Hier betritt Kumar Williams (66) das Gericht
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Missbrauchs-Skandal:Hier betritt Kumar Williams (66) das Gericht

Landesverweis von fünf Jahren
Berner Tamilen-Pastor muss die Schweiz verlassen

Kumar Williams wurde am Dienstag verurteilt. Aber nicht wegen der bekannten Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs. Der umstrittene Tamilen-Pastor war unter anderem wegen Sozialhilfemissbrauchs und Urkundenfälschung angeklagt.
Publiziert: 12.03.2024 um 08:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.03.2024 um 08:46 Uhr
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Der Tamilen-Pastor Kumar Williams soll in Bern mehrere Mädchen seiner Glaubensgemeinschaft sexuell missbraucht haben. Doch dafür steht er aktuell nicht vor Gericht.
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Gina KrücklReporterin

Seit vier Jahren steht Kumar Williams (66) im Zentrum eines Missbrauchs-Skandals. Wie die «Rundschau» aufdeckte, soll er seine Position als Oberhaupt seiner tamilischen Freikirche in Bern genutzt haben, um mehrere Mädchen zu sexuellen Handlungen zu zwingen. Eine Frau gab an, beim Missbrauch erst 13 Jahre alt gewesen zu sein.

Williams bestritt die Vorwürfe von Beginn an. Zwei Jahre später entschied auch die Staatsanwaltschaft, den Fall nicht weiterzuverfolgen. Anfang des Jahres tauchten dann Videos auf, die den Pastor in Videochats zeigen – angeblich mit einer Gläubigen. «Du bist allein, ich bin allein, weshalb bist du denn trotzdem angezogen? Zieh dich aus.»

Sozialhilfebezug trotz voller Konten

Nun stand Williams vor Gericht. Doch nicht etwa wegen der Missbrauchsvorwürfe. Denn bereits vor Bekanntwerden des Skandals reichte das Sozialamt Köniz BE Strafanzeige gegen Williams ein. Gemeinsam mit drei weiteren Beschuldigten musste er sich nun wegen Sozialhilfemissbrauchs, Betrugs, Urkundenfälschung und Anstiftung dazu einem dreitägigen Prozess stellen. Mit auf der Anklagebank sitzen Williams' Ehefrau sowie zwei Personen, die mit ihnen im selben Haus gewohnt haben.

Der Vorwurf: Sie bezogen Sozialhilfe, obwohl Kumar Williams als Oberhaupt seiner Freikirche auf die finanziellen Mittel der Kirche zugreifen konnte. So soll Williams seine Glaubensgemeinschaft finanziell ausgebeutet haben. Betroffene berichten, dass sie zehn Prozent ihres Lohnes an die Kirche abgeben mussten. Bei insgesamt 25 Unterkirchen dürfte da so einiges zusammengekommen sein. Gemäss der damaligen «Rundschau»-Recherche befanden sich auf zwei Konten der Kirche 56'000 Franken.

Am Montagnachmittag wurde das Freikirchen-Oberhaupt zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Er und seine Frau müssen die Schweiz zudem verlassen. Das Gericht sprach einen Landesverweis von fünf Jahren aus. Es liege ein Fall von Sozialhilfemissbrauchs vor, der einen obligatorischen Landesverweis nach sich ziehe. Ein persönlicher Härtefall liege nicht vor, obwohl das Ehepaar seit Jahrzehnten in der Schweiz lebe, berichtet die «Berner Zeitung» vom Schuldspruch. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig, ein Weiterzug ans Obergericht ist möglich.

Schwere Missbrauchsvorwürfe in Tamilen-Kirche
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Pastor unter Druck:Schwere Missbrauchsvorwürfe in Tamilen-Kirche

Grosses Schweigen vor dem Prozess

Es ist fraglich, ob Köniz nach der Verurteilung die missbräuchlich bezogenen Gelder zurückerhält. Zwar will sich die Gemeinde auf Anfrage von Blick nicht zu dem Fall äussern. Doch vor vier Jahren sagte Gemeinderat Hans-Peter Kohler gegenüber der «Berner Zeitung»: «Wenn kein Geld mehr da ist, wird es schwierig.»

Auch Williams will sich auf Anfrage von Blick nicht zu den Betrugsvorwürfen äussern. Doch als diese bekannt wurden, sagte er gegenüber den Medien: «Ich nehme keinen Rappen Geld von der Kirche.» Die von ihm selbst gegründete Kirche habe kein Geld, sei sogar im Minus.

04.03.2024, 17:00 Uhr

Das war der erste Prozesstag

Der umstrittene Tamilen-Pastor Kumar Williams (66) stand heute gemeinsam mit drei weiteren Personen vor Gericht. Die Anklagepunkte: Betrug, Sozialhilfemissbrauch, Urkundenfälschung und Anstiftung dazu. Schon mit der ersten Befragung der Beschuldigten 3 kam eine überraschende Wendung. Statt wie in den Einvernahmen die Beschuldigte 4 anzukreiden, gab die Beschuldigte 3 die Urkundenfälschung zu: «Ich habe unter Druck der Williams gehandelt.» Und auch Williams selbst sprach die Beschuldigte 4 von jeder Schuld frei. Aber auch sich selbst. Gemäss Williams wusste er nichts davon, was seine Frau und die Beschuldigte 3 trieben. Und laut dem Verteidiger von Williams Ehefrau ist diese nicht intelligent genug für so eine Aktion.

Da sowohl die Beschuldigte 3, als Frau Williams auf eine Aussage verzichteten und auch Williams nach rund einem Dutzend Fragen von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch machte, fünf der Prozess deutlich schneller voran als geplant. Der morgen geplante Prozesstag fällt darum aus. Die Verteidiger hielten ihre Plädoyers bereits heute. Sie alle forderten Freisprüche für ihre jeweiligen Mandanten. Die Urteilsverkündung ist für den kommenden Montag geplant.

04.03.2024, 16:49 Uhr

Alle Angeklagten verzichten auf Schlusswort

Keine der vier Angeklagten will ein Schlusswort geben. Daher beendet die Richterin den Prozess. Der für morgen geplante Prozesstag falle weg. Das Urteil folgt wie geplant am kommenden Montag.

04.03.2024, 16:40 Uhr

Verteidiger Beschuldigte 4: «Dieses Strafverfahren hätte nie auf meine Mandantin ausgeweitet werden dürfen»

Auch der Verteidiger der Beschuldigten 4 fordert in seinem Plädoyer einen Freispruch für den Vorwurf der Urkundenfälschung. Zudem eine Genugtuung von 2500 Franken sowie Zinsen. «Wenn man aus einer Sekte austritt, wird man kritisiert und unter Druck gesetzt. Genau das ist meiner Mandantin passiert.» Es sei unvorstellbar, was seine Mandantin in den vergangenen Jahren erlitten habe. «Weil sie erzählt hat, was ihr widerfahren ist.»

Seine Mandantin sei nur aufgrund der Aussagen der Mitangeklagten in das laufende Verfahren hineingeraten, so der Verteidiger. «Sie alle sagten, dass meine Mandantin das alles geplant hatte.» Erst heute hätten sowohl die Beschuldigte 3 als auch Williams seine Aussage geändert. «Abgesehen von diesen belastenden Aussagen gibt es nichts, was meine Mandantin mit der Tat in Verbindung bringt.»

Dann zitiert der Verteidiger diverse frühere Aussagen der drei anderen Angeklagten und nimmt sie auseinander. So sagte Frau Williams bei einer Einvernahme aus, dass die gefälschten Bankauszüge von der Beschuldigten 4 ohne Hilfe der Williams gemacht worden seien. Darauf meint der Verteidiger: «Woher sollte sie aber wissen, welche Beträge genau jeweils abgehoben wurden? Wie hätte sie das wissen sollen? Es muss so passiert sein, wie es die Beschuldigte 3 erzählt hat, dass jemand nebendran sass und diktierte.»

Auch das Rachemotiv existiert laut dem Verteidiger nicht. «Ihre Brüder sind aus der Kirche ausgetreten und nicht ausgeschlossen worden.» Dafür spreche auch Williams eigene Aussage heute vor Gericht: «Er hat bestätigt, dass meine Mandantin nichts damit zu tun hat. Also das Gegenteil von dem, was nachher sein Verteidiger ausgeführt hat.» Deswegen zieht er folgendes Fazit: «Dieses Strafverfahren hätte nie auf meine Mandantin ausgeweitet werden dürfen.»

04.03.2024, 16:05 Uhr

Verteidiger Beschuldigte 3: «Meine Mandantin ist wenn dann eine Gehilfin»

Dann setzt der Verteidiger der Beschuldigten 3 zum Plädoyer. «Mir ist beim heutigen Prozess eigentlich nicht wohl. Denn eigentlich mache ich keine Opfervertretung.» Und obwohl seine Mandantin heute auf der Anklagebank sitze, werde ihr diese Rolle nicht gerecht. «Sie hat gemacht, was autoritär von ihr verlangt wurde. Sie konnte sich dem Willen Williams nicht entziehen.» Weswegen er einen Freispruch für den Vorwurf der Urkundenfälschung fordere.

Dann kritisiert der Verteidiger die Anklageschrift. «Jemand hat Urkundenfälschung und Betrug begangen. Aber wer die Tat begangen hat, lässt die Anklage offen.» Tatsächlich würde nach dem Beweisverfahren einiges für seine Mandantin als Täterin sprechen, so der Verteidiger. «Es ist unbestritten, dass meine Mandantin unzählige Dokumente gefälscht hat.» Doch sie hätte keinen Grund dazu gehabt, ausser auf Druck von Williams. «Es geht um ihn, um sein Geld. Er allein hat ein Interesse daran jemanden zu hintergehen.»

Zudem macht der Verteidiger geltend, dass seine Mandantin mit dem Fälschen der Bankauszüge keine Urkundenfälschung begangen hat. «Sie hat keine Dokumente gefälscht, sondern Neue hergestellt.» Das sei eine Falschbeurkundung. «Diese ist als schriftliche Lüge nicht strafbar.» Des Weiteren sagt er: «Eine gefälschte Urkunde wird erst zum Problem, wenn sie verwendet wird. Und das hat Herr Williams getan. Meine Mandantin ist wenn dann eine Gehilfin. Sie hatte nie eine Tatmacht oder einen Tatwillen.» 

04.03.2024, 15:33 Uhr

Zehn Minuten Pause

Vor den Plädoyers der Verteidigung der Beschuldigten 3 und 4 ordnet die Richterin eine zehnminütige Pause an.

04.03.2024, 15:32 Uhr

Frau Williams Verteidiger: «Meine Mandantin ist für Urkundenfälschung nicht intelligent genug»

Dann startet der Verteidiger von Frau Williams sein Plädoyer: «Meine Mandantin ist nicht intelligent genug, um Urkundenfälschung zu begehen.» Sie habe lange gar nicht gewusst, dass sie Sozialhilfe bezog. «In einer Einvernahme wurde sie gefragt, ob und wie viel Sozialhilfe sie bezieht. Sie antwortete: 'Ich persönlich gar nicht, ich arbeite. Aber ich weiss nicht, wie viel mein Mann bezieht.'»

Zwar habe sie die Formulare mitunterschrieben, so der Verteidiger. «Aber es gibt in den Akten keinen einzigen Hinweis darauf, dass ihr jemals erklärt worden ist, was sie da unterschreibt.» Natürlich hätte sie fragen können, fährt der Verteidiger fort. «Von einer studierten oder emanzipierten Person, die in einer gleichberechtigten Partnerschaft lebt, dürfte man das wohl erwarten. Aber meine Mandantin ist eine Person, die zehn Meter hinter ihrem Mann läuft, wenn sie in die Stadt gehen.»

Seine Mandantin sei gutgläubig, so der Verteidiger. «Wenn ihr jemand ein Formular vorlegt und sagt 'Unterschreib', tut sie das – egal ob es ihr Mann oder eine der beiden anderen Angeklagten ist.» Und genau das habe Frau Williams getan, als die Beschuldigte 4 dies von ihr verlangt habe. «Mittlerweile ist meine Mandantin aber nicht sicher, ob das alles auf dem Mist der Beschuldigten 4 gewachsen ist oder ob auch die Beschuldigte 3 ihre Finger im Spiel hat.»

Von ihrem Zusatzverdienst hätte Frau Williams ihrem Mann nichts erzählt, um mehr Geld für sich zu haben. Die habe sie auf Anraten der Beschuldigten 4 getan. «Sie wollte ihren Mann betrügen und wurde am Ende selbst betrogen.» Der Verteidiger fasst zusammen: «Meine Mandantin hat bei keinem der Delikte irgendeinen Vorsatz.» Weswegen er einen «vollumfänglichen» Freispruch verlangt. 

Auch dieser Verteidiger spricht den Landsverweis noch an. Wenn überhaupt, komme hier nur ein leichter Fall von unrechtmässigem Sozialhilfebezug in Betracht. Mangels Vorstrafen und aufgrund der Integration seiner Mandantin in der Schweiz gebe es nur eine Forderung: «Von einem Landesverweis ist abzusehen.»

04.03.2024, 15:07 Uhr

Kumar Williams Verteidiger fordert Freispruch

Damit geht es zu den Plädoyers. Es beginnt der Verteidiger von Kumar Williams. Die Vorwürfe gegen seinen Mandanten weist der Verteidiger klar ab. «Der ganze Prozess besteht hauptsächlich aus widersprüchlichen Parteiaussagen. Das meiste davon sind Racheaussagen.» So seien mehrere Personen aus dem Umfeld der Beschuldigte 3 und 4 von Williams aus der Glaubensgemeinschaft ausgeschlossen worden.

Williams Verteidiger sieht die Beschuldigte 4 als Drahtzieherin. «Sie hat die Auszüge gefälscht, weil sie wusste, dass mein Mandant diese einreichen und damit schwere Konsequenzen erhalten wird.» Frau Williams sei unwissentlich Teil dieser Verschwörung gewesen. «Sie haben ihre Naivität ausgenutzt.» 

Das Formular für die Sozialhilfe sei von den Beschuldigten 3 und 4 ausgefüllt worden, fährt der Verteidiger fort. Seine Bankauszüge würde Williams immer im selben Ordner aufbewahren und nicht vor dem Einreichen nochmals kontrollieren. «Er wusste nicht, dass er falsche Dokumente einreicht.» Als das Sozialamt Unregelmässigkeiten meldete, habe Williams sofort neue Bankauszüge bestellt und diese eingereicht, so der Verteidiger. «Wäre das geplant gewesen, wäre er ausserordentlich dumm.»

Auch einen Sozialhilfe-Betrug durch das Verschweigen der zusätzlichen Mieter sieht der Verteidiger nicht als gegeben. «Sie haben den ganzen Zeitraum keine Miete bezahlt. Das war ein Freundschaftsdienst.» Zudem sei nach wie vor nicht geklärt, wie lange die Beschuldigten 3 und 4 beim Ehepaar Williams wohnten. «Die Anklage müsste ihr spezifisch sein und dürfte nur die Tage strafen, an denen sie tatsächlich dort wohnten.» 

Doch der Verteidiger bestreitet, dass hier überhaupt ein Betrug durch seinen Mandanten vorliegt. «Betrug muss arglistig vollzogen werden. Doch mein Mandant hat, wenn dann, aus Unwissen gehandelt.» Das gelte auch für den Zusatzverdienst seiner Frau. «Er ging davon aus, dass sie nur für diesen einen Arbeitgeber gearbeitet hat und diesen Lohnausweis hat er eingereicht.»

Für Sozialhilfemissbrauch bräuchte es keine Arglist, fährt der Verteidiger fort. «Objektiv ist der Tatbestand sicher erfüllt, aber subjektiv nicht. Mein Mandat wusste weder vom Zusatzverdienst seiner Frau noch, dass der auch unregelmässig bei ihm unterkommende Dritte hätte anmelden müssen.»

Der Verteidiger fordert einen Freispruch für Kumar Williams in jeglichen Anklagepunkten. «Den einzigen Vorwurf, den man ihm machen kann, ist, dass er zu nett war und nicht genau hingeschaut hat.»

Dennoch kommt der Verteidiger auf einen möglichen Landesverweis zu sprechen. «Er wohnt seit vier Jahrzehnten hier. Seine Kernfamilie, insbesondere seine Kinder, sind in der Schweiz. Er hat hier eine Glaubensgemeinschaft aufgebaut und all den Mitgliedern immer geholfen.» Zudem habe er ausser einer kleinen Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz keine Einträge im Strafregister. 

04.03.2024, 14:26 Uhr

Antrag abgelehnt

Die Richterin lehnt den Antrag von Kumar Williams Verteidigung ab. Dieser wollte, dass eine Anzeige von Williams gegen die Beschuldigte 3 wegen Diebstahl von 40'000 Franken in die Verhandlung aufgenommen wird. Die Richterin begründet dies damit, dass keinen grossen Einfluss auf das Verfahren gehabt hätten. Damit schliesst die Richterin das Beweisverfahren.

04.03.2024, 14:16 Uhr

Chatverlauf soll Unschuld der Beschuldigten 4 beweisen

Die Richterin fragt die Verteidiger, ob sie nachträgliche Beweisanträge haben. Alle verneinen, ausser der Verteidiger der Beschuldigten 4. Er will einen Chatverlauf einreichen. Indem die Beschuldigte 3 geschrieben haben soll, dass sie in den Einvernahmen gelogen habe und die Beschuldigte 4 unschuldig sei. Die Richterin nimmt das Beweismittel auf.

Dann erinnert die Richterin noch an den ausstehenden Antrag vom Beginn der Verhandlung. Der Verteidiger von Frau Williams will eine ihrer Einvernahmen streichen lassen und damit auch alles, was der auf diesen Aussagen begründeten Hausdurchsuchung gefunden wurde. Die Richterin setzt eine kurze Beratungspause an.

04.03.2024, 14:13 Uhr

Williams will keine Fragen mehr beantworten

Die Richterin fragt, wie lange die Beschuldigte 3 bei den Williams gewohnt hat. Williams gibt an, er wisse das nicht so genau. «Sie ist immer wieder gekommen und gegangen. Dann war sie mal eine Zeit lang bei uns.»

Doch bevor die Richterin die nächste Frage stellen kann, sagt William, dass er keine weiteren Fragen mehr beantworten möchte. Damit beendet die Richterin seine Einvernahme.

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