Mehrfach war die Polizei im Kanton Zürich diese Woche mit vermummten Chaoten konfrontiert. Am 1. Mai versammelten sich Vermummte zu Nachdemos. Auch am Fussballspiel FC Winterthur – Servette am Sonntag waren Krawallmacher unterwegs. Doch die Bilanz der Polizeieinsätze könnte kaum unterschiedlicher sein.
Hooligans des FC Servette bewarfen Polizisten am Sonntag mit Feuerwerkskörper und Steinen, griffen mit Schlagruten an. Deckenelemente am Bahnhof wurden heruntergerissen, ein SBB-Zug verwüstet. Ein Polizist wurde verletzt.
Als sich Linksautonome am 1. Mai zur Nachdemonstration auf der Langstrasse versammeln, wartet bereits ein Grossaufgebot der Polizei. Die Strasse wird abgesperrt, die Demonstranten eingekesselt. Der Einsatz verläuft routiniert, zügig: 200 Personen kontrolliert, 19 verhaftet – Demo aufgelöst.
«Ein Trauerspiel für die Polizei»
Rechtsanwalt Patrice Zumsteg, Experte im Sicherheitsrecht, sagt zu Blick: «Bei einer Demonstration ist ganz klar die Polizei verantwortlich, Sicherheit und Ordnung zu wahren. An Fussballspielen ist im Moment strittig, wie weit die Verantwortung der Klubs geht. Das macht die Koordination schwieriger.»
Bemühungen der Polizei, gewaltbereite Hooligans an den Spielen besser in den Griff zu bekommen, können von den Fussballklubs blockiert werden. «Fussballspiele sind immer ein Trauerspiel für die Polizei», sagt der ehemalige Basler Kriminalkommissar Markus Melz. «Die Stadien haben ihre eigenen Sicherheitskräfte und müssen die Polizei erst rufen, wenn die Situation ausser Kontrolle gerät.»
Organisatoren wie Fussballklubs seien viel institutionalisierter als die Veranstalter vieler Demos, bestätigt Patrice Zumsteg. «Dann liegt es auch näher, sich mal vor Gericht zu wehren, wie gerade der FCZ.» Dieser wehrt sich momentan gegen den Entscheid der Behörden, die Südkurve im Letzigrund-Stadion zu sperren. Grund für die Massnahme waren mehrere gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Hooligans und der Polizei.
Hooligans schwerer einzuschätzen
Ein weiterer Faktor sei die Routine, so Zumsteg. Rechtlich gesehen hätten Polizisten dieselben Möglichkeiten – ob sie nun gewaltbereiten Demonstranten oder Hooligans gegenüberstehen. «In Städten wie Zürich und Bern sind die Polizeikorps Demonstrationen gewohnt. Sie sind eingespielt, weil es praktisch jeden Tag eine Kundgebung gibt», sagt der Experte. Fussballspiele finden schlicht seltener statt.
Dirk Baier, Kriminologe und Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, fügt an, die Dynamik einer Demonstration sei einfacher einzuschätzen und zu kontrollieren. «Demonstrationen von Linksextremen beispielsweise sind übersichtlicher. Da gibt es zwei Gruppierungen, die sich beeinflussen: die Polizei und die Demonstrierenden. Bei Fussballspielen gibt es viel mehr Einflussfaktoren: die gegnerischen Fans, der Ablauf des Spiels, frühere Provokationen und so weiter.»
Und: Hooligans seien weniger gut organisiert. Oftmals seien es Einzelpersonen, die durchdrehen und exzessive Gewalt ausüben. Wie etwa der Fackelwerfer von Winterthur am Sonntag: Er stürmte mit anderen Fans von Servette aufs Spielfeld. Und warf eine Fackel auf die Zuschauertribüne des FC Winterthur.
«Werden toten Polizisten haben»
Bei Demonstrationen von Linksextremen seien solche Alleingänge seltener: «Linksautonome agieren eher als Gruppe, unter den Mitgliedern herrscht eine gewisse Disziplin, nicht aus der Reihe zu tanzen», so Baier.
Letztlich hängt es auch von den Ressourcen ab, ob die Polizei solche Grossereignisse unter Kontrolle behält. In der Schweiz fehlen Tausende Polizisten. Und die Gewalt ihnen gegenüber sei exzessiver geworden, sagt Johanna Bundi Ryser, Präsidentin des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamten. «Für die Polizistinnen und Polizisten an der Front ist es gleich, ob es Hooligans oder gewaltbereite Demonstranten sind.»
Bundi Ryser macht sich Sorgen wegen der zunehmenden Gewaltbereitschaft. Sie warnt: «Früher oder später werden wir einen toten Polizisten haben!»