Es war, als hätte SP-Gesundheitsminister Alain Berset (48) seine Regierungskollegen schon vor der entscheidenden Bundesratssitzung überzeugen wollen. Bei einem Besuch im Baselbiet wählte der SP-Magistrat eindringliche Worte: «Die Situation ist sehr beunruhigend.» Denn die Fallzahlen stagnieren auf hohem Niveau, in manchen Tourismuskantonen steigen sie an.
Und im Vorweihnachtsgeschäft dürften wieder mehr Leute unterwegs sein, was mehr Kontakte bedeutet. «Wenn das so weitergeht, wo stehen wir dann an Weihnachten?», fragte Berset. Man könne sich keine weitere Entwicklung nach oben erlauben. «Die Situation bleibt sehr instabil.»
In der Sitzung vom Freitag dürfte Berset ähnlich eindringliche Worte an seine Gspänli richten. Denn seine Vorschläge – besonders zu Kapazitätsbeschränkungen in Skigebieten – sind unter bürgerlichem Beschuss.
So geht Berset in die Sitzung
Gemäss BLICK-Recherchen steigt Berset mit folgenden Vorschlägen in den Ring:
Bewilligungspflicht für Skigebiete: Skigebiete brauchen Schutzkonzepte und eine kantonale Bewilligung. Damit nimmt Berset die Kantone stärker in die Verantwortung – und die Betreiber, denn Bewilligungen können wieder entzogen werden. Für Restaurants in den Skizonen soll es zudem striktere Vorgaben geben.
Kapazitätsbeschränkungen: Bei den Kapazitätsbeschränkungen für Skigebiete will sich Berset nicht festlegen. Stattdessen legt er dem Bundesrat drei Varianten vor. Dem Vernehmen nach sieht eine Variante vor, die Kapazität in den Skigebieten auf 80 Prozent zu beschränken (zum Schnitt der letzten fünf Jahre), Gondeln dürften nur zu zwei Drittel besetzt werden. In den beiden andern Varianten ist keine Gästebegrenzung vorgesehen, stattdessen werden die Transportkapazitäten der Bergbahnen eingeschränkt. Eine Option wäre, die Sitzplätze voll und die Stehplätze zu zwei Dritteln zu besetzen. Die andere, jeweils nur die Hälfte zu belegen. Bei den bürgerlichen Bundesräten stossen diese Ideen auf Widerstand. Das sei schlicht nicht praktikabel, so der Tenor. Selbst die sonst vorsichtige CVP-Bundesrätin Viola Amherd (58) ist skeptisch. Der Bundesrat könnte die Beschränkungsfrage daher ebenfalls den Kantonen überlassen.
Trödel-Kantone in die Pflicht nehmen: Bei der Eigenverantwortung der Kantone will Berset mehr Druck aufsetzen, besonders auf Trödelkantone wie Zürich oder Aargau. So will es Berset bei den zusätzlichen kantonalen Massnahmen nicht nur bei einer «Kann»-Formulierung belassen, sondern eine Art «Muss»-Variante verordnen. Die Kantone sollen handeln, wenn gewisse Indikatoren – wie etwa Fallzahlen, R-Wert oder Spitalauslastung – ansteigen oder das Contact Tracing nicht mehr gewährleistet ist. Der Vorschlag hat durchaus Chancen bei den Kollegen.
Zwei-Haushalte-Regel: Privat sollen sich weiterhin nur zehn Personen treffen dürfen. Berset will den Zusatz «aus maximal zwei Haushalten» beibehalten. Damit dürfte er aber kaum durchkommen. Es könnte stattdessen auf eine bundesrätliche Empfehlung für eine Zwei-Haushalte-Regel hinauslaufen.
Weniger Ladenbesucher: In den Geschäften gilt derzeit, dass pro Kunde mindestens 4 Quadratmeter Fläche zur Verfügung stehen müssen. Neu soll jeder Kunde 10 Quadratmeter zur Verfügung haben – womit weniger Kunden in die Läden dürften. Für kleine Läden unter 30 Quadratmeter Verkaufsfläche sollen 5 Quadratmeter vorgesehen werden pro Person. Gegen diese Einschränkung melden die Detailhändler Widerstand an.
Homeoffice-Pflicht: Geht es nach Berset, sollen die Arbeitgeber dafür sorgen, dass ihre Angestellten «ihre Arbeitsverpflichtungen so weit als möglich von zu Hause aus erfüllen». Eine Homeoffice-Pflicht also. Vor einem Monat ist er mit dem gleichen Vorschlag aufgelaufen, das dürfte diesmal nicht anders sein. Es dürfte einmal mehr auf eine «dringliche Empfehlung» hinauslaufen.
Ein schwieriger Ritt
Für Berset wird es ein schwieriger Ritt. Im Bundesrat ist eine heisse Debatte programmiert. Denn die Festtage könnten nicht nur für einen Anstieg der Corona-Fallzahlen sorgen, sondern auch für mehr Gedränge auf der Piste – und damit mehr Skiunfälle. Diese Kombination müssen die Bundesräte mit Blick auf die Spitalauslastung im Auge behalten. Und dies immer mit dem Ziel, einen zweiten Lockdown verhindern.
So hofft Berset, dass seine Warnung bei den Regierungskollegen nicht verhallt: «Der Schweizer Weg ist gut für uns, aber er hat seinen Preis: Funktioniert er nicht, muss man sehr rasch Massnahmen ergreifen.»