Jahrelang streitet man sich, schreit sich an, es wird Geschirr zerschlagen, es «chlepft». Irgendwann ist klar: Es braucht die Scheidung. Dann tritt Ruhe ein.
Doch kurz vor dem Scheidungstermin beginnt der Streit von Neuem. Dann nämlich, wenns ums Geld geht. Vor allem, wenn die Partnerin dieses Geld zum Neuen mitnimmt.
In diesem Fall zum Kanton Jura, die Ex-Frau heisst Moutier. Unbeachtet von der Öffentlichkeit sind sich Bern und Jura uneins über die Kostenfolgen des Wechsels der Gemeinde vom Berner Jura in den Kanton Jura.
Der Jüngste ist knapp
Laut Blick-Informationen will Bern vom Geld, das es aus dem Finanzausgleich bekommt, weniger abtreten als der Jura haben möchte. Doch der jüngste Kanton der Schweiz – wie halt so mancher Jugendlicher – ist oft knapp bei Kasse. Er hätte gerne eine höhere Unterstützung von Vater Staat. Laut unbestätigten Informationen geht es um fünf Millionen Franken. Bern will dem Vernehmen nach nur 24 Millionen statt 29 Millionen zahlen.
Nun soll der Bund schlichten. Zuständig ist das Justizdepartement unter der Leitung von Karin Keller-Sutter (58) – noch. Im Januar übernimmt die neugewählte Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (58) das Departement, wie der Gesamtbundesrat am Donnerstag festgelegt hat.
Anschläge der Béliers sind lange her
Baume-Schneider? Ist das nicht die Jurassierin, die sich dafür starkgemacht hat, dass der gesamte Berner Jura zu ihrem Kanton wechselt? Genau! – Eine Konstellation, bei der mancher Berner infrage stellt, ob im EJPD unbefangen entschieden werden kann.
Ein neues Aufflammen der Jura-Frage soll vermieden werden. Die Anschläge der jurassischen Separatisten, der Béliers, sind lange her (siehe Box). Mit der Wahl von Baume-Schneider hat die Schweiz dem Kanton endgültig die Hand gereicht.
Per 1. Januar 1979 wurde der Kanton Jura gegründet. Der nach dem Zweiten Weltkrieg wiederentbrannte Konflikt zwischen den französischsprachigen Separatisten und dem Kanton Bern sollte damit endlich beendet werden – vorbei ist er aber bis heute nicht.
Dabei geht der Streit weit zurück: Beim Wiener Kongress 1815 gingen Gebiete des Fürstbistums Basel an den Kanton Bern. Seither fühlen sich viele in den bernjurassischen Gebieten von der deutschsprachigen Mehrheit im Kanton unterdrückt.
Wie gross die Wut auf die Berner ist, zeigte sich im Januar 1993: Ein 21-jähriger Separatist wollte im Berner Rathaus eine Bombe legen, die aber zu früh am Rand der Altstadt hochging. Der junge Mann kam dabei ums Leben. Er war Bélier, ein Mitglied der militanten Jugendorganisation der Separatisten.
Als Folge davon traten der Kanton Jura, Bern und der Bund in einen Dialog, um den Jura-Konflikt beizulegen. Doch nach wie vor gibt es Bestrebungen, Gemeinden im bernischen Jura zum Kanton Jura zu holen.
Am 28. März 2021 sprach sich letztmalig eine Mehrheit in Moutier für den Kantonswechsel aus. «Die Jura-Frage ist gelöst!», hiess danach.
Doch ganz so einfach ist es nicht: Aktuell wird gestritten, auf wann der Kantonswechsel denn stattfinden soll. Und um Geld aus dem nationalen Finanzausgleich. Sermîn Faki
Per 1. Januar 1979 wurde der Kanton Jura gegründet. Der nach dem Zweiten Weltkrieg wiederentbrannte Konflikt zwischen den französischsprachigen Separatisten und dem Kanton Bern sollte damit endlich beendet werden – vorbei ist er aber bis heute nicht.
Dabei geht der Streit weit zurück: Beim Wiener Kongress 1815 gingen Gebiete des Fürstbistums Basel an den Kanton Bern. Seither fühlen sich viele in den bernjurassischen Gebieten von der deutschsprachigen Mehrheit im Kanton unterdrückt.
Wie gross die Wut auf die Berner ist, zeigte sich im Januar 1993: Ein 21-jähriger Separatist wollte im Berner Rathaus eine Bombe legen, die aber zu früh am Rand der Altstadt hochging. Der junge Mann kam dabei ums Leben. Er war Bélier, ein Mitglied der militanten Jugendorganisation der Separatisten.
Als Folge davon traten der Kanton Jura, Bern und der Bund in einen Dialog, um den Jura-Konflikt beizulegen. Doch nach wie vor gibt es Bestrebungen, Gemeinden im bernischen Jura zum Kanton Jura zu holen.
Am 28. März 2021 sprach sich letztmalig eine Mehrheit in Moutier für den Kantonswechsel aus. «Die Jura-Frage ist gelöst!», hiess danach.
Doch ganz so einfach ist es nicht: Aktuell wird gestritten, auf wann der Kantonswechsel denn stattfinden soll. Und um Geld aus dem nationalen Finanzausgleich. Sermîn Faki
Baume-Schneider sagt nichts
Es wäre eine Ironie der Geschichte, wenn just die Wahl der Jurassierin zu erneuten Auseinandersetzungen führt. Die sympathische Neo-Bundesrätin mag sich gegenüber Blick nicht dazu äussern, ob sie bei der Jura-Frage in den Ausstand treten will. «Ich bin ja noch nicht im Amt», sagt sie. Da gehöre es sich nicht, etwas zu sagen.
Im Justizdepartement, das die SP-Politikerin in drei Wochen übernimmt, ist das Bundesamt für Justiz (BJ) die zuständige Anlaufstelle. Es informiert, mit dem Übertritt von Moutier zum Jura sei die Jura-Frage abgeschlossen. «Es ist nun an den Kantonen und Akteuren vor Ort, die verschiedenen offenen Fragen im Interesse der Bevölkerung zu regeln.» Der Bund stehe aber weiterhin für eine Vermittlung zur Verfügung.
Und dann räumt das BJ ein: «Die Rolle der Justizministerin wird zu einem späteren Zeitpunkt geklärt.»
Inhalt vertraulich
Der Kanton Bern sagt auf Anfrage nur, die Gespräche zwischen den Kantonen seien weit fortgeschritten. Aber der Kanton gibt zu, dass zu diesen Gesprächen «auch die Frage des Finanzausgleichs» gehöre.
Zwar sei der Kantonswechsel auf 2026 vorgesehen, aber «der detaillierte Inhalt der Verhandlungen zwischen den Regierungen und ihr Zeitplan sind vertraulich, bis die Entscheidungen der beiden Regierungen vorliegen», stellt Bern fest.
Ähnlich tönt es im Jura: Die Verhandlungen liefen ruhig und konstruktiv – und «unter strengster Vertraulichkeit». Doch auch der Jura bestätigt, dass Fragen des Finanzausgleichs Thema seien.
Vielleicht kann ausgerechnet Baume-Schneider dafür sorgen, dass die Jura-Frage plötzlich tatsächlich keine mehr ist. Denn wie sie 2013 der Zeitung «Bund» sagte, hasste sie die Berner Mundart in ihrer Kindheit und tat bei Einkäufen im Dorfladen so, «als würde ich kein Wort Deutsch verstehen». Inzwischen sei sie froh, Schweizerdeutsch zu sprechen. Sie könnte also Brücken bauen.