3,4 Prozent! So hoch war die Teuerung im Juni. Sie ist damit deutlich höher, als von Ökonomen erwartet, und dürfte auch auf das ganze Jahr gerechnet gegen 3 Prozent betragen.
Die Entwicklung drückt nicht nur aufs Portemonnaie, sondern könnte auch Einfluss auf die AHV-Reform haben – und für diese gar zum Stolperstein werden. Denn am 25. September entscheidet das Stimmvolk nicht nur über die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65, sondern auch über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten der AHV. Die beiden Vorlagen sind verknüpft.
Kaufkraftverlust von über 4000 Franken
Der Normalsatz soll um 0,4 Prozentpunkte auf neu 8,1 Prozent steigen. Insgesamt fliessen damit jährlich bis zu 1,5 Milliarden Franken in die AHV-Kasse. Für die Konsumentinnen und Konsumenten bedeutet die Mehrwertsteuererhöhung eine weitere finanzielle Belastung.
Über alle Haushalte gesehen steigen die Kosten im Durchschnitt um 207 Franken pro Jahr. Paarhaushalte mit zwei Kindern zahlen im Schnitt rund 273 Franken mehr, wie neuste Schätzungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung zeigen.
Dies zusätzlich zum jetzigen Preisschock. Gemäss neuen Berechnungen des Gewerkschaftsbundes muss eine durchschnittliche Familie alleine durch die Teuerung einen Kaufkraftverlust von gut 2800 Franken jährlich verkraften. Und bei den Krankenkassenprämien kommen nochmals bis 1000 Franken obendrauf. Der Kaufkraftverlust summiert sich so über 4000 Franken.
SP-Maillard: «Teuerung trifft auch Rentner»
Das ist Wasser auf die Mühlen jener, die die AHV-Reform bekämpfen. «Angesichts der aktuellen Preisentwicklung ist es nicht möglich, die Konsumsteuer noch zu erhöhen», sagt Gewerkschaftsboss und SP-Nationalrat Pierre-Yves Maillard (54). «Wird im Herbst sowohl eine Erhöhung der Krankenkassenprämien als auch der Mehrwertsteuer beschlossen, trifft dies die Familien besonders stark.» Die steigende Teuerung und der damit verbundene Kaufkraftverlust mache auch Rentnerinnen und Rentnern zu schaffen. «Vor allem, weil die Pensionskassen-Renten nicht angepasst werden, bleibt immer weniger zum Leben übrig», so Maillard. «Noch höhere Preise durch die Mehrwertsteuererhöhung trifft auch sie.»
Ausserdem seien die AHV-Finanzen mit einem Gewinn von 2,6 Milliarden Franken heute gesund und brauchten diese Steuererhöhung nicht. Und für die Zukunft seien die Nationalbank-Gewinne eine gute Alternative, um die AHV zu sichern. «Und das, ohne den Normalbürger unnötig zu belasten», so Maillard. «Alleine die schon kumulierten Gewinne aus den Negativzinsen summieren sich mittlerweile auf über elf Milliarden Franken. Das bringt bis 2030 mehr als die Erhöhung des Frauenrentenalters.»
SVP-Friedli: «Zähneknirschend zugestimmt»
Maillard geht davon aus, dass die Mehrwertsteuer-Erhöhung auch im bürgerlichen Lager keinen einfachen Stand haben wird. Dafür spricht etwa die Parolenfassung der SVP Waadt. An der Delegiertenversammlung der Kantonalpartei hatte Maillard für ein doppeltes Nein gekämpft – und einen Achtungserfolg erzielt: Die höhere Mehrwertsteuer fand mit 36 zu 33 Stimmen nur eine knappe Mehrheit – bei 23 Enthaltungen.
Tatsächlich wagt die SVP den Spagat. «Die SVP ist gegen jede Erhöhung der Mehrwertsteuer», hält diese im aktuellen Parteiprogramm explizit fest. Und wirft diesen Vorsatz nun über Bord. «Die AHV-Reform gibt es nur im Gesamtpaket mit einer höheren Mehrwertsteuer – dem haben wir zähneknirschend zugestimmt», sagt SVP-Nationalrätin Esther Friedli (45, SG). «Die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist ein Wermutstropfen, doch zur Sicherung der AHV braucht es diesen Kompromiss.»
Friedli ist sich denn auch bewusst, dass der Abstimmungskampf kein Spaziergang wird – erst recht nicht bei der eigenen Basis, die Steuererhöhungen grundsätzlich kritisch gegenüber steht. «Es wird noch viel Überzeugungsarbeit für ein doppeltes Ja zur AHV brauchen», sagt die SVP-Frau. «Gewinnt die Inflation weiter an Dynamik, wird es sicher nicht einfacher.»
Doppelte Hürde
Kommt hinzu, dass die Mehrwertsteuer-Vorlage eine doppelte Hürde nehmen muss. Während für das AHV-Gesetz die Zustimmung des Volkes reicht, braucht es bei der Steuererhöhung auch ein Ja der Stände.