Nur noch wenige Tage, dann tritt der neu zusammengesetzte Bundesrat in Aktion. Und landauf, landab ist man sich einig: Ab dann hat eine Frau das Sagen – die neue Finanzministerin Karin Keller-Sutter (58).
Nachdem KKS, wie die St. Gallerin genannt wird, die Wahl der als stark geltenden Baslerin Eva Herzog (60) in den Bundesrat verhindert und das andere Alphatier, Alain Berset (50), bei der Departementsverteilung ausgestochen habe, werde sie nun die Macht in der Landesregierung übernehmen.
Ein Faktor geht vergessen
Freie Fahrt für KKS also? Mitnichten. Denn ein Faktor wird in dieser Rechnung vergessen: Elisabeth Baume-Schneider (58). Das Kalkül, mit der lustigen Jurassierin leichteres Spiel zu haben als mit der strengen Baslerin Herzog, könnte sich als Trugschluss erweisen.
Die neue SP-Bundesrätin sei nur auf den ersten Blick das – aus bürgerlicher Sicht – kleinere Übel. Lustig, charmant und leutselig bedeute nämlich nicht harmlos (wie viele meinen). Das sagen jene, die Baume-Schneider gut kennen, sei es aus ihrer Zeit in der jurassischen Regierung oder aus dem Ständerat.
Nicht so brav wie ihre Schafe
Sich 13 Jahre lang als einzige Frau und einzige SPlerin in einer Kantonsregierung zu behaupten – wie das Baume-Schneider im Jura gelang – zeige: Die Frau hat Stehvermögen. In den Reden der jurassischen Regierungsräte anlässlich der Wahlfeier am Donnerstag hiess es denn auch: Wer meine, Baume-Schneider sei so brav wie ihre Schwarznasenschafe, werde sich noch wundern.
Im Ständerat tönt es ähnlich: Als Präsidentin der Umwelt- und Energiekommission habe EBS (wie Keller-Sutters Name wird auch jener von Baume-Schneider schon abgekürzt) viel Umsicht und Geschick bewiesen. «Dem Mantelerlass zur Sicherung der Energieversorgung hat Elisabeth sicher zum Durchbruch verholfen», so ihr Partei- und Kommissionskollege Roberto Zanetti (68). «Sie ist extrem geduldig – auch in schwierigen Situationen.»
«Sie wird uns überraschen»
Und der Appenzeller Ständerat Daniel Fässler (62, Mitte) sagt, Baume-Schneider habe die Kommissionssitzungen mit viel Charme geführt, aber auch effizient, sec und entscheidungsfreudig. «In Elisabeth Baume-Schneider nur die fröhliche Jurassierin zu sehen, wird ihr nicht gerecht.»
Zanetti glaubt ebenfalls, EBS werde unterschätzt: «Welche Bundesräte haben sich denn ins kollektive Gedächtnis der Schweiz eingebrannt?», fragt er. Und er gibt die Antwort gleich selbst: «Willi Ritschard, Adolf Ogi, Ueli Maurer.» Auch bei ihnen wurden vorher Fragezeichen gemacht. «Elisabeth Baume-Schneider wird uns überraschen», prophezeit Zanetti.
Andere Stimmen sind deutlicher, aber weniger schmeichelhaft. EBS sei ebenso hartnäckig wie charmant. Manche bezeichnen sie als linken Ueli Maurer (72) und sind überzeugt, auch sie werde das Kollegialitätsprinzip ritzen, wenn es ihr opportun erscheine. Andere sehen sie als Wadenbeisserin und sagen vorher: «Keller-Sutter wird blaue Waden kriegen.»
Wer hat Angst vor KKS?
Diese Aussicht dürfte so manche Sorgenfalte im Bundeshaus glätten, wo man sich vor einer allzu grossen Machtkonzentration bei der freisinnigen Bundesrätin Keller-Sutter fürchtet. Das sei nicht gut für das Funktionieren des Landes, heisst es gemäss «24 Heures» aus der Mitte – und selbst die SVP argwöhne, dass KKS alles tue, um die unangefochtene Führungsrolle zu übernehmen. In der «Weltwoche» wurde denn auch kolportiert, sie habe versucht zu verhindern, dass Albert Rösti Umweltminister wird.
Selbst in ihrer Heimat weht der Eisernen Lady, wie KKS als St. Galler Regierungsrätin genannt wurde, wegen ihres Machtanspruchs ein rauer Wind entgegen. «Das stärkste Mitglied des Bundesrats steht besonders in der Verantwortung», schrieb das «St. Galler Tagblatt» kürzlich. Sie müsse dafür sorgen, dass die Konkordanz wiederbelebt werde. «Versteift sie sich auf Machtpolitik, ist das Ende dieses Ausgleichssystems absehbar.»
SP-Ständerat Roberto Zanetti hingegen hält von solchen Theorien wenig: Mit der «berechnenden Eisernen Lady», als die Keller-Sutter dargestellt werde, könne er nicht viel anfangen. «Ich erlebe sie ganz anders, im persönlichen Kontakt durchaus auch humorvoll und einfühlsam.»
Statt ihrem Image entsprechend, verhalten sich die beiden Bundesrätinnen für einige also genau gegenteilig. Das verspricht zumindest Spannung.