Verteidigungsministerin wegen Sicherheitspolitik in der Kritik
Nutzt Amherd die Kommission nur, um ihren Kurs zu stützen?

Der Ukraine-Krieg hat vieles verändert. Viola Amherd hat extra eine Kommission eingesetzt, die die künftige Sicherheitspolitik neu denken sollte. Parallel dazu aber schuf die Verteidigungsministerin immer mehr Fakten. Das sorgt für Ärger.
Publiziert: 29.08.2024 um 11:29 Uhr
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Aktualisiert: 29.08.2024 um 14:19 Uhr
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Verteidigungsministerin Viola Amherd steht immer wieder im Gegenwind.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Viola Amherd steht wegen Alleingängen in der Kritik
  • Eine Studienkommission bestätigt nun ihren Kurs
  • Sogar Mitglieder kritisieren, die Kommission sei nur für die Galerie
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Verteidigungsministerin Viola Amherd (62) steht vermehrt im Gegenwind. Das Parlament stört sich an ihren regelmässigen Alleingängen – Schritt für Schritt in Richtung Nato.

Um nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs die künftige Sicherheitspolitik der Schweiz breit abzustützen, hat das Verteidigungsdepartement (VBS) vor einem Jahr eine Studienkommission präsentiert – mit Vertretern aller Parteien, Historikern oder Philosophinnen. Ihre Aufgabe: Sie soll die künftige sicherheitspolitische Strategie neu denken und mitgestalten. Nun liegt ihr Bericht mit über 100 Empfehlungen vor. Nur: Sogar innerhalb der Kommission ist das Papier umstritten.

Kritik: Kommission solle nur bisherigen Kurs stützen

In ihrem 68-seitigen Bericht empfiehlt die Kommission etwa, die Neutralitätspolitik stärker an die Uno-Charta auszurichten, die zwischen Aggressor und Opfer mit dem Recht zur Selbstverteidigung unterscheidet. Zudem solle die Schweizer Armee enger mit Nato und EU kooperieren. Parallel dazu sei das Verbot der Wiederausfuhr von Schweizer Kriegsmaterial gegenüber klar definierten westlichen Staaten zu lockern.

Weiter soll das Armeebudget schon bis 2030 auf 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts erhöht werden. Und: Der Armee-Sollbestand soll erhöht werden, indem Doppelbürger hierzulande Militärdienst leisten müssen.

Das Ergebnis erstaunt wenig. Schon Ende 2023 hatten sogar Mitglieder im Blick geargwöhnt, Amherd habe die Kommission so zusammengesetzt, dass auch möglichst das erwünschte Resultat herauskommt. Soll heissen: Die Mitte-Bundesrätin nutze die Kommission einzig als Feigenblatt, um ihren Kurs zu stützen. Ab jetzt könne sich Amherd stets darauf berufen.

«Der Verdacht hat sich bestätigt»

«Formal war die Kommission eine Farce», urteilt etwa Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter (43). Themen seien einseitig gesetzt, Diskussionen verweigert worden. «Der Verdacht, dass einzig Amherds Kurs unterstützt werden soll, hat sich bestätigt.» Das sieht SVP-Ratskollege Thomas Hurter (60) ähnlich und spricht von einem «Gefälligkeitsgutachten». Denn ansonsten hätten vertiefte Diskussionen über den Tellerrand hinaus gefehlt.

Tatsächlich konnten die Parteien von 22 Kommissionsmitgliedern nur 6 stellen. Den Rest wählte Amherd selber aus, wobei Neutralitätsskeptiker, Nato-Sympathisantinnen und EU-Befürworter die Mehrheit bilden. Das ging so weit, dass selbst über einen Nato-Beitritt diskutiert, dieser aber dann doch von einer Mehrheit abgelehnt wurde. Die Weichen waren also von Anfang an gestellt.

Und: Amherd schien nie vorzuhaben, den jetzigen Bericht abzuwarten. Denn in der Zwischenzeit krempelte sie die Sicherheitspolitik munter nach ihrem Gusto um. So gab die VBS-Chefin schon vor einem Jahr bekannt, dem europäischen Luftverteidigungssystem Sky Shield beitreten zu wollen. Auch an ihren Plänen fürs neue Staatssekretariat für Sicherheitspolitik (Sepos) hielt sie allen Bedenken zum Trotz unbeirrt fest.

Amherd krempelt das VBS munter nach ihrem Gusto um

Erst vor wenigen Tagen folgte der Bundesrat Amherd erneut: Die Schweiz soll militärisch enger mit der EU kooperieren und künftig an zwei Projekten der EU-Verteidigungsinitiative Pesco teilnehmen – ob es dem Parlament passt oder nicht.

Dabei hat der Nationalrat gerade erst ein klares Zeichen gegen eine zu enge Anbindung an die Nato gesetzt: Die Schweiz darf sich nicht an Übungen beteiligen, die den Bündnisfall trainieren. Also an Übungen für den Fall, dass ein Nato-Mitgliedsstaat angegriffen wird. Der Ständerat hat sich dazu noch nicht geäussert.

«Weiss nicht, was man noch mehr hätte machen können»

Von einer einseitigen Zusammenstellung der Kommission will Amherd hingegen nichts wissen. «Die meisten Experten kenne ich nicht einmal persönlich, weiss also nicht, was sie für einen politischen Hintergrund haben», erklärte sie am Donnerstag vor den Medien. Es seien alle Meinungen im Bericht abgebildet. «Ich weiss nicht, was man noch mehr hätte machen können», so Amherd. In dem Bericht seien denn auch Empfehlungen von allen Seiten enthalten.

Auch betont das VBS, dass die Arbeit der Kommission mit der aktuellen Sicherheitspolitik gar nichts zu tun hat. Grundlage sei hierzu nach wie vor der Sicherheitspolitische Bericht 2021. Die Kommission solle Impulse für die Ausarbeitung des nächsten Berichts 2025 liefern. Doch: Bis dahin schaffe Amherd bereits viele Fakten, murrten Kommissionsmitglieder damals.

Beim Murren ist es nicht geblieben. Während andere nur damit drohten, hatte Christian Catrina (67), ehemaliger Chef Sicherheitspolitik im VBS, als Berichterstatter der Kommission das Handtuch geworfen. Und auch SP-Nationalrat Pierre-Alain Fridez (66) hat die Kommission noch vor Abschluss der Arbeiten verlassen, bestätigt er einen Bericht von «Le Temps».

«Während wir die künftige Ausrichtung der Sicherheitspolitik diskutiert haben, fällte Amherd laufend neue Richtungsentscheide», heisst es aus der Kommission. «Sie scheint sich um ihre Studienkommission zu foutieren.»

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