Taskforce-Mitglieder wollen zweite Spritze aufschieben – der oberste Impfstratege widerspricht
«Im Moment kann Impfung die Corona-Mutation nicht stoppen»

Weil sich die Corona-Mutation aus Grossbritannien so rasch verbreitet, wurde auf der Insel der Abstand zwischen den Impfungen auf drei Monate verlängert. Für die Schweiz ist das kein Thema. Auch wenn sich die Experten dabei nicht einig sind.
Publiziert: 07.01.2021 um 01:54 Uhr
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Aktualisiert: 12.01.2021 um 22:45 Uhr
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Die Corona-Mutation aus Grossbritannien hat das Land schwer getroffen. Das Virus verbreitet sich viel schneller als die bisher bekannte Variante.
Foto: keystone-sda.ch
Fabian Vogt

Die grösste Impfaktion in der Schweizer Geschichte gleicht bisher einem Geisterspiel. Viele wollen hin, kaum jemand darf. Für lediglich 115’000 Personen reichen die bis dato gelieferten Dosen.

Gleichzeitig hat sich in Grossbritannien eine Virus-Mutation entwickelt, die sich rasend schnell ausbreitet und wesentlich ansteckender ist.

Briten verlängern – Schweizer nicht

Um darauf zu reagieren, haben die Briten entschieden, ihrer Bevölkerung die zweite Impfdosis erst drei Monate nach der ersten zu verabreichen. Dadurch erhält zwar niemand den kompletten Impfschutz, dafür können doppelt so viele Personen geimpft werden. Bisherige Daten zeigen, dass die erste Dose je nach Impfung einen Schutz von knapp 80 Prozent bietet, der durch die zweite auf über 90 Prozent erhöht wird.

Für die Schweiz ist das kein Thema. Der Bundesrat sagt, man halte an der derzeitigen Strategie fest. Auch die Corona-Taskforce des Bundes sagt, man sehe keinen Anlass, das bisherige Intervall von drei bis vier Wochen infrage zu stellen.

«Überhaupt kein Problem, Zweitimpfung nach hinten zu verschieben»

Einig sind sich die Taskforce-Wissenschaftler dabei nicht. Manfred Kopf (61), Professor für molekulare Biomedizin an der ETH Zürich, sitzt in der Expertengruppe Immunologie, die bei den Impfstoffen den Lead hat. Er sagt zu BLICK: «Aus immunologischer Sicht sehe ich überhaupt kein Problem, die Zweitimpfung zeitlich nach hinten zu verschieben.» Die Wirkung sei auch lange nach den drei Wochen der Erstimpfung gegeben.

Im gleichen Gremium sitzt Christian Münz, Professor an der Uni Zürich. Gegenüber der «Rundschau» sagt er: «Man sollte jetzt möglichst viele Leute mit einer ersten Dosis impfen.»

«Das Risiko können wir nicht eingehen»

Der oberste Impfstratege der Schweiz hält aber am bisherigen Plan fest. Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF), sagt zu BLICK: «Wir bleiben bei der bisherigen Empfehlung.» Denn möglicherweise gebe es eine Impflücke, einen Zeitpunkt, nach dem die erste Dosis aufhört zu wirken.

Er wisse, dass Forscher auf Erfahrungen mit anderen Impfungen verweisen. «Aber wir wissen es bei der Corona-Impfung noch nicht. Das Risiko, dass ein Geimpfter plötzlich keinen Schutz mehr hat, können wir nicht eingehen.»

«Mutation kann nur durch restriktive Massnahmen gestoppt werden»

Aber was ist mit der Corona-Mutation, die sich dadurch fast ungehindert in der Schweiz ausbreiten kann? Laut Berger würde auch die Verlängerung zwischen den beiden Spritzen nichts daran ändern. «Im Moment können nicht die Impfungen, sondern nur die Senkung der Fallzahlen durch restriktive Massnahmen die Corona-Mutation stoppen!» Der Teil der Bevölkerung, den man impfen könne, bis die Mutation auch hier weitverbreitet sei, sei zu klein.

Die Folgen seiner Forderung sind Berger klar: «Es wird uns in den nächsten Monaten dabei nicht so gut gehen. Aber eine Senkung der Fallzahlen ist die einzige Möglichkeit. Dafür sehen wir mit der Impfung das Licht am Ende des Tunnels.»

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