«Ich hatte bisher Kosten von ca. 22'000 Franken»
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Keine Solaranlage auf Balkon:«Jetzt hängen hier halt zwei Pseudo-Panels»

Aargauer Kurt Meier (77) kämpft gegen Behörden-Gaga
Er hat 22'000 Franken für ein winziges Solarpanel verpulvert

In Unterendingen AG sorgen vier Quadratmeter Solarpanel für Streit. Kurt Meier (77) kämpft seit zwei Jahren gegen die Gemeinde, die seine Balkonkraftwerke verbietet. Der Fall wirft Fragen zur Umsetzung der Energiewende auf.
Publiziert: 12.04.2025 um 01:05 Uhr
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Aktualisiert: 12.04.2025 um 08:33 Uhr
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Kurt Meier (82) aus Unterendingen ist fassungslos. Während er sein komplettes Dach mit Solarpanels einkleiden durfte, kämpft er seit beinahe zwei Jahren dafür, zwei kleine Panels an seinem Balkon aufhängen zu dürfen.
Foto: Sebastian Babic

Darum gehts

  • Solarpanels sorgen für Streit in Unterendingen AG zwischen Bürger und Gemeinde
  • Kurt Meier kämpft für Gerechtigkeit und installiert Bilder von Solarpanels
  • Kosten des Streits: 22'000 Franken für Solarpanels im Wert von 900 Franken
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sebastian BabicReporter Blick

Unterendingen AG ist eigentlich eine Solargemeinde: Alleine vom Hügel im Westen der kleinen Ortschaft, sind Aberhunderte von Quadratmetern an Solarpanels auf den Dächern der Gemeinde zu sehen, sei es auf Wohnhäusern oder landwirtschaftlichen Bauten, im Zentrum des Dorfs oder ausserhalb. Doch jetzt sorgen nicht einmal vier Quadratmeter Solarpanel für Stunk im Dorf.

Kurt Meier (77) ist der Besitzer dieser knapp vier Quadratmeter. 900 Franken hat er für die beiden Panels gezahlt, im Glauben, er tue etwas Gutes. Durch einen Streit mit der Gemeinde sind die Rechnungen auf mittlerweile über 22’000 Franken angestiegen: Anwaltskosten, Verwaltungsstrafen, Gebühren, Baugesuch, Auf- und Abbau der Panels und die Protest-Plakate, die der Senior anfertigen liess. Ums Geld geht es ihm nicht, sonst hätte er schon längst aufgegeben. Er beteuert: «Ich will Gerechtigkeit!»

Elektropionier wider Willen

Kurt Meier ist ein waschechter Unterendinger und so etwas wie ein Umweltschützer wider Willen. Er übernahm den Hof seiner Eltern und setzt sich – wie er sagt – unideologisch seit den Siebzigerjahren für saubere Energie ein: «Es fing an mit einer Biogasanlage, der damals erst zweiten ihrer Art in der Schweiz, die zuverlässig Strom erzeugte.» Danach installiert er nacheinander eine Holzschnitzelheizung, eine Wärmepumpe und zuletzt, vor einigen Jahren eine Photovoltaikanlage auf dem Dach seines Hauses – rund 40 Quadratmeter gross. «Nie hätte ich gedacht, dass es wegen weniger, zusätzlicher Quadratmeter zu Problemen kommen könnte», erzählt er frustriert an seinem Küchentisch beim Blick-Interview. Seit zwei Jahren liegt er mit den Behörden deshalb im Clinch.

Das Corpus Delicti: eine sogenannte «Plug&Play Solaranlage», die unkompliziert an sonnigen Stellen an der Fassade installiert werden kann – mit Schrauben oder gar Kabelbindern. Diese «Balkonkraftwerke» versprachen einst ein entscheidender Teil der Energiewende zu werden. Denn laut Bundesgesetz sollen diese unkompliziert und ohne langwierige, bauliche Abklärungen installiert werden dürfen. Selbst in geschützten Ortszonen dürften nur bei «wesentlichen, ästhetischen Beeinträchtigungen» Verbote ausgesprochen werden. Doch genau auf diese Punkte beruft sich die Gemeinde Unterendingen.

Gemeinde verbietet Minipanels

«Davon kann bei mir aber keine Rede sein», erklärt Meier. Die Begründungen für das Verbot seitens der lokalen Behörden werfen Fragen auf. Sein Haus ist von der Hauptstrasse her kaum zu sehen, sagt er. Und ein Augenschein vor Ort zeigt: Von der Hauptstrasse her gibt es lediglich eine etwa 200 Meter lange Bau- und Vegetationslücke, von der aus sein Haus aus einem Fahrzeug zu erkennen ist, allerdings aus einer Entfernung von rund 400 Metern. Eine Beeinträchtigung ist für das Laienauge schwer zu erkennen.

Zudem stellt sich für Meier die Grundsatzfrage, nach der Schützenswertheit der Dorfzone, die Teil des Isos ist und somit zum «Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz» gehört: «Hier wurde in den letzten zwanzig Jahren derart viel umgebaut, dass es keinerlei Sinn macht, den Ortskern als ‹schützenswert› oder gar als ‹historisch› zu bezeichnen.» 

Auf Blick-Anfrage zeigen sich die lokalen Behörden verärgert: «Alle involvierten Behörden beurteilten das Baugesuch wegen der geltenden Gesetze als nicht bewilligungsfähig. Wie unschwer zu erkennen ist, war Herr Meier mit den Entscheiden nicht einverstanden und hat dies ausreichend kundgetan.»

Kreativer Protest des Ur-Unterendingers

Meier lässt sich weiterhin nichts gefallen. Sein neuster Coup: Auf Plakatbanden, die er an seiner Balustrade angebracht hat, hat er nicht nur seine Vorgeschichte und seine Forderungen an die Gemeinde in wenigen Sätzen formuliert, sondern auch zwei Solarpanels in Originalgrösse abbilden lassen. Hin und wieder lässt er diese herunter, um die Behörden auf ihre «Gaga»-Haltung aufmerksam zu machen. Statt den Originalen zeigt er also Bilder von seinen Panels – und das vorerst ganz legal und ohne Störung des Ortsbilds – aber natürlich auch ohne jedwede Stromgewinnung.

Rund 22’000 Franken hat sich Meier seinen Streit mit den Behörden mittlerweile kosten lassen. Und das bei einem Wert der Solarpanels von gerade einmal 900 Franken. «Mir geht es nicht ums Geld! Ich will nur, dass gerecht mit allen umgegangen wird», sagt er und ist entschlossen, seine Geschichte zu erzählen, um andere vor einem ähnlichen Fehler zu bewahren.

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