Noch ist die Corona-Pandemie nicht überstanden, doch Ende Jahr droht vielen Sonderhilfen das Aus. Auf der Kippe stehen die Härtefallregelung oder das vereinfachte Kurzarbeitsverfahren ebenso wie der Corona-Erwerbsersatz oder die Sporthilfen. Bis im Oktober will der Bundesrat seine Vorschläge vorlegen, welche Bestimmungen er im Covid-19-Gesetz in den Bereichen Gesundheit, Arbeitnehmerschutz, Sport und Kultur voraussichtlich bis Ende 2022 verlängern will.
Schon jetzt zeichnet sich ab, welche Sonderhilfen kippen sollen. Im Fokus stehen dabei die beiden SVP-Departemente – das Finanzdepartement von Ueli Maurer (70) sowie das Wirtschaftsdepartement von Bundespräsident Guy Parmelin (61).
In einer gemeinsamen Umfrage haben sie den Kantonen den Puls gefühlt. Die Auswertung liegt Blick vor. Demnach sprechen sich rund zwei Drittel der Kantone gegen die Weiterführung der Härtefallmassnahmen für ungedeckte Fixkosten aus. Ein guter Teil der betroffenen Unternehmen sei bereits ausreichend unterstützt worden, so der Tenor. Zudem habe sich das Instrument als «äusserst komplex, schwierig und aufwendig» erwiesen.
Eine «knappe Mehrheit» der Kantone stellt sich auch gegen die Fortführung des vereinfachten Kurzarbeitsverfahrens, die die betroffenen Unternehmen administrativ massiv entlastet hat. Von einer Verlängerung will der Bundesrat in diesem Bereich nichts wissen, stattdessen ist von einer Rückkehr in den Normalzustand die Rede. Zudem soll auch der Schutzschirm für Publikumsanlässe Ende April 2022 fallen.
Gewerbe-Bigler: «Falsch und verfrüht»
Der Entscheid sorgt für Ärger bei den Sozialpartnern, denn diese wurden nicht einmal angehört. «Das ist störend», sagt Gewerbeverbands-Direktor Hans-Ulrich Bigler (63) zu Blick. Für ihn ist klar, dass der Verlängerungsentscheid von den Corona-Massnahmen abhängen muss. «Die Ausweitung der Zertifikatspflicht bedeutet eine Einschränkung für viele Betriebe, deren Auswirkungen noch nicht absehbar sind – gerade auch, was mögliche Einbussen betrifft», so Bigler.
Erst, wenn die Massnahmen beendet würden, könne man auch bei den Sonderhilfen in den Normalzustand zurückkehren. «Im jetzigen Zeitpunkt wäre es daher falsch und verfrüht, die Hilfen einfach auslaufen zu lassen.» Wenn nötig, werde man in der Wintersession entsprechend intervenieren.
Der Branchenverband Gastrosuisse wiederum wird sich am Dienstag mit der Problematik befassen und «allfällige Forderungen besprechen», wie es auf Anfrage heisst.
Unverständnis bei Gewerkschaftsbund
Auf Unverständnis stösst der Entscheid beim Gewerkschaftsbund: «Wir wissen nicht, wie die Krise weiter verläuft. Daher wäre es verfehlt, ohne Not auf bewährte Instrumente zu verzichten», sagt SGB-Chefökonom Daniel Lampart (53). Beim normalen Kurzarbeitsverfahren beispielsweise seien selbst mittlere und grosse Firmen teils schon überfordert. «Wenn Restaurants oder Fitnesscenter dieses ab nächstem Jahr anwenden müssen, werden sie die Arbeitslosenkassen mit Anfragen überfluten oder aufgeben. Damit droht ein unnötiger Stellenabbau.»
Auch in den anderen Bereichen ist noch vieles im Fluss. So ist etwa offen, ob auch der Sport weiterhin auf Sonderhilfen zählen darf, was im Verteidigungsdepartement von Viola Amherd (59) vorgespurt wird. Ebenso steht der Corona-Erwerbsersatz zur Debatte, den das Innendepartement von Alain Berset (49) verantwortet.
Rytz will Verlängerung bis Mitte 2022
Bereits ist klar, dass das Auslaufen der Sonderhilfen nicht einfach so hingenommen wird. In der Wintersession wird sich das Parlament im Dringlichkeitsverfahren mit der Frage beschäftigen, wenn die Gesetzesrevision auf dem Tisch liegt. «Wegen der weiterhin notwendigen Schutzmassnahmen sind noch immer viele KMU in einer schwierigen Situation – besonders im Eventbereich, im Tourismus oder im Schaustellergewerbe», sagt Grünen-Nationalrätin Regula Rytz (59, BE).
Es brauche weiterhin eine gesetzliche Grundlage, um auf die jeweilige Situation in einzelnen Branchen und auf mögliche Verschlechterungen reagieren zu können. «Wir werden deshalb die Verlängerung der Wirtschaftshilfen bis Mitte 2022 beantragen», so Rytz. Und sie macht klar: «Der finanzielle Spielraum ist da, denn die bewilligten Gelder wurden bei weitem nicht ausgeschöpft.»