Es ist eine Klatsche für Umweltminister Albert Rösti (56). Die Jagd auf über 30 Wölfe im Wallis und Graubünden ist vorerst abgeblasen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gesuche des Bundesamts für Umwelt (Bafu) und der Kantone Wallis und Graubünden abgeschmettert. Sie hatten sich dagegen gewehrt, dass die Jagd auf mehrere Rudel so lange gestoppt wird, bis ein definitives Urteil des Gerichts vorliegt.
Umweltbände stiegen auf die Barrikaden
Auslöser des Rechtsstreits war eine Beschwerde der Umweltverbände WWF, Pro Natura und Birdlife. Sie liefen Sturm gegen die neue Jagdverordnung, die Rösti trotz verwaltungsinternem Widerstand im Schnellzugtempo durchgedrückt hatte. Sie erlaubt neu auch den Abschuss von ganzen Rudeln, ohne dass diese bereits grossen Schaden angerichtet haben. 12 von derzeit über 30 Wolfsrudeln, die in der Schweiz herumstreunen, wurden ab 1. Dezember zur «proaktiven Regulierung» freigegeben.
Die Umweltverbände erreichten, dass ihre Beschwerde aufschiebende Wirkung erhält. Dagegen wehrten sich die betroffenen Kantone und der Bund.
Gericht sieht keinen Grund zur Eile
Vergebens. Das Gericht kommt zum Schluss, dass die Interessen an einem vorübergehenden Jagd-Stopp überwiegen. Mit Herdenschutzmassnahmen könnten viele Nutztierrisse verhindert werden, argumentiert der Richter. Darum gebe es keinen Grund, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aufzuheben.
Bis zum Ende der Wolfsjagd-Saison Ende Januar dürfen damit 10 Wölfe im Wallis und 23 in Graubünden doch nicht geschossen werden. Zwei Wölfe, die wegen der Beschwerde eigentlich bis auf weiteres geschützt sind, haben Jäger im Wallis bereits vor Eingang der Beschwerde erlegt. Im Wallis dürfen damit bis Ende Januar nur noch zwei Wölfe geschossen werden – oder etwas mehr, sollte es noch Wölfe in den entsprechenden Rudeln geben, die man bisher nicht registriert hat. 22 Wölfe sind schon tot.
Umweltorganisationen freuen sich
Das Bundesamt für Umwelt will sich auf Anfrage nicht zum Entscheid äussern. Man nehme ihn zur Kenntnis, heisst es lediglich. Die Frage, ob man einen Weiterzug ans Bundesgericht erwäge, beantwortet das Amt nicht. Bis das höchste Gericht entscheiden würde, dürfte die Jagdsaison sowieso zu Ende sein. Der zuständige Walliser Regierungsrat Frédéric Favre (44, FDP) sagt, er reagiere «mit Enttäuschung» auf den Entscheid.
Von einem erfreulichen Entscheid sprechen hingegen die Naturschutzorganisationen. So zeige die Zwischenverfügung auf, dass es keineswegs unstrittig ist, dass diese Abschüsse tatsächlich rechtens sein sollen, betont David Gerke von der Gruppe Wolf Schweiz. «Die bisherigen Entscheidungsinstanzen hatten jeweils darauf gepocht.»
Gleichzeitig sei das Gericht zu wichtigen Feststellungen gekommen: So halte es nicht nur fest, dass mit einem zumutbaren Herdenschutz die Zahl der Risse deutlich zu reduzieren sei. «Es weist auch darauf hin, dass beim Wolf nicht von einer Null-Toleranz auszugehen ist», betont Gerke. «Es gibt ein gewisses Mass an Rissen durch den Wolf, das zumutbar ist.»
Rösti schlug Bedenken in den Wind
Derweil ist belegt, dass sich Umweltminister Rösti bei der Sonderjagd auf Wölfe über die Bedenken der Bundeskanzlei und des Bundesamts für Justiz (BJ) hinweggesetzt hat. Darüber berichten die Zeitungen von CH Media am Freitag. Sie stützen sich dabei auf Dokumente aus der Bundesverwaltung.
Die Unterlagen zeigen, dass Rösti ursprünglich im Umgang mit dem Wolf zurückhaltend war. Die neuen Regeln sollten ursprünglich nicht vor September 2024 in Kraft treten. Warum man dann plötzlich so aufs Gas drückte, bleibt unklar. Röstis Departement äussert sich nicht zu den Recherchen – unter anderem mit Verweis darauf, dass Rösti derzeit in den Ferien weile.
Enthüllt wird auch, welch heftigen Widerstand sogar diverse Abteilungen beim Bund gegen die Pläne Röstis leisteten. So zeigt etwa ein Sonderbericht vom Juni, dass Röstis Bafu mit Verweis auf die Berner Konvention, einem internationalen Übereinkommen zum Schutz von Tieren und Pflanzen, auf 20 Wolfsrudeln als Untergrenze beharrte. Rösti legte das Minimum schliesslich bei nur 12 Rudeln fest. Obwohl auch das Bundesamt für Justiz Zweifel an der Rechtmässigkeit hegte.
Das Generalsekretariat von Rösti übernahm ab August die Kontrolle und beschleunigte den Prozess, trotz Protesten verschiedener Interessengruppen. Rösti verzichtete selbst auf eine ordentliche Vernehmlassung, obwohl die Bundeskanzlei diese für nötig hielt.
Dieser Schnellschuss rächt sich nun.