Über 50 tote Wölfe: Das ist die Bilanz der Jagdsaison diesen Winter. Vergangenen Mittwoch mussten die Wildhüter und Jäger nach zweimonatiger Wolfsjagd ihre Waffen niederlegen.
Erstmals war es ihnen erlaubt, ganze Rudel zu erlegen, ohne dass diese bereits grossen Schaden angerichtet haben. Umweltminister Albert Rösti (56) hatte die Jagdverordnung auf den 1. Dezember hin entsprechend gelockert – was für heftigen Protest bei Umweltorganisationen sorgte.
«Wird zur Daueraufgabe»
Im Kanton Graubünden haben Wildhüter und Jäger 20 Wölfe geschossen, wie die Behörden am Montag mitteilten. Das entspricht knapp der Hälfte der Wölfe, für die man eine Abschussbewilligung erhalten hatte. Nur sechs der Abschüsse erfolgten gestützt aufs neue Recht – die anderen Wölfe hätten auch schon vorher geschossen werden dürfen.
Man sei sich bewusst, dass die Landwirtschaft mehr erwartet habe, sagte die Bündner Regierungsrätin Carmelia Maissen (46). Es sei «bedauerlich», dass man die Regulation nicht zur Gänze habe umsetzen können. Dennoch zeigte sie sich zufrieden. Erst im Sommer werde man sehen, wie sich die Regulation auswirkt – ob also weniger Nutztiere getötet werden. «Schon heute dürfte klar sein, dass die Wolfsregulation zur Daueraufgabe werden wird, wenn die Koexistenz zwischen Wolf und Mensch funktionieren soll.»
Selbst Darbellay griff zur Flinte
Im Wallis wurden in den vergangenen zwei Monaten 27 Wölfe geschossen. Eine Abschussbewilligung hätte es für 34 Tiere gegeben. Man sei auf dem richtigen Weg, so das Fazit von Regierungsrat Frédéric Favre (44). Doch es stehe noch viel Arbeit bevor. Der Kanton hatte beim Start der Jagdsaison kommuniziert, dass bereits der Abschuss von 10 bis 15 Tieren «ein grosser Erfolg» wäre. Man dürfte absichtlich tief gestapelt haben, um keine zu hohen Erwartungen zu schüren.
Im Wallis hat selbst Regierungspräsident Christoph Darbellay (52) zur Flinte gegriffen. Nächtelang sei er auf der Pirsch gewesen, sagt er in einem Interview mit der Zeitung «Schweizer Bauer». «Insgesamt war es gut, auch meditativ, denn die Nächte sind lang.» Ob er einen Wolf erlegt hat, will Darbellay nicht bekannt geben. «Ich halte mich auch an unsere Verpflichtung, diskret und professionell zu bleiben», sagt er.
Auch in weiteren Kantonen waren Wölfe zum Abschuss freigegeben worden. In St. Gallen wurden zwei Wölfe erlegt, wie die Behörden mitteilten. Tessiner Jäger schossen zwei Jungwölfe.
«Schlimme Befürchtungen haben sich bestätigt»
«Viele schlimme Befürchtungen haben sich bestätigt», sagte David Gerke, Geschäftsführer der Gruppe Wolf am vergangenen Mittwoch gegenüber Blick. Die Gruppe setzt sich für den Schutz des Wolfes ein. «Einige Rudel wurden zerschossen, ohne Unterscheidung zwischen Jungtieren und Erwachsenen.» Die Wolfsjagd sei nicht nachhaltig, sagt Gerke. «Es gibt höchstens einen kurzzeitigen Effekt. Die Wölfe werden wiederkommen.» Für die kommende Jagdsaison hofft er, dass die Jäger «zielgerichteter und überlegter» schiessen.
Dabei hätte es für den Wolf noch schlimmer kommen können: Umweltverbände hatten Beschwerde gegen den Abschuss mehrerer Rudel eingereicht. Das Bundesverwaltungsgericht stoppte den Abschuss von insgesamt fünf Rudeln kurz nach Jagdbeginn vorübergehend. Der definitive Entscheid steht noch aus. Die Frage wird wieder relevant, wenn am 1. September die nächste Jagdsaison beginnt. Ob jedoch bis dahin ein definitives Urteil vorliegt, ist fraglich.