Um die Pandemie zu stoppen, hat die wissenschaftliche Taskforce am 12. November ein klares Ziel definiert: Die Corona-Fallzahlen müssen alle zwei Wochen halbiert werden. Dafür dürften zehn Infizierte höchstens acht weitere Personen anstecken – der sogenannte R-Wert müsste zwischen 0,7 und 0,8 liegen. BLICK hat den grossen Check gemacht und die Performance der Kantone zwischen dem 9. und 23. November unter die Lupe genommen. Basis sind die Corona-Wochenberichte des Bundesamts für Gesundheit.
Die Versager
Baselland: Der Halbkanton hat sich klammheimlich zum grössten Corona-Versager der Schweiz entwickelt. Die Fallzahlen sind in Basel-Landschaft innert zwei Wochen um ganze 12,4 Prozent gestiegen. Anders als in Basel-Stadt sah man den steigenden Fallzahlen bislang tatenlos zu.
Schaffhausen: Das Kantonsspital ist derart überlastet, dass bereits mehrere Patienten in ausserkantonale Spitäler verlegt werden mussten. Kein Wunder: Eine Person steckt in Schaffhausen im Schnitt mehr als eine Person an, auch im Verhältnis zur Bevölkerungsgrösse belegt der Kanton eine traurige Spitzenposition bei den Infektionen. Immerhin: Die Regierung hat am Freitag strengere Corona-Regeln beschlossen: Bis am 22. Dezember müssen Turnhallen, Fitnesszentren oder Kinos geschlossen bleiben. In Restaurants und zu Hause dürfen zudem nur noch Personen aus zwei Haushalten zusammenkommen.
Aargau: Auch der Rüeblikanton zählt zu den Versagern im Kampf gegen das Corona-Virus. Statt die Neuinfektionen innerhalb von zwei Wochen zu reduzieren, stiegen sie im Aargau um 7,6 Prozent an! Kein Wunder: Der R-Wert lag am 24. November bei 1,02 und ist seitdem noch gestiegen. Das heisst, eine infizierte Person steckt im Schnitt eine weitere an. Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati (54, SVP) zeigt sich am Montag ob diesen Zahlen unbeeindruckt. Der Trödel-Kanton macht seinem Namen alle Ehre – und bleibt tatenlos.
Schwyz: Wegen eines Jodel-Musicals verwandelte sich Schwyz im Herbst zum Corona-Hotspot – und weltweit zu einer Lachnummer. Entspannung ist in der Innerschweiz bis heute nicht wirklich eingekehrt. Denn der Trend zeigt nach oben: Zwischen Mitte und Ende November stiegen die Fallzahlen um 5 Prozent. Auch der sogenannte R-Wert lag Ende Monat deutlich über 1. Das Virus breitet sich nach wie vor schnell aus.
Graubünden: Um 2,9 Prozent haben die Fallzahlen im Graubünden über zwei Wochen hinweg zugenommen. Doch der Kanton hat eingegriffen: Letzten Freitag hat die Kantonsregierung die Schliessung aller Restaurants verordnet. Der Bündner Mini-Lockdown soll zwei Wochen dauern.
Solothurn: Am Samstag nahmen die SP-Bundesräte Alain Berset (48) und Simonetta Sommaruga (60) sechs besonders krisengeschüttelte Kantone zur Brust – darunter auch Solothurn. Und am Jurasüdfuss scheint der Druck gewirkt haben. Laut «Solothurner Zeitung» sollen die Beizen womöglich bereits Ende Woche in die Zwangsferien geschickt werden. Nötig wäre es: Ende November lag der R-Wert bei 1,2.
Thurgau: Ab Mitte Woche gilt in Restaurants, Bars und Take-aways bereits ab 22 Uhr die Sperrstunde und Homeoffice-Pflicht. Damit reagiert die Regierung des Thurgaus auf die steigenden Fallzahlen und Spitaleinweisungen. Anders als von der Taskforce gefordert, nahmen die Neuansteckungen im November nämlich um 1,4 Prozent zu.
Die Trödler
Appenzell Ausserrhoden: Gerade mal um 3,5 Prozent sanken die Fallzahlen in Appenzell Ausserrhoden innerhalb von zwei Wochen. Erstaunen tut es kaum: Denn der Kanton setzt nicht auf schärfere Massnahmen, sondern auf Eigenverantwortung. Dabei verzeichnet Ausserrhoden auch im Verhältnis zur Bevölkerungszahl eine der stärksten Ansteckungsquoten.
St. Gallen: Düster sieht es aus im Olma-Kanton! St. Gallen gehört zu den Corona-Hotspots. Das Taskforce-Ziel einer Reduktion der Neuansteckungen um 50 Prozent erreichten die Ostschweizer im November mit einem Minus von 7,9 Prozent bei weitem nicht. Dabei hat St. Gallen nach dem Tessin die höchste Ansteckungsquote. Auf 100'000 Einwohner wurden 401 Neuinfektionen vermeldet.
Zürich: Der Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser (59) wählte am Wochenende deutliche Worte: «Die Corona-Fallzahlen müssen jetzt auch in der Deutschschweiz und insbesondere in Zürich gesenkt werden», sagte der Wirtschaftsvertreter an die Adresse seiner Kantonsregierung. Im November vermochte der Kanton die Fallzahlen zwar um 9,5 Prozent zu senken, das Ziel einer Halbierung der Fallzahlen verfehlte er aber deutlich.
Zug: Zug schlängelt sich durch. Mit einer Reduktion der Fallzahlen um 12,7 Prozent im November bewegt sich Zug schweizweit im Mittelfeld. Der R-Wert lag Ende Monat knapp über 1. Wollen die Innerschweizer die Pandemie definitiv besiegen, müssen sie die Kontakte weiter reduzieren.
Basel-Stadt: 342 Corona-Fälle pro 100'000 Einwohner sind ziemlich viel. Doch die Basler wollen die Pandemie in die Knie zwingen: Seit dem 23. November bleiben die Restaurants und Bars am Rheinknie geschlossen. Basel-Stadt konnte die Infektionen denn auch deutlich stärker drücken als Nachbar Baselland.
Bern: Bern gelang es bis Ende November nicht wirklich, die Fallzahlen zu halbieren – die Reduktion betrug 17,2 Prozent. Nicht ohne Grund beschloss der Kanton daraufhin verschärfte Massnahmen: Gastrobetriebe müssen seit dem 30. November bereits um 21 Uhr die Türen schliessen. Ob damit die Fallzahlen gedrückt werden können, wird sich zeigen.
Luzern: Obwohl die Innerschweizer die Corona-Massnahmen bisher kaum verschärft haben, gelang es ihnen, die Fallzahlen um 18,8 Prozent zu drücken. Damit bewegt sich Luzern schweizweit im Mittelfeld. Grund zur Entspannung gibt es allerdings nicht: Denn im Kanton steckt ein Infizierter im Schnitt eine weitere Person an.
Glarus: Während die Glarner in der Woche vom 9. November 114 Neuinfektionen meldeten, waren es zwei Wochen später nur noch 86. Das Ziel der Taskforce hat Glarus zwar nicht ganz erreicht, der Kanton ist aber vergleichsweise stabil unterwegs – ohne zusätzliche Massnahmen.
Tessin: Auch das Tessin zog am Montag die Schraube an: Bars müssen ab Mittwoch um 19 Uhr schliessen, Restaurants um 22 Uhr. Und das ist auch dringend nötig, auch wenn der Kanton die Fallzahlen im Untersuchungszeitraum um knapp 30 Prozent senken konnte. Denn Ende November zählten die Tessiner schweizweit noch immer die höchsten Ansteckungszahlen: Auf 100'000 Einwohner steckten sich 427 mit dem Virus an.
Obwalden: Obwalden liegt wie Nachbar Nidwalden schweizweit im Mittelfeld. Der Kanton konnte die Fallzahlen im November innert zwei Wochen von 162 auf 101 senken, was einer Reduktion von 37,7 Prozent entspricht. Ein Grossteil der Ansteckungen fand dabei im grössten Altersheim des Kantons, der Residenz Schärme in Sarnen, statt: Im Heim wurden 33 Bewohner und 27 Mitarbeitende positiv auf das Virus getestet. Innert fünf Tagen starben sechs Senioren.
Nidwalden: Zwischen Mitte und Ende November sanken die Neuansteckungen in Nidwalden um 38,2 Prozent. Ein Lichtblick sind auch die vergleichsweise tiefen Todeszahlen: So starben im selben Zeitraum zwei Personen an Corona. Um die Ausbreitung des Virus zu stoppen, hatte die Nidwaldner Regierung am 4. November beschlossen, dass an Veranstaltungen nicht mehr als 30 Personen teilnehmen dürfen.
Jura: Der jurassischen Regierung gelang es, die Neuinfektionen innerhalb von zwei Wochen um 41,6 Prozent zu senken. Verantwortlich dafür dürfte insbesondere der Mini-Lockdown gewesen sein, der Anfang November von der Regierung verordnet wurde. Restaurants und Museen sind seitdem geschlossen.
Uri: Ziel fast erreicht! So lautet das Zeugnis, das die Taskforce den Urnern ausstellen würde. Im November konnten die Neuansteckungen im Kanton um 47,7 Prozent reduziert werden. Der R-Wert lag Ende Monat bei 0,76 – genau im Zielband, das Taskforce-Chef Martin Ackermann (49) vorgegeben hat.
Appenzell Innerrhoden: Ganz knapp schrammt der Ostschweizer Kanton am Ziel der Taskforce vorbei. Innerhalb von zwei Wochen konnte Appenzell Innerrhoden die Zahl der Neuinfektionen von 54 auf 28 drücken – also um 48,2 Prozent. Im Vergleich zu anderen Deutschschweizer Kantonen eine reife Leistung. Mit 174 Fällen pro 100'000 Einwohnern fährt der Halbkanton ebenfalls besser als die meisten – und das ohne zusätzliche Massnahmen. Wie nachhaltig das ist, wird sich zeigen: Der R-Wert des Kantons steigt nämlich wieder an.
Die Vorbilder
Neuenburg: Von 1251 auf 592 Neuinfektionen haben es die Neuenburger in einem halben Monat geschafft. Das entspricht einer Reduktion von 52,7 Prozent. Um das Gesundheitssystem zu entlasten, verschärfte der Kanton bereits am 4. November die Massnahmen. So mussten etwa Restaurants schliessen, und Zusammenkünfte mit mehr als fünf Personen wurden verboten. Andere Westschweizer Kantone reagierten ähnlich und hatten ebenso Erfolg. Allerdings war auch der Druck zu Handeln grösser – weil die Romandie ein Corona-Hotspot war.
Wallis: Das Wallis sieht wieder Licht am Ende des Tunnels. Dank rigoroser Corona-Massnahmen konnten sie die Fallzahlen zwischen Mitte und Ende November um 56,3 Prozent senken. Der R-Wert lag Ende November bei 0,79. Das heisst, dass sich das Virus nicht mehr exponentiell verbreitet. Traurig ist hingegen die Todesstatistik: Im Wallis starben im selben Zeitraum 78 Personen am Coronavirus.
Waadt: Entspannt sich die Lage am Genfersee: Die Waadt konnte die Fallzahlen im November mehr als halbieren (minus 61,4 Prozent). Dass der Kanton neu zu den Musterschülern gehört, dürfte insbesondere auf die knallharten Corona-Massnahmen in der Westschweiz zurückzuführen sein. Vor den Festtagen verstärkt die Regierung am Montag zudem das Contact Tracing. Das Ziel ist klar: Die Behörden wollen eine dritte Welle in der Romandie verhindern.
Genf: Um 62,7 Prozent konnten die Genfer die Fallzahlen innert zwei Wochen drücken. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr: Seit Anfang November befindet sich Genf in einem Mini-Lockdown. Ab dem 10. Dezember werden die Massnahmen jedoch wieder gelockert – bleibt zu hoffen, dass damit nicht auch die Fallzahlen wieder steigen.
Freiburg: Der absolute Musterschüler unter den Kantonen ist Freiburg: Während der Kanton Mitte November 2687 Neuansteckungen in einer Woche verzeichnete, kam er 14 Tage später nur noch auf 805 Neuansteckungen. Das entspricht einer Reduktion von 70 Prozent! Der R-Wert beläuft sich auf 0,77 – die Freiburger verhalten sich also ganz im Sinn der Taskforce.