Mangelndes Engagement kann man dem Mann nicht vorwerfen.
Was Stefan Linder (56) anreisst, zieht er durch. Der Berner Oberländer gründete einst mit Partnern das Swiss Economic Forum, das heute der «NZZ» gehört, und das Swiss Innovation Forum. Er ist Präsident der Initiative Schweiz und sitzt in mehreren Verwaltungsräten – der gelernte Automechaniker ist ein Selfmademan.
Probleme bereitet ihm nur seine Fischzucht am idyllischen Blausee im Kandertal, die er zusammen mit Blackrock-Vize Philipp Hildebrand (60) und Globetrotter-Patron André Lüthi (64) besitzt und deren VR-Präsident er ist. Aus einem massenhaften Forellensterben (2018) entwickelte sich ein Justizkrimi mit diversen Verfahren gegen 18 Personen, unter anderem wegen Verstössen gegen Umweltauflagen.
Material aus dem Lötschberg-Tunnel und Giftschlamm
Auch Linder blieb nicht untätig. Er bezog früh die Medien mit ein und hatte sich aktiv an der Aufarbeitung beteiligt – womöglich zu aktiv. Die Berner Staatsanwaltschaft Oberland hat soeben einen harten Entscheid gegen Linder gefällt: Sie erklärt ihn des mehrfachen Hausfriedensbruchs, der mehrfachen Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs sowie der Nötigung für schuldig. Der Strafbefehl vom 4. März liegt Blick vor.
Linder und Co. sind überzeugt, dass illegal gelagertes Material aus dem Lötschberg-Scheiteltunnel und Giftschlamm im weiter oben gelegenen Steinbruch Mitholz die Auslöser des Fischsterbens waren. Weshalb sie die Steinbruchbetreiberin SHB in die Pflicht nehmen.
Für die Strafverfolger allerdings hatte Linder mit seinem Vorgehen eine Grenze überschritten. Die Aktionen erstreckten sich über den Zeitraum zwischen Juni und November 2020. Zum ersten Mal berichtete Blick im Januar 2021 darüber.
Bedingte Geldstrafe von 51'680 Franken
So habe Linder gemäss Strafbefehl widerrechtlich das Areal der SHB betreten und dort illegal eine Überwachungskamera installiert. «Linder wusste um die Unrechtmässigkeit seines Eindringens», heisst es im Verdikt. Ausserdem habe er auf dem Firmengelände auch «mindestens sechsmal» unrechtmässig Aufnahmen mittels Drohnenflügen getätigt.
Weiter habe der Beschuldigte versucht, eine Lastwagenchauffeurin «zu einer Kooperation in seinem Sinn mit den Strafverfolgungsbehörden zu bewegen». Unter anderem habe er ihr mitgeteilt, «jahrelang in einer Sondereinheit» gewesen «und in Polizeikreisen bestens vernetzt» zu sein. Eine andere Nachricht habe die Frau «als Drohung» von ihm aufgefasst, sie bei der Polizei anzuzeigen.
Die Strafbehörde wertet dies als Nötigung – und spricht gegen Linder wegen der genannten Punkte eine bedingte Geldstrafe von 51'680 Franken plus eine Verbindungsbusse von 12'920 Franken aus. Bei einer Verbindungsbusse handelt es sich gemäss Schweizer Rechtsprechung um einen «spürbaren Denkzettel» seitens der Staatsanwaltschaft. Über dies wird die erwähnte Überwachungskamera «zur Vernichtung eingezogen».
Drohnenflüge hätten keine Vorschriften verletzt
Bemerkenswerterweise hatte der Blausee-Chef auch seinen Sohn bei Einsätzen dabei. Ihn hat die Staatsanwaltschaft wegen Hausfriedensbruchs und Privatsphärenverletzung für schuldig erklärt.
Linder und sein Filius bestreiten sämtliche Vorwürfe vehement, wie Ersterer über seinen Anwalt Rolf P. Steinegger mitteilen lässt: «Die Staatsanwältin geht von falschen Tatsachen aus.»
Linder habe das besagte Grundstück nicht betreten, sondern «die Fotos und Videos der illegalen Vorgänge im Steinbruchgelände von einem privaten Nachbargrundstück aus erstellt» und «unverzüglich der Kantonspolizei und den Behörden» weitergegeben. Und die Drohnenflüge hätten keine bundesrechtlichen oder kantonalen Vorschriften verletzt, «auch nicht den Geheim- oder Privatbereich einer geschützten Person».
«Die Berner Justiz versagt»
Auch der Vorwurf der Nötigung sei «nicht korrekt»: Die Chauffeurin sei «bereits dreimal» von der Polizei einvernommen worden und habe «mehrfach bestätigt», dass Linder sie nicht bedroht oder genötigt habe. Die Frau gehöre zu den Beschuldigten «und hat zugegeben, Pressschlämme und Filterkuchen» im Steinbruch deponiert zu haben.
In einer weiteren Stellungnahme gegenüber dem Blick geht Linder hart mit der Staatsanwaltschaft ins Gericht, die es geschafft habe, «die Causa Blausee als einen der grössten Giftmüll- und Umweltskandale der Neuzeit während beinahe vier Jahren gammeln» zu lassen. «Die Berner Justiz versagt.» Seinen Mandanten müsste man «für seinen Mut auszeichnen, anstatt ihn mit Strafbefehlen einzudecken», ergänzt Fürsprecher Steinegger.
Vater und Sohn Linder hätten «unverzüglich» Einsprache gegen den Strafbefehl erhoben. Nun gelangt die Sache an die nächste Instanz. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig. Für beide gilt die Unschuldsvermutung.