Seit Jahren ist der Türke Mustafa Ö.* (48) immer wieder mit kleineren Ladendiebstählen aufgefallen. Weil ihm sein Psychiater einen Notfallbrief ausgestellt hatte, wurde meistens von einer Anklage abgesehen. Der Sozialhilfebezüger sei psychisch krank und leide an Kleptomanie. Doch nachdem er bei der Fust AG dank Videoaufnahmen beim Klau eines Luftentfeuchters erwischt wurde, hat er eine deftige Klage am Hals. Er soll nicht nur gewerbsmässig gestohlen, sondern auch während Jahren die Sozialhilfe betrogen haben. Am Dienstag stand er vor dem Kriminalgericht.
Der Beschuldigte erscheint zum Termin am Kriminalgericht in sportlich-eleganten Kleidern, telefoniert mit einem Premium-Mobiltelefon. In den Pausen raucht er vor dem Gebäude. Das Bild passt nicht zu einem Familienvater mit drei Kindern, der vom Existenzminimum leben muss und Sozialhilfe bezieht.
Es passt auch nicht zu den desolaten Zuständen, die die Polizisten bei einer Hausdurchsuchung vorgefunden hatten. «Die Kinder müssen auf Matratzen direkt auf dem Boden schlafen», sagt die Staatsanwältin. Sie kritisiert knallhart: «Er hilft nicht im Haushalt, gibt von seinem Geld der Familie nichts ab, ist nie da. Seine Frau verdient als Putzfrau das Geld für die ganze Familie. Er lebt in der Familie wie ein Parasit.»
Bei der Hausdurchsuchung fällt der Polizei auch auf: Zwei Kellerabteile waren bis an die Decke mit diversen neuwertigen Gegenständen vollgestopft. Laut Anklage waren da Schuhe, Kleider, Uhren, Toilettenartikel, aber auch IT-Ware und Elektronikartikel. Wert des heimlichen Lagers: 150'000 Franken.
Schwunghafter Versandhandel
Die Staatsanwaltschaft schliesst daraus, dass Mustafa Ö. mit gestohlener Ware einen schwunghaften Versandhandel in die Türkei betrieb. Auch die Koffer in den Kellerabteilen, markiert mit Zielorten in der Türkei und mit angeschriebenem Gewicht, deuten darauf hin.
Das Geld, das er damit verdiente, hatte er bei den Sozialen Diensten der Stadt Luzern nicht deklariert. Auch das Geld, das er von einem älteren Mann für Liebesdienste erhielt, verschwieg er. Von dem Freier erhielt er vier Darlehen über 6500 Franken sowie regelmässige Zahlungen über 2300 Franken pro Monat. Insgesamt hätte er Einkünfte über 138'000 Franken deklarieren müssen. Die Staatsanwältin sieht darin gewerbsmässigen Betrug. Sie fordert sieben Jahre Gefängnis unbedingt und einen Landesverweis von 15 Jahren.
Der Angeklagte beteuert seine Unschuld
Bis auf zwei Diebstähle streitet Mustafa Ö. alles ab. Er habe bei Aktionen viele Geräte gekauft. Sein Anwalt plädiert denn auch nur auf eine bedingte Geldstrafe und eine Busse. Das Gericht entscheidet in den kommenden Tagen, ob die Beweisanträge der Verteidigung zugelassen werden oder ob direkt ein Urteil gefällt wird.
* Name geändert