So schnell kann es gehen. Noch vor einigen Wochen schien der ehemalige SVP-Chef Albert Rösti schon fast zu links, um die Nachfolge von Bundesrat Ueli Maurer (71) anzutreten. Zumindest im Vergleich zu seiner Konkurrenz, die aus Hardlinern wie dem Sicherheitspolitiker Werner Salzmann (60) bestand. Nett sei Rösti, umgänglich, hiess es. Das war nicht als Kompliment gemeint. Die Parteispitze hätte einen harten Hund bevorzugt.
Beim Volk kam Röstis Bodenständigkeit gut an: In einer Umfrage war er über alle Lager hinweg der klare Favorit für den zweiten SVP-Sitz im Bundesrat.
Rösti geniesst in der Bevölkerung nach wie vor hohe Sympathiewerte. Das zeigt eine aktuelle repräsentative Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo im Auftrag von SonntagsBlick, an der rund 12'000 Stimmberechtigte aus der Deutschschweiz und der Romandie teilnahmen. Sein Konkurrent, der Zürcher Rechtsprofessor und alt Nationalrat Hans-Ueli Vogt (52) liegt aber keineswegs abgeschlagen zurück. Konkret: Während Rösti auf einen Wert von 50 Prozent kommt, sind es bei Vogt 43 Prozent. Der Zürcher kann vor allem im links-grünen Lager punkten. So sprechen sich bei der Wählerschaft der Grünen gut zwei Drittel für Vogt aus. Auch in der SP und der GLP sind die Sympathien für Vogt deutlich grösser als für Rösti. Personen mit Uni-Abschluss haben ebenfalls eine klare Präferenz für Vogt (51 Prozent versus 38 Prozent für Rösti). Im bürgerlichen Lager hingegen bleibt Rösti der Favorit – mit 66 Prozent ist die Zustimmung bei Anhängerinnen und Anhängern der SVP am höchsten. Dank der Kandidatur von Hans-Ueli Vogt steht Albert Rösti nicht mehr unter dem Links-Verdacht.
Röstis Wahlchancen sind weiterhin grösser
Michael Hermann (50), Geschäftsführer von Sotomo, erklärt Vogts überraschende Popularität damit, dass dieser wie Rösti als «konzilianter Typ» wahrgenommen werde. Darüber hinaus sei er aber auch «Städter, schwul, für die Ehe für alle und ein Intellektueller».
Röstis Ansehen habe zudem Schaden genommen, seit die Medien seine zahlreichen Pöstchen zum Thema machten. «Seine Lobbytätigkeit für die Öl- und Autobranche dürften ihn im links-grünen Lager Sympathien gekostet haben», so Hermann. Es ist der Preis der Favoritenrolle. Aussenseiter Vogt wurde bisher wenig ausgeleuchtet – Rösti stand im medialen Fokus. Die Folge: Wählerinnen und Wähler von den Grünen bis zur GLP möchten Rösti auf keinen Fall im Umwelt- und Verkehrsdepartement (Uvek) sehen, wie die Umfrage ebenfalls zeigt. Bei der SP-Anhängerschaft sprechen sich ganze 84 Prozent gegen einen Umwelt- und Energieminister Rösti aus.
Trotz Vogts Beliebtheit im links-grünen Lager: Röstis Wahlchancen im Parlament sind weiterhin grösser. Denn um eine Chance auf einen Sieg zu haben, müsste Vogt das links-grüne Lager bis hin zur GLP geschlossen hinter sich wissen und auf einzelne Stimmen von Mitte, FDP oder SVP zählen können. Darauf weist derzeit wenig hin. Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus mehreren Parteien stellen vielmehr – einigermassen erstaunt – fest: Sie seien bisher von niemandem angegangen worden, für Vogt zu stimmen. Doch ohne externe Unterstützer wird es der Zürcher schwer haben.
Parlament sieht Vogt als schwache Figur
Hinzu kommt: Die Skepsis im Parlament ist gross, ob der Rechtsprofessor die Voraussetzungen für das Amt mitbringt. Selbst bei den Parlamentsmitgliedern von Links-Grün hält sich die Begeisterung für Vogt in Grenzen. «Jene, die für Vogt stimmen werden, tun dies einzig, um der SVP zu schaden», sagt eine Politikerin hinter vorgehaltener Hand. Denn der Zürcher wird als schwache Figur gesehen. Zudem – und das war in der medialen Berichterstattung bisher nur am Rande ein Thema – ist er der Vater der Selbstbestimmungs-Initiative. Sein Kampf gegen die «fremden Richter» wird ihm in den links-grünen Fraktionen die Herzen nicht eben zufliegen lassen.
Eine neue Rolle werden bei diesen Bundesratswahlen die Grünen spielen, die bisher noch nie einen SVP-Kandidaten zur Wahl empfohlen hatten. Präsident Balthasar Glättli (50) geht davon aus, dass seine Partei auch diesmal keine Empfehlung aussprechen wird. Doch spätestens im zweiten oder dritten Wahlgang dürften sich die Grünen gut überlegen, wer aus ihrer Sicht das kleinere Übel darstellt: Rösti oder Vogt. Und da hat Teamplayer Rösti, im Gegensatz zu Tennisspieler Vogt, auch im grünen Lager gute Chancen. Stadtzürcher hin oder her.