Dass in Europa ein Blackout droht, hat zu einem Run auf Erdgas geführt. Auch die Schweiz versucht, ihre Reserven im Ausland im Eiltempo aufzufüllen – und das zu horrenden Preisen. Besonders für energieintensive Industriezweige geht es um die Existenz.
Frank Ruepp präsidiert die Interessengemeinschaft Energieintensive Branchen (Igeb), die rund 16 Prozent des gesamten Industriegases in der Schweiz verbrauchen. Bei solchen Unternehmen liegen die Energiekosten höher als die Personalkosten – steigende Gaspreise reissen gewaltige Löcher in die Kassen. Ruepp: «Für ein Stahlwerk entstehen bei einer Preiserhöhung von einem Rappen pro Kilowattstunde Mehrkosten von dreieinhalb bis vier Millionen Franken.»
Eine Mangellage führt da schnell zum Verteilkampf. «Ohne Gas», so Ruepp, «steht alles still.» Ganze Produktionen müssten dann heruntergefahren werden: «Papier zum Beispiel können wir nur mit voller Leistung produzieren, da die Prozesse enorm energieintensiv sind.»
Michael Matthes ist stellvertretender Direktor von Scienceindustries. Sein Verband vertritt Chemie-, Pharma- und Lifesciences-Firmen, Unternehmen also, die in absoluten Zahlen am meisten Gas verbrauchen. Matthes fordert, an die Politik gewandt: «Man muss die Sparbemühungen breit aufstellen. Die Wirtschaft ist bereit, einen Beitrag zu leisten. Zugleich kann und muss jeder Einzelne von uns dasselbe tun – denn der Schaden von Produktionsabschaltungen wäre für unsere Volkswirtschaft und Gesellschaft immens.»
Die Bevölkerung soll der Wirtschaft helfen
Frank Ruepp stösst ins gleiche Horn. Er verlangt, dass Haushalte «nicht privilegiert behandelt» werden dürften. Private müssten «unbedingt» einen höheren Anteil der Energiesparbemühungen tragen: «Es kann nicht sein, dass die Industrie runterfahren muss, während die Heizung in den Wohnungen hochgedreht wird.»
Wie der Strom verteilt wird, sobald er knapp wird, haben die Behörden bereits festgelegt: Wenn sanftere Massnahmen nicht wirken, würde der Bundesrat den Betrieb von Hallenbädern, Skiliften oder etwa Leuchtreklamen verbieten. Sollte das noch nicht genügen, müssten Grossabnehmer ihren Verbrauch um 20 Prozent drosseln. Beim Gas stehen die Details einer allfälligen Rationierung noch nicht fest. Doch auch hier gilt der Grundsatz: Als Erstes muss die Industrie sparen.
Danilo Fiato, Präsident Giesserei-Verband der Schweiz, warnt: «Ein solches Energiedefizit kann die Branche nicht einfach so wegstecken.» Es gebe Fragen der Priorisierung, die aus seiner Sicht noch nicht geklärt seien: «Was ist wichtiger, Individualverkehr, ÖV, Heizen, das Internet oder die Produktion von Gussteilen?»
Gerade beim Gas zeigt sich, welchem Dilemma die Schweiz entgegensieht. Fast 60 Prozent aller Wohngebäude in der Schweiz werden mit Gas oder Öl beheizt, in den grössten Schweizer Städten sogar 77 Prozent. In der Stadt Zürich zum Beispiel werden rund 112'000 Wohngebäude mit Öl- oder Gas geheizt. Etwa 50'000 Häuser sind es in Bern und Genf, um die 30'000 in Luzern, St. Gallen und Basel.
Seit März arbeiten der Bund und die Schweizer Gasbranche daran, die Gasversorgung der Schweiz für den Winter mit der Bereitstellung von Speicherkapazität in den Nachbarländern sowie mit Optionen für zusätzliche Gaslieferungen sicherzustellen. Verantwortlich für den Aufbau der Reserven sind fünf Regionalversorger; sie übernehmen den Einkauf und die Verteilung des Gases an die lokalen Versorger.
Firmen hofften auf kurzen Krieg
Grundsätzlich sehen sich die Regionalgesellschaften mit diesen Bemühungen auf Kurs. Jedoch sind sie ihrer Aufgabe nicht alle gleich gut nachgekommen. SonntagsBlick weiss: Der Westschweizer Versorger Gaznat hat schnell geschaltet und sich viel Gas gesichert, während der Gasverbund Mittelland eher zögerlich einkaufte. Dem Vernehmen nach setzte man im Mittelland lange auf einen kurzen Krieg und wieder sinkende Gaspreise. Anders formuliert: Man hat sich verspekuliert.
Der Präsident des Gasverbundes Mittelland, Ex-Swiss-Chef André Dosé, sagte diese Woche im Gespräch mit der «NZZ»: «Wir hätten uns vor drei Monaten für ein oder zwei Milliarden Franken Gas sichern sollen. Das ist aber nicht geschehen. Nun kostet die Beschaffung drei Mal so viel. Das war ein Fehler.» Dosé, der auch Präsident des Dachverbandes Swissgas ist, fordert nun eine Staatsgarantie für Gasbeschaffer. Gegenüber SonntagsBlick wollte sich Dosé zu seiner Einkaufsstrategie nicht äussern.
Bereits im Mai teilten Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP) und Energieministerin Simonetta Sommaruga (SP) der Gasbranche in einem Schreiben mit, sie habe unverzüglich den Bund zu informieren, falls staatliche Hilfen notwendig werden sollten. Laut Angaben von Parmelins Wirtschaftsdepartement hat die Gasbranche dieses Angebot bisher nicht in Anspruch genommen.
Derweil fordern einzelne Firmen bereits einen öffentlichen Aufruf zum Energiesparen – und die Verwaltung hat reagiert: Das Bundesamt für Energie lud Vertreter der Wirtschaft zu einem «Kick-off-Event» am 22. Juli ein. Dort werden sie über die Kampagne informiert, welche die Bevölkerung für einen sparsamen Umgang mit Gas und Energie sensibilisieren soll. Der Start soll im August erfolgen.
Die Wirtschaftsvertreter betonen, beim Thema Energie dürften keine Tabus gelten. Michael Matthes von Scienceindustries: «Wir setzen uns für einen breit abgestützten Energiemix und Technologieoffenheit ein. Dazu gehören alle Energieformen.» Seine vielsagende Andeutung: «Es ist interessant, dass die Europäische Union vor wenigen Tagen Kernenergie und Erdgas als nachhaltige Energieträger eingestuft hat.»
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