«Meine erste Reaktion war: Dass der sich nicht schämt», sagt Monika Roth (72). Die Anwältin und Finanzplatzspezialistin meint den Multimillionär und Ex-Novartis-Boss Daniel Vasella (69). Und spricht damit wohl vielen Schweizerinnen und Schweizern aus dem Herzen, die sich seit Sonntag über das mehr als fragwürdige Steuergebaren des einst mächtigen Managers empören.
Am Wochenende hatte die «SonntagsZeitung» enthüllt, dass Vasella im Jahr 2013 – dem Jahr seines Abgangs bei Novartis – in der Schweiz seine Steuern optimieren wollte und deshalb seinen Wohnsitz von Risch ZG kurzerhand ins Steuerparadies Monaco verlegte. Allerdings glaubten das die Zuger Steuerbehörden nicht und wiesen laut einem Urteil, das auch Blick vorliegt, dem Ex-Topmanager akribisch nach, dass seine Angaben zum Wohnsitz nicht stimmen konnten.
Steuerbehörden schauen genau hin
In dem nun öffentlichen Urteil des Zuger Verwaltungsgerichts ist zu lesen, dass die Steuerbehörden etwa den Wasser- und Stromverbrauch in Risch und in der von Vasella gemieteten 5-Zimmer-Wohnung in Monaco miteinander verglichen. Die Steuerfahnder überprüften Kalendereinträge und glichen diese mit Kreditkartenzahlungen ab. Und sie wollten auch die Standortdaten von Vasella und seiner Frau kontrollieren. Allerdings rückte Vasella sein Handy nicht heraus, und seine Frau gab an, sie habe in Monaco gar keines benutzt. Was das Gericht als «schwer vorstellbar» einstufte.
Dass die Steuerbehörden so genau hinschauen, ist nichts Ungewöhnliches. «Die Praxis, dass die Steuerbehörde die persönlichen Lebensumstände genau unter die Lupe nimmt, kommt bei höheren Einkommensklassen immer mal wieder vor», sagt Roth, die von 1993 bis 2011 auch als Steuerrichterin im Kanton Baselland amtete.
Bescheid akzeptieren
Wie so vielen anderen fehlt Roth das Verständnis für den krampfhaften Versuch der Steueroptimierung komplett: «In meinen Augen macht sich Vasella auch lächerlich. Man kann es ja mal probieren, aber wenn die Steuerbehörde ganz genau hinschaut und es dann angesichts der Fakten und Belege eigentlich offensichtlich ist, dass nichts zu machen ist, dann sollte man den Bescheid akzeptieren.» Und ebendiesen Entscheid nicht vor dem Verwaltungsgericht infrage stellen, wie das Vasella tat.
Schwer zu akzeptieren ist für viele, dass immer nur von den «Steuertricks» von Vasella geschrieben wird. Aber klar ist: Der Ex-Novartis-Chef hat sich weder der Steuerhinterziehung noch des Steuerbetrugs schuldig gemacht. Deshalb muss er auch nur die Verfahrenskosten als Rekurrent tragen – und natürlich die geschuldeten Steuern bezahlen.
Denn – so sieht es das Gesetz vor – wer Steuern tatsächlich hinterzieht, muss dafür falsche Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen machen. Steuerhinterziehung wird als Übertretung eingestuft und mit einer Busse bestraft. Diese kann in besonders schweren Fällen bis das Dreifache der hinterzogenen Steuer betragen.
Für eine Verurteilung wegen Steuerbetrugs sind die Hürden noch um einiges höher. Dazu braucht es eine Urkundenfälschung, also etwa die Manipulation von Lohnausweisen, Bilanzen oder Geschäftsbüchern. Steuerbetrügern droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.