Auf einen Blick
- Nachbarschaftsstreit in Roggwil tobt seit 33 Jahren
- René Duppenthaler und Marvin V. decken sich mit Beschwerden und Klagen ein
- Duppenthaler droht eine Busse von 40'000 Franken
- Beide Nachbarn dokumentieren mutmassliche Vergehen mit Fotos
- Polizei beschlagnahmte 2019 Waffen und Hasen
Zwischen ihren Gärten in Roggwil BE haben René Duppenthaler (70) und sein Nachbar Marvin V.* (75) eine Grenzanlage gebaut. Da ist die zwei Meter hohe Holzwand auf Marvin V.s Seite, dahinter eine Pufferzone von etwa einem halben Meter Breite, dann ein Gartenzaun aus Holz, mit einer Stoffschicht verstärkt. Wenige Zentimeter weiter hinten, auf Duppenthalers Grundstück, ein Gartenzaun mit Stacheldraht. Und dahinter eine 1,80 Meter hohe Rostwand, der jüngste Baustein des Grenzsystems. «Das ist kein Nachbarstreit mehr», sagt René Duppenthaler. «Hier herrscht Krieg!»
Seit 33 Jahren decken sich die Nachbarn mit Anzeigen ein, schwärzen einander bei der Gemeinde an. Der neuste Streitpunkt: die Rostwand, die Duppenthaler als Lärmschutz gebaut hat. Marvin V. beschuldigt ihn, dafür keine ausreichende Bewilligung zu haben. Duppenthaler ist stinkwütend: «Nun droht mir die Gemeinde mit einer Busse von 40'000 Franken!»
1991: Erste Beschwerde wegen Sträuchern
Es war denn auch die Grenze zwischen ihren beiden Gärten, die den ersten Streit zwischen den Nachbarn losgetreten hat. Sommer 1991, anstelle der Grenzanlage trennen einige Sträucher auf Duppenthalers Seite die Grundstücke der beiden frisch gebackenen Hauseigentümer. In einem eingeschriebenen Brief beschwert sich Marvin V., die Sträucher würden gegen den Mindestabstand zu seinem Garten verstossen: «Sollten die Sträucher nicht bis zum 31. Juli versetzt worden sein, behalten wir uns vor, Massnahmen zu ergreifen», schreibt er.
Duppenthaler kramt ein Polaroid-Bild der Sträucher aus einem Ordner voller Briefe und Fotos heraus. Marvin V. habe völlig überreagiert, findet er: «Statt 50 Zentimeter waren die Sträucher halt nur 30 Zentimeter von seinem Grundstück entfernt.» Missmutig habe er die Pflanzen ausgerissen – und seinen Nachbarn innerlich zum Feind erklärt.
Marvin V. lebt mit seiner Frau zusammen. Er will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Gegenüber Blick widerspricht er Duppenthalers Darstellung: Der Streit habe angefangen, weil der Nachbar ihm Humus aus dem Garten gestohlen habe. «Er ist derjenige, der uns schikaniert!», beteuert V.
Vergiftete Tomatensträucher, Drohungen
Die Streithähne schreiben einander Gemeinheiten zu. «Wenn ich draussen Rasen mähe, dann spritzt mein Nachbar mit dem Gartenschlauch über den Zaun», behauptet etwa Duppenthaler.
Die mutmasslichen Vergehen von Marvin V. dokumentiert er seit den 90ern mit Fotos. Sie zeigen vergiftete Tomatensträucher, herübergeblasene Laubhaufen, verbrannte Erde – in wörtlichem Sinne. «Wenn wir uns begegnen, zeigt er mir den Mittelfinger», sagt Duppenthaler und fügt an: «Natürlich gebe ich dann zurück!»
Auch Marvin V. hat Beweisfotos auf seinem Handy. Eines der Bilder zeigt eine dünne Schicht Kaffeesatz auf V.s Holzzaun. Er behauptet: «Duppenthaler hat ihn dorthin gestreut!»
Polizei beschlagnahmt Waffen und Hasen
Viel schlimmer aber seien die Drohungen seines Nachbarn. 2018 erstattet Marvin V. Anzeige. Duppenthaler habe gedroht, ihm «mit der 45er i Ranze z schiesse». Seine Frau habe er als «blödi Chueh» und «dummi Sou» beleidigt.
Weil Duppenthaler im Schützenverein ist und Bewilligungen für mehrere Gewehre besitzt, fährt kurze Zeit später die Polizei vor, durchsucht sein Haus, beschlagnahmt die Waffen. Die Beamten überprüfen auch Duppenthalers Hasenstall und melden ihn daraufhin beim Veterinäramt. Die Tiere hätten zu wenig Platz und würden nicht artgerecht gehalten, heisst es in der Anzeige.
Duppenthaler kassiert zwei Strafbefehle. Für ihn ist klar: «Mein Nachbar ist schuld, dass sie mir die Gewehre und die Hasen weggenommen haben.» Dennoch habe er beschlossen, mit dem Kämpfen aufzuhören.
«Duppenthaler terrorisiert uns weiterhin»
Offenbar hat auch Marvin V. genug vom Krieg. 2022 einigen sich die beiden auf einen Waffenstillstand. In einem aussergerichtlichen Vergleich willigen sie ein, die noch laufenden Anzeigen zurückzuziehen und sich fortan «in Ruhe zu lassen».
Doch der Frieden hält nicht lange. Als Duppenthaler seine Holzwand an der Grenzanlage durch eine Rostwand ersetzt, geht es wieder von vorne los. Die Gemeinde befiehlt ihm, die neue Wand wieder einzureissen und droht mit einer Busse.
Marvin V. bestätigt, dass er es war, der die Gemeinde auf das neue Bauprojekt seines Nachbarn hingewiesen hat, erklärt aber: «Es ist nicht meine Schuld, dass er keine Bewilligung hat.» Ausserdem halte sich Duppenthaler nicht an die Vereinbarung. «Er terrorisiert uns weiterhin», so V.
«Probleme untereinander lösen»
Wie viel Zeit und Geld die beiden in den letzten 33 Jahren für Beschwerden, Anzeigen, Zäune und Mauern ausgegeben haben, lässt sich kaum noch beziffern.
Auf der Gemeinde Roggwil kennt man die Streithähne mittlerweile. «Der Streit ist fast älter als ich», sagt Gemeindepräsident Benjamin Kurt zu Blick. «Wenn wir Beschwerden erhalten, gehen wir diese pragmatisch an und raten, wenn möglich, die Probleme untereinander zu lösen.»
Davon wollen die Nachbarn nichts wissen. Wie er mit seiner Rostmauer fortfahren soll, weiss René Duppenthaler noch nicht. Er hat auf seinem Grundstück indes eine Überwachungskamera installiert und hofft, die mutmasslichen Boshaftigkeiten seines Nachbarn zu beweisen. Marvin V. überlegt derweil, ob die Kamera seines Nachbarn legal ist.
* Name geändert