicht beantworten. Das Zuger Verwaltungsgericht befindet jedenfalls, dass die Vasellas ihre Wohnsitzverlegung nach Monaco nicht belegen können und im Gerichtsfall unterliegen.
Unbekannt bleibt die Höhe des Steuerbetrags, den Vasella nicht bezahlen wollte und wofür er den Scheinumzug nach Monaco vornahm. Allein wegen einer Steuer auf die acht Millionen Franken Abfindung dürfte er diesen Aufwand nicht auf sich genommen haben.
Daniel Vasella musste die gesamten Kosten des Verfahrens tragen, die «aufgrund des ausserordentlich hohen Zeit- und Arbeitsaufwands, der Wichtigkeit und Schwierigkeit» auf 25'000 Franken festgelegt wurden. (rae)