Der SVP-Übervater und sein Kandidat
Wie Rösti Blocher ein Schnippchen schlug

Der Bundesratsanwärter der SVP war nie Blochers Lieblingskind, wie eine Episode um seinen Rücktritt als Parteipräsident zeigt.
Publiziert: 20.11.2022 um 11:56 Uhr
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Aktualisiert: 23.11.2022 um 17:18 Uhr
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2015 übernahm Rösti (r.) von Toni Brunner (l.) das SVP-Präsidium.
Foto: Keystone
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Albert Rösti, Albert Rösti, Albert Rösti. Zweieinhalb Wochen vor den Bundesratswahlen dominiert der Berner Oberländer Gemeindepräsident, Nationalrat, Energiepolitiker und Vielfach-Lobbyist die Berichterstattung aus der Bundesstadt, erst recht, nachdem die SVP-Fraktion den 55-Jährigen am Freitag mit klarem Votum für die Nachfolge von Ueli Maurer (71) nominiert hat.

Sollte Rösti am 7. Dezember tatsächlich an seinem Zürcher Konkurrenten, dem Rechtsprofessor Hans-Ueli Vogt (52), vorbeiziehen und gewählt werden, wäre dies eine bemerkenswerte Note in der jüngeren Historie seiner Partei. Denn während Rösti unter der Bundeshauskuppel als Everybody’s Darling gilt, kann sein Verhältnis mit der eigenen Parteielite als kompliziert bezeichnet werden.
Zwar erhielt seine Kandidatur das Plazet von SVP-Patron Christoph Blocher (82), der Kandidat liegt auf Parteilinie, doch soll das nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit Rösti jemand Bundesrat würde, den eine wechselvolle Geschichte, eine Abfolge von Spielchen und Intrigen mit dem starken Mann der Partei verbindet. Der Höhepunkt ereignete sich im Dezember 2019, als Rösti dem Doyen aus Herrliberg ZH ein letztes Mal ein Schnippchen geschlagen hat.
Es war die Jahreszeit der kurzen Tage, in den Läden hing längst die Weihnachtsdeko, und der damalige Parteichef Rösti geriet intern unter Druck. Nicht zuletzt wegen der nationalen Wahlen im Oktober, als die SVP zwar mit Abstand stärkste Kraft geblieben war, aber schmerzliche Verluste verbuchen musste.

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«Rückhalt der Basis»

Blocher wollte noch vor den Festtagen die Sache geklärt haben. Worauf Rösti ein Aufgebot beim Chefstrategen erhielt. Wie weiter mit dem Parteipräsidium, lautete die Frage. Doch bauernschlau, wie der promovierte ETH-Agronom Rösti ist, dachte er einen Zug voraus, gab der Parteileitung einen Tag vor dem geplanten Treffen seinen Rücktritt bekannt und schuf damit Tatsachen. Am darauffolgenden Sonntag, dem 22. Dezember 2019, machte er sein Vorhaben in einem Interview mit dem SonntagsBlick publik. Dabei bemerkte Rösti vielsagend: «Ich habe den Rückhalt der Basis, und meine Wiederwahl im März wäre Formsache gewesen.» Von einem Rückhalt der Parteileitung war bezeichnenderweise nicht die Rede, und auf die zweimalige Frage der Journalisten über sein Verhältnis zu Blocher («Fühlten Sie sich noch von ihm getragen?») wich Rösti aus.

Freilich bestreitet die SVP-Prominenz die damalige Episode, die SonntagsBlick von bestens informierten Quellen geschildert wurde. Man will nach aussen die Reihen schliessen und nicht einen Bundesrat begrüssen, der einst das Alphatier ausmanövriert hatte. In den Tamedia-Zeitungen sagte Rösti gestern, es sei «normal», dass nach verlorenen Wahlen «ein gewisser Druck auf dem Präsidenten lastet», betonte aber zugleich, dass Blocher ihn «nicht zum Rücktritt gezwungen» habe – was auf schlitzohrige Art und Weise zutrifft, weil er einem solchen möglichen Entscheid zuvorgekommen war.

Sollte er am 7. Dezember gewählt werden, würde niemand mehr von der glücklosen Ständeratskandidatur 2015 reden, zu der er von der Partei gedrängt wurde, oder vom SVP-Präsidenten, unter dem die Partei wichtige Abstimmungen wie das Asylgesetz oder die erleichterte Einbürgerung verloren hatte, vom «Bürgerlichen Schulterschluss», der sich als Flop erwies, oder von Schlagzeilen wie jene im Blick: «Rösti macht aus der SVP Stocki.» Auch das Kesseltreiben der «Weltwoche» gegen den Mandatesammler Rösti («Hansdampf an allen Kassen») wäre wirkungslos geblieben.

Phönix aus der Asche

Aus dem Unglücksraben der SVP würde ein Phönix aus der Asche.
Rösti kann sich nur noch selber verhindern, wenn er in den Hearings mit den Fraktionen Fehler begeht – oder wenn die Linken und die Mitte aus Kalkül Vogt wählen werden, weil Rösti zu auffällig auf das wichtige Infrastrukturdepartement Uvek schielt. Manche Röstianer in der SVP befürchten, dass Teile der SP dem Zürcher Vogt die Stimme geben könnten, weil sie für den späteren Wahlgang den Weg für die Berner Genossin Evi Allemann (44) ebnen wollen.
Gewinnt Rösti, wäre das auch ein bisschen eine Rache an Christoph Blocher.

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