Chaotische Szenen im Stadion des FC Winterthur beim Cup-Halbfinal gegen Servette Genf am Sonntagabend: Nach dem Spiel rennen Genfer Fans auf das Spielfeld, um mit ihrer Mannschaft den Sieg zu feiern. Zwei Chaoten werfen rund 1000 Grad heisse Fackeln in Richtung Osttribüne des FC Winterthur. Dort bricht Geschrei aus.
Blick hat die beiden Fackelwerfer auf den Videos aus dem Stadion identifiziert und verfolgt. Die Auswertung zeigt: Einer der beiden Chaoten feiert munter am Spielfeldrand mit den Servette-Fans, nur Minuten, nachdem er seine Fackel geworfen hatte! Später drängt er sich gar auf das Foto der Servette-Spieler mit ihren Fans.
Die Chronologie der Ereignisse
Zunächst wirft ein vermummter Chaot mit schwarzer Jacke und weissen Schuhen vom Spielfeld aus eine Fackel in den Winterthurer Sektor, trifft dort einen Vater und ein Kind. Die Fackel verursacht Brandflecken auf deren Kleidung – die Familie steht unter Schock. Nach dem Wurf eilt der Chaot vom Spielfeld, verschwindet wieder in der Masse der Servette-Fans.
Gleichzeitig läuft ein zweiter Chaot mit Fischerhut über das Spielfeld, in der Hand eine brennende Fackel. Auch er wirft sie Richtung Osttribüne, diesmal bleibt die Fackel in der Absperrung hängen. Spieler von Servette schicken ihn weg, wie Bilder zeigen.
Die Sicherheitskräfte marschieren aufs Spielfeld. Dann taucht der Fischerhut am Spielfeldrand auf, mit anderen Fans – mit hoher Wahrscheinlichkeit der Fackelwerfer. Sie jubeln der Mannschaft zu, posieren dann alle zusammen für das Fan-Foto. Wer die beiden Fackelwerfer sind, ist unklar. Nach dem Spiel wurden die Chaoten nicht angehalten.
Intensive Ermittlungen im Gange
Die Stadtpolizei Winterthur bestätigt aber schriftlich gegenüber Blick, man habe zum Fackelwurf im Stadion intensive Ermittlungen aufgenommen.
Im Stadion selbst seien nach Schlusspfiff keine Polizeibeamten zugegen gewesen, wie die Zürcher Kantonspolizei auf Anfrage sagt: «Für die Sicherheit im Stadion sind die Clubs verantwortlich.» Das Sicherheitspersonal, das sich nach den Vorfällen in Vollmontur auf dem Spielfeld befand, gehört zu einer privaten Sicherheitsfirma, ist also keiner Polizeieinheit zugehörig.
Die Chancen, die Chaoten ausfindig zu machen, sei aber realistisch, sagt Fangewalt-Experte Alain Brechbühl (37) von der Uni Bern. Dabei wird die Ermittlung der Chaoten erleichtert, weil die Fackelwürfe im Stadion stattfanden. «Der Vorteil im Stadion selbst ist, dass es fast lückenlos überwacht wird. Ich bin optimistisch, dass die Ermittler anhand der Bilder den Weg des Fackelwerfers nachzeichnen und ihn identifizieren können. Im öffentlichen Raum wäre das viel schwieriger.»
Ähnliches geschah bereits im Jahr 2021 in Zürcher Letzigrund. Hier konnten die Ermittler nach intensiven Ermittlungen einen Erfolg verbuchen.
Milde Strafe für Letzigrund-Fackelwerfer
Rückblick: 23. Oktober 2021. Das Spiel FCZ gegen GC im Letzigrund ist beendet, als eine Gruppe vermummter FCZ-Chaoten auf den GC-Sektor zustürmt und brennende Fackeln in die Kurve wirft. GC-Fans schiessen daraufhin Pyros auf die Tartanbahn zurück, die das Spielfeld säumt. Die Stadtpolizei Zürich ermittelte damals über Monate hinweg intensiv – und identifizierte insgesamt 18 Personen, die beteiligt waren. 14 davon seien FCZ-Hooligans gewesen, weitere vier waren GC-Anhänger. Insgesamt kommt es zu vier Festnahmen.
Bis heute wurden zwei der Letzigrund-Chaoten vom Zürcher Bezirksgericht verurteilt. Das Verdikt: 17 Monate respektive 16 Monate Haft, allerdings auf Bewährung, bei zwei Jahren Probezeit und jeweils einer Mini-Busse von 200 Franken. Eine eher harmlose Strafe angesichts der möglichen Folgen eines solchen Fackelwurfs.
Das damalige Gerichtsurteil sieht Gewaltexperte Brechbühl aber als Hinweis darauf, dass die Täter trotz umfangreicher Vermummung den Justizbehörden zugeführt werden könnten: «Der Vorfall im Letzigrund zeigt, dass mit genügend Ressourcen und gezielter Ermittlungsarbeit bemerkenswerte Erfolge bei der Täter-Identifikation möglich sind.»