Die Linken wollen eine 13. AHV-Rente nach Vorbild des 13. Monatslohns. Um Rentnerinnen und Rentnern zu helfen, die finanziell nicht auf Rosen gebettet sind. Die Bürgerlichen sind dagegen: Sie bemängeln, dass davon sogar Millionäre profitieren würden.
Fakt ist: Die 1966 eingeführten Ergänzungsleistungen (EL) helfen bereits heute Senioren, deren Einkommen nicht zum Leben reicht. Doch die Sache hat einen Haken, sagen die Gewerkschaften.
In der RTS-Sendung «Forum» von vergangener Woche hat Ständerat Pierre-Yves Maillard (55) noch einmal betont: «Wenn man Geld auf die Seite gelegt hat, um sich ein Haus zu kaufen, und wenn man darin wohnt, hat man ein Vermögen. Aber dieses Vermögen, das bei der Berechnung des Anspruchs auf EL berücksichtigt wird, bedeutet nicht, dass man reich ist», so der Sozialdemokrat und Gewerkschaftsboss.
«Unwissenheit oder Lüge?»
Die Folge? «Es gibt Leute, die, weil sie in ein Haus investiert haben, keinen Anspruch auf EL haben. Aber ihre Situation ist unter Umständen prekärer als die von EL-Bezügern», sagte Maillard.
Nationalrat Philippe Nantermod (39), der ihm in der Sendung gegenüber sass, ist anderer Meinung. Am Tag nach der Sendung warf er seinem Kontrahenten Maillard auf dem Kurznachrichtendienst X vor, die Wahrheit zu verdrehen.
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«Herr Maillard hat im Forum behauptet, Wohneigentümer hätten keinen Anspruch auf Ergänzungsleistungen», twitterte der FDP-Politiker. Artikel 9a Absatz 2 des Ergänzungsleistungsgesetzes schliesse genau diese Fälle aus. «Unwissenheit oder Lüge?», fragte er. Dieser Artikel des Gesetzestextes besage nämlich, dass «die Liegenschaft, die dem Bezüger von Ergänzungsleistungen als Wohnung dient, nicht zum Reinvermögen gerechnet wird».
«Man muss auch Artikel 11 lesen»
Natürlich sei es nicht unmöglich, als Eigentümer Ergänzungsleistungen zu beziehen, kontert Maillard auf Anfrage von Blick. «Ich sage, dass viele kein Anrecht darauf haben, weil der Wert ihres Hauses in die Berechnung einfliesst, wie jeder weiss.» In seinem Beitrag, in dem er nur Artikel 9 zitiere, suggeriere Nantermod, dass das Immobilienvermögen bei der Berechnung der EL überhaupt nicht berücksichtigt werde. «Das wird es aber, nur muss man Artikel 11 lesen, um das zu wissen», so der Gewerkschaftsboss.
Klingt kompliziert, ist es aber nicht. Im Gesetz gibt es zwei Möglichkeiten, Menschen von der EL auszuschliessen: einerseits durch ihr Vermögen, andererseits durch ihr Einkommen. Der von Maillard genannte Artikel 11 bezieht sich auf den zweiten Punkt.
«Was Artikel 11 zeigt, ist, dass das unbewegliche Vermögen bei der Berechnung des Einkommens berücksichtigt wird, und zwar über den Eigenmietwert und einen Teil des Wertes des Hauses, das man bewohnt», führt der SP-Ständerat weiter aus. Mit anderen Worten: Bei der Berechnung der EL wird das Immobilienvermögen eben doch berücksichtigt.
«Objektiv gesehen falsch»
Nantermond lässt das nicht gelten: «Als Anwalt habe ich EL-Gesuche für Hausbesitzer eingereicht, die diese auch erhalten.» Der Jurist stützt sich dabei auf den offiziellen Rechner des Bundes.
In seinem Beispiel bezieht Person X eine Rente von 25'000 Franken pro Jahr. Sie besitzt eine Liegenschaft mit einem Steuerwert von 367'000 Franken – «der Median des Steuerwerts der Liegenschaften von Rentnerhaushalten», wie Nantermond betont – und gibt eine Resthypothekarschuld von 100'000 Franken an. Die Person hätte also Anspruch auf eine EL von 11'000 Franken pro Jahr, also rund 900 Franken pro Monat.
«In diesem Fall hat die Person ein versteuertes Reinvermögen von 267'000 Franken und Anspruch auf EL», stellt Philippe Nantermod fest. Und das, obwohl wir wissen, dass der Steuerwert von Liegenschaften oft weit unter dem tatsächlichen Wert liegt. In manchen Fällen könne man ein Reinvermögen von 400'000 Franken haben und trotzdem EL beziehen.
Er sagt: «Objektiv gesehen ist es falsch zu sagen, dass eine Person im Ruhestand, die eine Liegenschaft besitzt, keinen Anspruch auf EL hat. Das Gegenteil ist der Fall: Bei der letzten Reform wurde ausdrücklich festgelegt, dass Wohneigentum im Gegensatz zu Bargeld kein grundsätzliches Ausschlusskriterium für den Bezug von EL ist.»
«Zeigt, wie sehr EL-Beziehende 13. AHV brauchen»
Maillard schiesst erneut zurück und gibt an, dass er das nicht gesagt und auch nicht verallgemeinert habe. «Herr Nantermod hat wieder einmal zu schnell getwittert», so der Waadtländer.
Inhaltlich überzeugen ihn die Beispiele von Philippe Nantermod nicht. «Diese Beispiele bestätigen, was ich sage: Die Anrechnung eines Teils des Wohnwertes erhöht das Einkommen und schwächt damit den Anspruch auf EL. Und in anderen Fällen, die Herr Nantermod nicht nennt, führt sie zur Verweigerung des EL-Anspruchs.» Das ändere aber nichts an der Tatsache, dass man nie zögern sollte, EL zu beantragen. Die Beispiele von Herrn Nantermod zeigten nur, wie sehr EL-Beziehende diese 13. AHV bräuchten.