Die Fische sind längst tot, aber gestritten wird weiterhin lebhaft. Seit dem ersten Massensterben der Forellen im Berner Oberländer Blausee 2018 tobt ein epischer Zwist um Schuld und Verantwortlichkeit.
In der Rolle des unverwüstlichen Rächers: Blausee-Verwaltungsratspräsident Stefan Linder (55). Der Co-Gründer des Swiss Economic Forum kämpft zusammen mit den Blausee-Mitbesitzern André Lüthi (63) und Philipp Hildebrand (59) auf allen Ebenen juristisch gegen alle, denen er das damalige Desaster in der Fischzucht anlastet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen 17 Personen wegen Verstössen gegen das Umweltgesetz und anderer mutmasslicher Vergehen. Die grosse Frage aber, ob man vom Ableben der Tiere einen kausalen Rückschluss auf Giftstoffe ziehen kann, bleibt umstritten.
Hinzu kommt, dass die Sache dauert und dauert. Linder hat gegen die Pläne der Strafverfolger rekurriert, das Verfahren aufzuteilen; die Beschwerde ist vor Gericht hängig. Parallel machen die Parteien weiter. So haben Linder und Co. das Unternehmen Geotest mit weiteren Geländeproben auf dem Steinbruch Mitholz beauftragt, wo das Bahnunternehmen BLS ausrangierte Schwellen lagerte. Linder wähnt sich aufgrund der Resultate bestätigt. Die Sondierbohrungen im südlichen Bereich des Steinbruchs haben dem Blausee-Präsidenten zufolge schockierende Ergebnisse zutage gefördert: Die engagierten Experten hätten in zwei Bereichen auf einer Fläche von zehn mal zehn Metern 831 Tonnen «Material Typ E» vorgefunden, «hochbelastete Abfälle» der «zweithöchsten Giftklasse». Auch seien Schwermetalle wie Chrom, Arsen, Kupfer und Antimon nachgewiesen worden. Natürlich sehen sich die Fischzuchtbetreiber gegenüber der kantonalen Umweltbehörde im Vorteil, deren Untersuchungen anderes zeigten. Auf Anfrage hielt man sich dort zu den neuesten Daten der Blausee AG zurück.
Linder, Lüthi und Hildebrand kämpfen ohnehin an einer anderen Front: Sie streiten mit der BLS, die dem Kanton Bern und dem Bund gehört, um Wasser. Die Bahn sei erfolglos gegen eine Verlängerung der Wasserkonzession für die Fischzucht vorgegangen. Überdies hat die BLS, wie SonntagsBlick erfuhr, den Blausee-Betreibern im Mai den Bau einer 2,2 Kilometer langen Leitung vorgeschlagen, die das Wasser von oberhalb des Steinbruchs am Ablagerungsplatz vorbei direkt in den See leiten soll. Im Blausee-Lager lehnt man dies ab – man verdächtigt die Gegenseite, damit die gesetzeskonforme Aushebung von illegal deponiertem Material umgehen zu wollen. Affaire à suivre.