Der Widerstand gegen neue Corona-Verschärfungen steigt. So lehnen die Kantone einen Laden-Lockdown mehrheitlich ab und stehen auch einer Homeoffice-Pflicht skeptisch gegenüber. Doch jetzt stellt sich auch die nationalrätliche Wirtschaftskommission gegen weitere Verschärfungen, wie mehrere Quellen gegenüber BLICK bestätigen.
Dem Vernehmen nach hat SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (41) mehrere Anträge gegen weitere Verschärfungsmassnahmen eingebracht. Und eine Mehrheit folgte ihm dabei. In einem Brief an den Bundesrat fordert die Wirtschaftskommission, auf einen Laden-Lockdown (mit 12 zu 11 Stimmen) und eine Homeoffice-Pflicht (mit 12 zu 10 Stimmen) zu verzichten. Ebenso auf eine allgemeine Maskenpflicht in Unternehmen (11 zu 9 Stimmen). Und auch von einer zwingenden Zwei-Haushalte-Regelung bei privaten Treffen will die bürgerliche Mehrheit nichts wissen – dieser Antrag kam mit 12 zu 7 Stimmen durch.
Die Kommission lege grossen Wert darauf, dass solche Verschärfungen «nur in Abhängigkeit von der tatsächlichen epidemiologischen Lage und nicht bereits vorsorglich verhängt werden», heisst es im Brief dazu.
Die Wirtschaftspolitiker plädieren stattdessen für eine Verlängerung der aktuellen Massnahmen bis Ende Februar.
Der Widerstand dürfte bei einigen Bundesräten auf offene Ohren stossen. Der Laden-Lockdown könnte an den vier SVP/FDP-Bundesräten scheitern, heisst es aus Bundesbern. Auch die Homeoffice-Pflicht bleibt in der Regierung umstritten. Zudem ist auch der bessere Schutz für vulnerable Arbeitnehmende auf der Kippe. Gelaufen ist das Rennen aber noch nicht. So hat Berset es schon öfters auf den letzten Metern noch geschafft, seine Bundesrats-Gspänli von Verschärfungen zu überzeugen. Die Drähte laufen weiterhin heiss in der Bundesverwaltung.
Noch stärkere Härtefall-Lockerung
Recht locker kann hingegen Finanzminister Ueli Maurer (70) in die Bundesratssitzung gehen. Angesichts der absehbaren Verlängerung des aktuellen Teil-Lockdowns bis Ende Februar soll auch die Härtefallregelung gelockert werden, damit mehr gebeutelte Unternehmen von Unterstützungsgeldern profitieren können.
Seine Vorschläge stossen im Grundsatz auf breite Zustimmung – und werden sogar noch nachgebessert. Im Entwurf zur neuen Härtefallverordnung, der BLICK vorliegt, werden verschiedene Punkte angepasst.
Die Lockerung der Anspruchsvoraussetzungen ist praktisch unbestritten: Wer seit November aufgrund behördlicher Massnahmen «mehr als 60 Kalendertage» schliessen musste, gilt automatisch als Härtefall und soll vereinfacht zu Unterstützungsgeldern kommen. In diesen Fällen muss man den Umsatzrückgang nicht mehr nachweisen. Das öffnet den Weg für Branchenlösungen wie etwa für Beizen oder Fitnesszentren.
Höhere A-fonds-perdu-Beiträge
Auch sollen höhere A-fonds-perdu-Beiträge möglich sein – Maurer will die Obergrenze in gewissen Fällen von 10 auf 20 Prozent des Umsatzes erhöhen. Die Wirtschaftskommission will aber noch einen Schritt weitergehen. A-fonds-perdu-Beiträge im Umfang von maximal 30 Prozent des Umsatzes sollen für alle Härtefall-Betriebe möglich sein. Die Kommission sagte dem Vernehmen nach mit 13 zu 10 Stimmen Ja zu einem entsprechenden Antrag der Grünen-Nationalrätin Regula Rytz (58, BE).
Diejenigen Betriebe hingegen, die zwar nicht von einer längeren Zwangsschliessung, aber trotzdem grossen Einbussen betroffen sind, haben in der Regel Anspruch auf Härtefall-Gelder, wenn ihr Umsatzrückgang mehr als 40 Prozent beträgt. Gemäss Maurer gilt nicht einfach das Kalenderjahr 2020, sondern eine rollende Berechnung. So kann zum Beispiel auch ein Zeitrahmen von April 2020 bis März 2021 zur Umsatzberechnung herangezogen werden. Damit soll der nun länger andauernde Teil-Lockdown besser berücksichtigt werden. Auch hier kam Rytz mit einem Zusatz-Antrag – mit 14 zu 7 Stimmen – durch, der eine Ausnahmeregelung vorsieht: Bei hohen Fixkosten kann auf die 40-Prozent-Hürde verzichtet werden.
Und schliesslich drang die Grüne mit 15 zu 7 Stimmen mit einem weiteren Vorschlag durch: Die Unterstützung für Unternehmen, die von den Corona-Folgen wirtschaftlich besonders betroffen sind und einen Härtefall darstellen, soll ab Januar 2021 auf eine neue Basis gestellt werden. Anstelle von Darlehen, Bürgschaften und Garantien oder an den Umsatz gekoppelte A-fonds-perdu-Beiträge sollen ab 1. Januar 2021 belegte und nicht gedeckte Fixkosten direkt entschädigt werden.
Ob der Bundesrat die Vorschläge aufnimmt, entscheidet sich am Mittwoch.
Kantone wollen neue Covid-Kredite
Unterstützt werden die bundesrätlichen Härtefall-Lockerungen im Grossen und Ganzen auch von den kantonalen Finanz- und Volkswirtschaftsdirektoren.
In ihrer Stellungnahme an Bundesrat Maurer, die BLICK ebenfalls vorliegt, verlangen sie zusätzlich aber eine Neuauflage der Covid-Kredite. Diese sollte «im Sinne einer Eventualplanung rasch an die Hand genommen werden, so dass diese bei Bedarf jederzeit sofort definitiv beschlossen und vollzogen werden kann».