Das Briten-Virus legt Wengen BE lahm. Die Weltcuprennen am Lauberhorn sind abgesagt. Zu schnell breitet sich die Virusmutation im idyllischen Wintersportort aus: In vier Wochen wurden 60 Personen positiv auf das Coronavirus getestet, darunter auch Helfer des Rennens und Hotelpersonal.
Fast die Hälfte davon geht auf einen einzigen britischen Touristen zurück, der sich in einem Hotel aufgehalten hatte, sagt der Sprecher der Berner Gesundheitsdirektion Gundekar Giebel. In einer Mitteilung des Kantons heisst es, die 28 Fälle seien zwischen dem 27. Dezember und 10. Januar registriert worden.
Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen? Die Berner Kantonsärztin Linda Nartey sagte am Dienstagnachmittag an der Pressekonferenz: «Die Regelung war klar: Der eingereiste Tourist hätte in Quarantäne gehen müssen.» Doch der Superspreader hat die Bestimmung offenbar missachtet. «Die Person ist erst später in Quarantäne gegangen.»
Bei bisher sechs Personen wurde die neue Variante festgestellt. «Aufgrund der Abklärungen durch das kantonale Contact Tracing ist davon auszugehen, dass sich die meisten oder sogar alle positiven Fälle mit der Variante B117 infiziert haben», schreibt der Kanton.
«Wengen bleibt Wengen»
Die Enttäuschung in Wengen ist nun gross. «Dieses Jahr hätte wirklich einfach nur der Sport gezählt. Darum finde ich es besonders schade», sagt Dino Fuchs (60) zu BLICK. Der Einheimische habe aber damit gerechnet. «Wenn man gesehen hat, wie viele Leute hier rumlaufen ... Es war ja absehbar.»
Hansueli Trachsel (84), der selbst fünf Wochen lang mit Corona zu kämpfen hatte, fürchtet nach der Absage der Rennen nun einen Imageschaden für Wengen. «Die Absage ist sicher nichts Gutes. Die Skipisten sind absolut in Ordnung. Es ist alles bereit hier. Es wird Wengen werbetechnisch wehtun. Ich bin richtig enttäuscht, dass das abgesagt wurde.»
Auch Lidice Schweizer (41), die in der Hotelbranche tätig ist, hat Angst um das Image. «Man hat immer darüber geredet, dass Wengen kein Hotspot werden soll. Und jetzt haben die Leute möglicherweise Angst und buchen nicht.» Es sei derzeit sehr ungewiss, wie es mit dem beliebten Touristenziel weitergehen soll.
Heidi Allensbach (62) ist da deutlich optimistischer. «Wengen ist Wengen. Wir sind bekannt als Skisportort. Einen Imageschaden fürchte ich nicht.» Für Rolf Wegmüller, Geschäftsführer Wengen Tourismus, ist das Hin-und-Her eine Belastung. «Vorgestern haben wir vom Kanton grünes Licht bekommen, und jetzt kommt plötzlich der Stimmungswandel. So ist man in eine Leere reingefallen.»
Kanton kündigt Massentests an
Doch was bedeutet das Mutanten-Virus nun für die Region oder das Land? Der Virologe Andreas Cerny glaubt, dass auch der Schweiz ein ähnliches Lockdown-Szenario wie in Grossbritannien drohe. Denn das Mutanten-Virus habe laut Cerny «zu 50 Prozent mehr Leichtigkeit, von einer Person auf die andere übertragen zu werden, als die bisher bekannte Variante». Der Grund: Das Virus binde sich leichter an die Rezeptoren in unseren Schleimhäuten. Darum würden wenige Viren für eine Übertragung bereits genügen.
Gundekar Giebel kündigt nun deshalb ab Mittwoch Massentests in Wengen an. «Wir gehen nach Wengen mit einem speziellen Testteam und wollen möglichst viele Personen testen, damit wir auch wissen, wie die Dynamik aussieht und wo das Virus in der Bevölkerung bereits ist.»
Im Empfehlungsschreiben des Kantons steht: «Lassen Sie sich testen, auch wenn Sie nur sehr geringe Anzeichen von Covid-19-Symptomen aufweisen. Sie können sich auch ohne Symptome testen lassen. Auch wenn Sie eine Abreise planen, sollten Sie sich vorgängig unbedingt testen lassen.»
Linda Nartey betonte an einer Medienkonferenz: «Wir sind daran, alles zu tun, um im Dorf Fälle aufzudecken und die Verbindungen zwischen den Fällen zu identifizieren.» Jedoch sei es schwierig, alle Verbindungen rechtzeitig zurückverfolgen zu können.