Parlament hat bei EU-Kooperation nichts zu sagen
Amherds Alleingang stösst Nationalräte vor den Kopf

Die Schweizer Armee soll künftig an EU-Programmen zur gemeinsamen Verteidigung teilnehmen, so der Plan von Verteidigungsministerin Viola Amherd. Nationalrätinnen und Nationalräte fühlen sich übergangen.
Publiziert: 31.07.2024 um 10:54 Uhr
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Aktualisiert: 31.07.2024 um 14:02 Uhr
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Verteidigungsministerin Viola Amherd beantragt dem Bundesrat die Teilnahme an zwei Programmen der EU-Verteidigungsinitiative Pesco.
Foto: Keystone
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Verteidigungsministerin Viola Amherd (62) hat es schon mehrfach angekündigt. Nun setzt sie die Ankündigung in die Tat um: Die Schweiz soll militärisch enger mit der EU kooperieren und künftig an zwei Projekten der EU-Verteidigungsinitiative Pesco teilnehmen. Wie der «Tages-Anzeiger» schreibt, hat Amherd entsprechende Pläne in die interne Konsultation geschickt. Am Ende muss der Gesamtbundesrat entscheiden.

Pesco steht für Permanent Structured Cooperation – ständige strukturierte Zusammenarbeit – und besteht aus Dutzenden Projekten, mit denen die Verteidigungsfähigkeit der EU gestärkt werden soll. Aber auch Drittstaaten wie die Schweiz können sich Projekten anschliessen.

Gemeinsame Cyber-Übungen

Einerseits will Amherd ausländischen Truppen erleichtern, die Schweizer Grenzen zu überqueren. Das entsprechende Programm wird auch «Schengen der Streitkräfte» genannt. Damit sollen grenzüberschreitende Truppentransporte vereinfacht werden – wobei das nicht heisst, dass bewaffnete ausländische Truppen im Falle eines Kriegs einfach ungehindert durch die Schweiz reisen könnten.

Das zweite Programm sieht gemeinsame Übungen zur Cyberabwehr vor. Auch die Ukraine will die Zusammenarbeit mit der EU in diesem Bereich stärken, was bedeutet, dass Schweizer Cybersoldaten künftig mit ukrainischen Kollegen den Ernstfall proben könnten.

Das Verteidigungsdepartement streicht laut «Tages-Anzeiger» in einem internen Dokument hervor, dass die Teilnahme an den Programmen mit dem Schweizer Neutralitätsrecht vereinbar sei. Pesco bringe für die Schweiz «keine rechtlich verbindlichen Verpflichtungen oder De-facto-Abhängigkeiten mit sich, die es der Schweiz verunmöglichen würden, ihre neutralitätsrechtlichen Pflichten einzuhalten».

Nationalrätinnen und Nationalräte sind sauer

Auch wenn Pesco direkt nichts mit der Nato zu tun hat, bedeutet Amherds Vorhaben doch eine weitere Annäherung ans westliche Verteidigungsbündnis. Das ist insofern bemerkenswert, als dass der Nationalrat eben erst ein klares Zeichen gegen eine zu enge Anbindung gesetzt hat. Die Schweiz darf sich nicht an Nato-Übungen beteiligen, die den Bündnisfall trainieren, entschied der Nationalrat vergangenen Juni. Also an Übungen für den Fall, dass ein Nato-Mitgliedsstaat angegriffen wird. Der Ständerat hat sich dazu noch nicht geäussert.

SVP-Nationalrat Mauro Tuena (52) hält es für höchst problematisch, dass Amherd trotz des klaren Signals des Nationalrats nun diesen Schritt macht. Er kritisiert, dass die Verteidigungsministerin die Pesco-Teilnahme ohne Mitsprache des Parlaments beschliessen will. Die Sicherheitspolitischen Kommissionen sollen lediglich informiert werden, etwas zu sagen haben National- und Ständerat nicht.

«Das ist unverschämt»

«Das ist unverschämt, gerade vor dem Hintergrund des Entscheids des Nationalrats zu den Nato-Übungen», sagt Tuena zu Blick. Auch die Teilnahme an der «European Sky Shield»-Initiative, einem satellitenüberwachten Schutzschirm über dem europäischen Luftraum, hatte der Bundesrat im Alleingang beschlossen – trotz Protest der Sicherheitspolitikerinnen und -politiker im Nationalrat.

Auch bei den Linken sorgt das Vorgehen Amherds für Unverständnis. Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter (43) sagt, sie finde es zwar grundsätzlich sinnvoll, wenn die Schweiz an den zwei Pesco-Programmen teilnimmt. Aus ihrer Sicht ergibt eine Kooperation in diesen Bereichen Sinn. «Doch, dass das Parlament nicht mitreden darf, ist stossend», sagt die Sicherheitspolitikerin.

Andrea Gmür (60) hingegen, Luzerner Mitte-Ständerätin und Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats, verteidigt ihre Parteikollegin Amherd. «Ich bin froh, dass Bundespräsidentin und Verteidigungsministerin Amherd unsere Sicherheit stets im Fokus hat. Es ist in unserem Sinn, dass unsere Verteidigungsfähigkeit möglichst rasch gestärkt wird», sagt sie. Der Bundesrat habe die Kompetenz, einen solchen Entscheid eigenständig zu fällen. «Selbstverständlich werden wir seitens sicherheitspolitischer Kommission immer wieder informiert. Dieser Austausch erfolgt permanent», so Gmür. Aus ihrer Sicht ist dies ausreichend. 

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