Wie das BAG das Coronavirus unterschätzte
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«Moderates» Risiko:Wie das BAG das Coronavirus unterschätzte

BAG-Dokumente aufgetaucht
Coronavirus-Risiko «moderat»

Alain Berset will seine Bundesratskollegen von einem Lockdown überzeugen. Noch vor einem Jahr schätzte er die Gefahr des Coronavirus deutlich geringer ein, wie Dokumente des Innendepartements zeigen.
Publiziert: 12.01.2021 um 22:27 Uhr
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Aktualisiert: 13.01.2021 um 08:20 Uhr
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Alain Berset will die Schweiz in den Lockdown schicken, aus Angst vor weiteren Corona-Ausbreitungen.
Foto: keystone-sda.ch
Fabian Vogt

Bundesrat Alain Berset (48) bereitet Corona grosse Sorgen. Am Mittwoch will er den kompletten Lockdown verhängen. Heisst: Schliessung der Läden, Homeoffice-Pflicht und Maskenpflicht für diejenigen, die trotzdem ins Büro müssen, Schutz für besonders gefährdete Personen und weitere Verschärfungen.

Doch das war nicht immer so. Im Januar 2020 beurteilte sein Innendepartement die Corona-Gefahr als «moderat». Das geht aus drei Dokumenten hervor, die der Aktivist Hernâni Marques vom Bund verlangte und über die «20 Minuten» berichtete.

Ein Rückblick, wie die Behörden und Alain Berset das Coronavirus unterschätzten.

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22. Januar 2020

«Massnahmen bei der Einreise – wie sie in einigen Ländern in Südostasien und auch in Italien ergriffen wurden – sind derzeit nicht angezeigt», heisst es in einer Notiz vom 22. Januar 2020. Geschrieben von Patrick Mathys, Leiter der Sektion Krisenbewältigung im Bundesamt für Gesundheit (BAG), der regelmässig an den Experten-Pressekonferenzen des Bundes auftritt, so auch diesen Dienstag.

Mathys schreibt, man verfüge über beschränktes Wissen, was das Virus angeht und müsse die Situation genau beobachten. Auch könne der «Import» eines Falles in die Schweiz nicht ausgeschlossen werden. Allerdings werde dieses Risiko derzeit als «moderat» eingeschätzt. In China waren zu dem Zeitpunkt rund 400 Personen mit dem Virus infiziert, 9 starben daran.

«Das grösste ‹Risiko› geht momentan aber von (verängstigten) Personen – mit oder ohne Reisetätigkeit – aus, die das Gefühl haben, angesteckt zu sein und bei einer Ärztin oder Arzt, resp. im Spital vorstellig werden», so Mathys weiter. «Der Umgang mit solchen Verdachtsfällen kann rasch zur Bindung von Ressourcen und zu einer weiteren Verunsicherung in der Bevölkerung führen.»

Aus der Notiz geht auch hervor, welche Massnahmen das BAG damals bereits umgesetzt hatte. Diese waren hauptsächlich präventiver Natur. Man sensibilisierte die Flughäfen Genf und Zürich, damit diese rasche Massnahmen ergreifen könnten, schaltete Informationen auf der BAG-Webseite auf und stellte sicher, dass das Nationale Referenzzentrum für neu auftretende Viruserkrankungen (Navi) in Genf das Virus nachweisen kann. Zusätzlich war man daran, die Meldeverordnung anzupassen, und tauschte sich mit diversen nationalen und internationalen Stellen aus.

28. Januar 2020

Das zweite veröffentlichte Dokument wurde eine Woche später, am 28. Januar, von Alain Berset unterzeichnet und war an den Gesamtbundesrat adressiert. Mittlerweile waren in China 4500 Personen erkrankt, 106 am Virus gestorben. 17 andere Länder meldeten zudem erste Ansteckungen, darunter Frankreich und Deutschland.

Wie eine Woche zuvor steht im Bericht, dass der Ausbruch des neuen Coronavirus «stark an den Anfang der Sars-Ereignisse 2002/2003» erinnert. Das Risiko für die Schweiz schätzte Berset als «moderat bis hoch» ein und rechnete damit, dass es «auch in der Schweiz zu bestätigten Fällen kommen kann». Auf Einreisemassnahmen verzichtete er aber bewusst, «weil die WHO noch keine Empfehlung ausgesprochen hat».

Unterdessen hatte das BAG eine Taskforce eingesetzt und stand regelmässig mit den Kantonsärzten in Kontakt.

10. Februar 2020

Das letzte verfügbare Dokument stammt vom 10. Februar 2020. In China waren zu dem Zeitpunkt über 40'000 Personen erkrankt und 908 verstorben. 26 weitere Länder meldeten ebenfalls Fälle. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) schätzte das Risiko von weiteren Einschleppungen nach Europa als hoch ein. «Die Wahrscheinlichkeit von anhaltenden Übertragungen in Europa ist jedoch nach wie vor gering. Das BAG erachtet die Situation in der Schweiz als vergleichbar mit dem übrigen Europa ein», schrieb Alain Berset, erneut an die restlichen Bundesratsmitglieder.

Es sei davon auszugehen, dass es auch in der Schweiz in nächster Zeit zu einem oder mehreren bestätigten Fällen kommen könne, fügte er an. Man habe ein Kommunikationskonzept für den ersten bestätigten Fall mit den Kantonen abgesprochen und entschieden, die Bevölkerung mindestens einmal pro Woche mittels Pressekonferenz zu informieren.

Im Gegensatz zum Brief zwei Wochen vorher, äusserte er nun Zweifel an der WHO. Diese wolle weiterhin auf Restriktionen im Reise- und Warenverkehr verzichten, was «aus Sicht des BAG aufgrund der aktuellen epidemiologischen Situation kaum mehr nachvollziehbar» sei.

Berset schrieb damals zudem, dass es nur eine beschränkte Zahl von Masken in der Schweiz gebe. Ein Konzept zum Umgang und Einsatz wurde da gerade erstellt. In den folgenden Wochen stellte der Bundesrat vielleicht auch deshalb mehrfach die Wirksamkeit von Masken infrage. Erst im Juli gab es eine Maskenpflicht im ÖV.

Da hatte die Schweiz den ersten Corona-Peak bereits hinter sich. Den ersten Fall gab es am 24. Februar, zwei Wochen nach der Notiz von Berset. Mittlerweile sind laut BAG fast 500'000 Personen mit Corona infiziert worden. 7793 sind daran verstorben. Und Berset nimmt derzeit das Wort «moderat» im Zusammenhang mit dem Virus kaum mehr in den Mund.

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