Angesichts der wieder steigenden Corona-Fallzahlen in mehreren Deutschschweizer Kantonen setzte der Bundesrat ein Ultimatum. Handeln die betroffenen Kantone nicht selbst, wird der Bund eingreifen und Ende Woche weitere Massnahmen für bestimmte Regionen beschliessen, kündigte Gesundheitsminister Alain Berset (48) am Freitag an.
Am Wochenende folgten auf die öffentliche Drohung Videokonferenzen mit den Kantonsregierungen in St. Gallen, Thurgau, Appenzell-Ausserrhoden, Aargau, Solothurn und Basel-Landschaft. An der Seite Bersets sprach Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (60) den Trödel-Kantonen ins Gewissen. Heute nimmt sich der Bundesrat schliesslich auch noch Zürich und das Tessin zur Brust.
Aargau sieht keine «Notsituation»
Der Kanton Aargau zeigt sich von der Drohung aus Bundesbern vorerst unbeeindruckt. An einer Medienkonferenz hat Regierungsrat und Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati (54, SVP) heute keine Verschärfung der Corona-Massnahmen bekanntgegeben. Stattdessen nutzte er die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, um darzulegen, weshalb die Situation aus seiner Sicht derzeit gar nicht so schlimm ist.
Von einer «dringlichen Notsituation», die Sofortmassnahmen erfordern würde, könne nicht die Rede sein, sagte er mit Verweis auf die Statistiken. So seien die Fallzahlen, die Zahl der Hospitalisierungen und auch der Todesfälle schon seit einigen Wochen stabil, führte Kantonsärztin Yvonne Hummel aus. Gallati betonte zudem, dass es im Kanton noch genügend freie Spitalbetten gäbe.
Erst mal abwarten
Allerdings ist auch Tatsache, dass die Reproduktionszahl im Aargau derzeit mit 1.02 knapp über der kritischen Grenze von 1 liegt. Das heisst, dass 100 Infizierte 102 weitere Personen anstecken. Laut der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes müsste ein Wert von unter 0.8, noch besser unter 0.7 erreicht werden, um die Pandemie unter Kontrolle zu bekommen.
Der Kanton Aargau will nun erst mal abwarten, wie die anderen Kantone auf die Drohung Bersets reagieren. Gallati ist der Überzeugung, dass weitere Massnahmen nur Sinn machen, wenn sie koordiniert getroffen werden. Man führe Gespräche mit den anderen Nordwestschweizer Kantonen sowie mit Zürich. Allenfalls am Donnerstag werde man dann über Verschärfungen informieren, so der Gesundheitsdirektor. Bis dann werde sich die Situation in den übrigen Kantonen «geklärt» haben.
Homeoffice-Pflicht im Thurgau
Während der Aargau zaudert, greift der Thurgau durch. Die Regierung des Ostschweizer Kantons hat heute erhebliche Verschärfungen beschlossen. Vize-Regierungspräsidentin Monika Knill (48, SVP) betonte, dass die Sitzung der Regierung schon vor dem Appell des Bundesrats vorgesehen gewesen sei. Denn die Entwicklung im Kanton bereitete ihr schon vorher Sorgen.
Ab Mittwoch um Mitternacht – zeitgleich mit den Verschärfungen des Bundesrats – zieht der Thurgau nun die Zügel an. Die Sperrstunde gilt bereits ab 22 Uhr und es wird eine kantonsweite Homeoffice-Pflicht angeordnet. An Veranstaltungen dürfen nur noch maximal 10 statt 50 Personen teilnehmen – Ausnahmen sind Gottesdienste und politische Versammlungen.
Auch bei Sport- und kulturellen Aktivitäten dürfen nicht mehr als 10 Personen teilnehmen und für spontane Menschenansammlungen gilt dieselbe Höchstgrenze. Zudem dürfen sich nur mehr Personen aus maximal zwei Haushalten treffen.
Weitere Entscheide folgen
Weitere Entscheide aus den Kantonen werden in den nächsten Tagen folgen. Solothurn hat heute ebenfalls weitere Massnahmen beschlossen. Welche es sind, wird morgen Nachmittag an einer Medienkonferenz bekanntgegeben.
Auch die Baselbieter Regierung wird am Dienstag beraten, St. Gallen soll am Mittwoch folgen. Die Zürcher Regierung informiert am Mittwoch oder Donnerstag. (lha)