Das Ultimatum von Bundesrat Alain Berset (48) zeigt Wirkung: Nach Graubünden, Schaffhausen, Thurgau und Tessin verschärfen nun auch die Kantone Zürich, Solothurn und Baselland ihre Corona-Schutzmassnahmen. Diese sind auch dringend nötig, denn die Fallzahlen laufen ohne Gegenmassnahmen in allen drei Kantonen aus dem Ruder.
Mit Zürich gibt endlich auch der bedeutendste Trödel-Kanton dem bundesrätlichen Drängen nach. Nicht ohne Grund: Der sogenannte Reproduktions-Wert ist auf 1,13 angestiegen. 100 Infizierte stecken also 113 Personen – damit steigen die Ansteckungen exponentiell!
In dieser Situation mögen selbst die widerspenstigen Zürcher den Kopf nicht weiter in den Sand stecken. Die Kantonsregierung hat deshalb folgende Massnahmen beschlossen, die bis 10. Januar 2021 gelten:
- In Lokalen gilt neu eine Sperrstunde von 22 bis 6 Uhr. An den Tischen dürfen maximal vier Personen aus zwei Haushaltungen sitzen. Zudem müssen sämtliche Kontaktdaten erhoben werden.
- Die Sperrstunde gilt auch für Einkaufsläden, Take-Aways, Tankstellenshops, 24h-Shops sowie Unterhaltungs-, Sport- und Freizeitbetriebe.
- Ganz geschlossen werden Casinos, Bordell- und Erotikbetriebe, Cabarets, Etablissements, Sex-, Strip- und Saunaclubs sowie ähnliche Betriebe.
- Versammlungen im öffentlichen Raum werden auf zehn Personen beschränkt.
- Sonntags- und Feiertagsverkäufe werden vom 24. Dezember bis 10. Januar verboten.
- Für private Treffen wird die Zwei-Haushalte-Regelung dringlich empfohlen.
Die Situation in den Spitälern sei angespannt und verschärfe sich weiter, warnte SVP-Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (44). Derzeit sind rund 450 Covid-Patienten hospitalisiert. «Ohne Massnahmen haben wir an Weihnachten 800 Personen im Spital. So weit dürfen wir es auf keinen Fall kommen lassen.» Bringe man die Fallzahlen nicht runter, drohe ein Versorgungsnotstand. «Es ist 5 vor 12!», so Rickli. Denn auch das Spitalpersonal sei am Anschlag. «Wir dürfen ihnen nicht mehr zumuten.»
CVP-Regierungspräsidentin Silvia Steiner (62) betonte, dass man den «Zürcher Weg» weiter beschreiten wolle, der auch gewisse Freiheiten zulassen. Und SP-Sicherheitsdirektor Mario Fehr (62) mahnte, dass man etwa auch an Randständige oder vereinsamte Menschen denken müsse. «Die sozialen Folgen wären sonst gravierend.»
Das Trio appellierte an die Bevölkerung, sich an die Massnahmen zu halten. Denn sonst droht Schlimmeres – ein Lockdown! «Die moderate Steigerung der Massnahmen ist eine letzte Chance. Sonst kommen wir einem Lockdown nahe», warnte Steiner. Sollten die Fallzahlen nicht sinken, werde der Regierungsrat noch vor Weihnachten weitere Massnahmen prüfen.
Auch Baselland handelt
Auch Baselland handelt nun. Der Halbkanton hat sich klammheimlich zum grössten Corona-Versager der Schweiz entwickelt. Die Baselbieter hat deshalb folgende Massnahmen beschlossen:
- Ab Freitag gilt für Gastronomiebetriebe eine Sperrstunde von 21 bis 6 Uhr. Dies gilt auch an Weihnachten und Silvester. Pro getrennte Räumlichkeit dürfen sich neu maximal 50 Personen in einem Betrieb aufhalten.
- Für öffentliche Veranstaltungen gilt eine Obergrenze von 15 Personen. Ausnahmen bestehen an Feiertagen für religiöse Veranstaltungen, im Bereich der Bildung, für politische Aktivitäten und Beerdigungen.
- Alle Freizeitinstitutionen müssen schliessen. Sport- und Trainingsaktivitäten sowie Wettkämpfe sind mit wenigen Ausnahmen verboten. Ausnahmen gibt es für den Leistungssport, den professionellen Spielbetrieb, für Schulsport und Sportstudium sowie für sportliche Aktivitäten im Freien in Kleingruppen von maximal 5 Personen.
«Wir wissen alle, dass diese zusätzlichen Einschränkungen gerade über die Festtage für alle eine Belastung sind», kommentierte Gesundheitsdirektor Thomas Weber (59, SVP). «Aber verzichten sie dennoch auf grössere Feste. Wir kommen nur gemeinsam aus diesem Schlamassel.» Er habe Vertrauen in die Bevölkerung, dass sie sich nun wirklich an die Schutzmassnahmen halte, ergänzte Finanzdirektor Anton Lauber (59, CVP). «Niemand hat ein Interesse daran, dass wir die Vorgaben noch weiter verschärfen müssen.»
Die nun beschlossenen Einschränkungen gelten bis am 17. Januar 2021.
Solothurn schliesst Bars
Düster ist die Situation auch im Kanton Solothurn: Der R-Wert liegt neu bei 1,21. Die medizinische Grundversorgung ist daher «akut gefährdet» ist, wie der Kanton schreibt. Ab Freitag gelten deshalb folgende Massnahmen:
- Restaurants müssen ab 21 Uhr schliessen – Bars dürfen überhaupt nicht mehr öffnen.
- Ihre Türen schliessen müssen auch öffentliche Einrichtungen wie Museen und Kinos, aber auch Fitnesscenter, Hallenbäder und Casinos. Ebenso Spielhallen sowie Bowling- und Billardzentren.
- Das Veranstaltungsverbot senkt Solothurn auf maximal 15 Personen. Ausnahmen gibt es für religiöse Feiern über die Weihnachtstage, wenn sich ausnahmsweise 30 Personen versammeln dürfen.
- Einsam wird es vorerst in den Alters- und Pflegeheimen: Zwischen dem 10. und 23. Dezember gibt es ein generelles Besuchs- und Ausgehverbot. Die Situation in den Heimen sei sehr angespannt, schreibt der Kanton – in den letzten Wochen sei es «zunehmend zu erheblichen Ausbrüchen» gekommen.
- An der Volksschule wird die Schutzstufe erhöht. Die Schulanlagen dürfen nur für den Betrieb der Volksschule genutzt werden. Dritte haben keinen Zugang, eine Fremdnutzung der Anlagen ist ausgeschlossen.
Die Massnahmen gelten «bis längstens» am 31. Januar 2021. Wie ernst die Lage ist, zeigt auch das Aufgebot an der Pressekonferenz: Die gesamte Regierung war anwesend, um die neuen Schutzmassnahmen zu vertreten – angeführt von Frau Landammann Brigit Wyss (60, Grüne) und SP-Gesundheitsdirektorin Susanne Schaffner (58).
St. Gallen folgt am Mittwoch
Schon am Mittwoch dürfte mit St. Gallen ein weiterer Kanton schärfere Massnahmen beschliessen. Der Kanton hat bereits eine Medienkonferenz angekündigt.
Damit steht der Kanton Aargau mit seiner laschen Haltung wohl bald allein dar. Der Rüebli-Kanton sieht vorerst keinen Handlungsbedarf und wartet ab. Es gebe keine dringliche Notsituation, so SVP-Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati (54). Zum Ärger von Christoph Fux, Chefarzt Infektiologie am Kantonsspital Aarau. Er schlägt Alarm: «Beim gesamten Pflegepersonal und den Ärzten auf den Intensivstationen ist die Situation kritisch.»
Bewegt sich der Kanton nicht, kann der Bund dem Aargau und anderen Kantonen notfalls den Tarif durchgeben und regional durchgreifen. In einem früheren Aussprachepapier hält sich Gesundheitsminister Berset diese Option explizit offen.