Das Jahr geht zu Ende, die Corona-Zahlen bleiben hoch. Angesichts der neuen Fallzahlen gäbe es «nicht viel Optimismus zu versprühen», sagte Patrick Mathys, Leiter der Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), gestern an der Corona-Medienkonferenz des Bundes. Er widersprach damit seinem Chef, Gesundheitsminister Alain Berset (48). Er hatte gestern mit Blick auf die aktuelle Lage noch gesagt, man sei «verhalten optimistisch». Allerdings hatte der Bundesrat auch betont, dass die Situation wegen der Festtage derzeit schwierig einzuschätzen sei.
Wie erwartet steigen die Zahlen nach den Feiertagen nun wieder. 4197 neue Corona-Ansteckungen hat das BAG am Dienstag innert eines Tages registriert. 131 Menschen starben am Virus, 220 mussten ins Spital eingeliefert werden. «Wir sind auf einem ähnlich hohen Niveau wie vor Weihnachten», sagte Mathys ernüchtert.
«Wir bleiben in einer Risikozone»
Auch Taskforce-Chef Martin Ackermann (49) ist deshalb besorgt. Die Zahl der Neuansteckungen sei «immer noch viel zu hoch», sagte er. «Wir bleiben in einer Risikozone.»
Die Virusmutationen sind mit ein Grund dafür. Bisher gibt es sieben bestätigte Fälle mit den neuen Virusvarianten, die nach derzeitigem Wissensstand deutlich ansteckender sind als das bisherige Virus. Aufgrund von Untersuchungen rechnet die Taskforce damit, dass sich bisher weniger als ein Prozent der Neuinfizierten mit der mutierten Variante angesteckt haben.
Das klingt nach wenig. Anhand von Szenarien, welche die Taskforce berechnet hat, zeigt Ackermann aber auf, wie schnell die Situation ausser Kontrolle geraten könnte.
Taskforce zeigt Schreckensszenario auf
In ihren Modellen gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die mutierten Varianten 50 Prozent ansteckender sind. Wenn sich diese in der Schweiz ungehindert verbreiten würden – ohne dass weitere Massnahmen getroffen würden –, stiegen die Fallzahlen rasch wieder sehr steil an. Die Taskforce betont, dass die Modelle stark vereinfacht sind und nicht mit einer Prognose verwechselt werden dürfen.
Aus Sicht der Wissenschaftler zeigen sie vielmehr, wie dringend notwendig es ist, die Zahlen möglichst rasch und nachhaltig zu drücken. Sie halten an der bisherigen Faustregel fest: Eine Halbierung der Fallzahlen alle zwei Wochen wäre optimal, was etwa einem R-Wert von 0,8 entspricht – 100 Personen infizieren im Schnitt etwa 80. Derzeit wird die Reproduktionszahl statistisch auf etwa 0,86 geschätzt, wobei die Zahl in der Realität deutlich höher sein dürfte.
Mehr Homeoffice und späterer Schulstart
Konkret schlägt die Taskforce vor, das Homeoffice noch konsequenter durchzusetzen. Im Gegensatz zum Lockdown im Frühling gibt es derzeit keine Homeoffice-Pflicht, sondern lediglich eine dringende Empfehlung – die offenbar viele Arbeitgeber oder -nehmer in den Wind schlagen. Das zeigen Mobilitätsdaten. Zudem pocht die Taskforce darauf, den Schulstart im neuen Jahr etwas nach hinten zu schieben, damit Schulen nach den Ferien nicht zum Hotspot werden.
Die Wissenschaftler werden zudem nicht müde zu betonen, dass in der Schweiz noch immer zu wenig konsequent getestet werde. Gerade um die Virusmutationen in den Griff zu kriegen, wäre es sinnvoll, auch sogenanntes Backward-Tracing vorzunehmen – also zu versuchen herauszufinden, wo sich eine Person angesteckt hat.
Der Bundesrat entscheidet heute über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie. Derzeit ist unwahrscheinlich, dass er weitere Verschärfungen beschliessen wird. Gesundheitsminister Berset machte am Montag klar, dass aus Sicht des Bundesrats die derzeitigen Massnahmen vorerst ausreichen. Ob das realistisch oder doch eher optimistisch war, wird sich nächstes Jahr zeigen.