Verhandlungen mit der EU
Die Schweiz hat die Unterstützung ihrer Nachbarn verloren

Bisher hatte sich die Schweiz in den Verhandlungen mit der Europäischen Kommission immer auf ihre Nachbarn verlassen können. Blick weiss: Damit ist Schluss. Auch unsere wichtigsten Partner sagen: «Fertig mit à la carte!»
Publiziert: 19.10.2024 um 00:05 Uhr
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Aktualisiert: 19.10.2024 um 10:16 Uhr
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Ist es für Ignazio Cassis (l.) und den Bundesrat noch möglich, den EU-Unterhändler Maros Sefcovic zu Zugeständnissen zu bewegen?
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Schweiz will Schutzklausel, EU lehnt ab
  • Schweiz zunehmend isoliert wegen Kompass-Initiative gegen EU-Abkommen
  • Luxemburgischer Aussenminister: EU ist kein Menü à la carte
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Richard Werly

Für die Schweiz ist sie nicht verhandelbar: Sie will eine Schutzklausel, um bei einem massiven Zustrom von EU-Arbeitskräften die Zuwanderung begrenzen zu können. Bloss: Die EU lehnt eine solche ab. Die 27 EU-Mitgliedstaaten haben dies am Dienstag in Luxemburg erneut sehr deutlich gemacht. Die EU erklärt, dass Länder im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) nicht so viele Sonderregeln haben könnten, wie die Schweiz dies verlangt.

Die Schweiz gerät damit zunehmend in eine isolierte Position. Warum? Ein Grund ist die laufende Kompass-Initiative, die gegen das EU-Rahmenabkommen kämpft. Sie verschärft das politische Klima zwischen der Schweiz und der EU. Jean Russotto, Schweizer Anwalt in Brüssel, der sich seit 30 Jahren mit bilateralen Fragen beschäftigt, sagt: «Kein EU-Mitgliedstaat wird eine einseitige Schutzklausel akzeptieren.»

Für ihn ist auch klar: Bern muss nun dringend eine Einigung anstreben. «Die EU-Staaten wollen weiterhin über neue bilaterale Abkommen verhandeln, solange das Gesamtpaket ausgewogen bleibt.» Allerdings fehle ihnen noch eine Antwort aus Bern auf die Forderung nach erneuten Kohäsionsbeiträgen.

Blocher: «Dann kommt das Abkommen halt nicht zustande»

Unbeeindruckt angesichts der deutlichen Töne aus Brüssel zeigt sich SVP-Übervater Christoph Blocher (84). Es sei doch klar, dass die EU-Staaten gegen eine Ausnahmeregel mit einer einseitigen Schutzklausel für die Schweiz seien. «Die denken sich: Wenn wir keine bekommen, sollen die auch keine haben», sagte Blocher in der Sendung «Teleblocher» vom Freitag.

«Jetzt herrscht in Bern der grosse Katzenjammer», dabei ändere das Njet der EU-Minister gar nichts an der Ausgangslage, findet Blocher. «Dann kommt das Abkommen halt nicht zustande. Wir haben ja schon jetzt geordnete Zustände mit der EU.»

«Die EU hat immer gedroht: Wenn ihr das nicht unterschreibt, dann werdet ihr sehen, was passiert», so Blocher. Das sei schon beim letzten gescheiterten Rahmenabkommen so gewesen. Strafmassnahmen bei Börsenäquivalenz oder Medizintechnik aber seien wirkungslos verpufft, teilweise habe die Schweiz gar profitiert.

Das sei auch dem Bundesrat klar. Dennoch sei zu befürchten, dass dieser letztlich einknicken werde. Die Regierung werde auf Nebensächlichkeiten verweisen, bei denen die EU eingelenkt haben solle. Ohne klare Regeln für die Zuwanderung aber hätte ein Abkommen vor dem Volk keine Chance, bleibt Blocher überzeugt.

Unbeeindruckt angesichts der deutlichen Töne aus Brüssel zeigt sich SVP-Übervater Christoph Blocher (84). Es sei doch klar, dass die EU-Staaten gegen eine Ausnahmeregel mit einer einseitigen Schutzklausel für die Schweiz seien. «Die denken sich: Wenn wir keine bekommen, sollen die auch keine haben», sagte Blocher in der Sendung «Teleblocher» vom Freitag.

«Jetzt herrscht in Bern der grosse Katzenjammer», dabei ändere das Njet der EU-Minister gar nichts an der Ausgangslage, findet Blocher. «Dann kommt das Abkommen halt nicht zustande. Wir haben ja schon jetzt geordnete Zustände mit der EU.»

«Die EU hat immer gedroht: Wenn ihr das nicht unterschreibt, dann werdet ihr sehen, was passiert», so Blocher. Das sei schon beim letzten gescheiterten Rahmenabkommen so gewesen. Strafmassnahmen bei Börsenäquivalenz oder Medizintechnik aber seien wirkungslos verpufft, teilweise habe die Schweiz gar profitiert.

Das sei auch dem Bundesrat klar. Dennoch sei zu befürchten, dass dieser letztlich einknicken werde. Die Regierung werde auf Nebensächlichkeiten verweisen, bei denen die EU eingelenkt haben solle. Ohne klare Regeln für die Zuwanderung aber hätte ein Abkommen vor dem Volk keine Chance, bleibt Blocher überzeugt.

Grossbritannien als Vermittler

Spannend: Das Schicksal der Schweiz hängt auch mit Grossbritannien zusammen. Nach dem Brexit-Zwist sucht die Labour-Regierung um den britischen Premierminister Keir Starmer (62) im Verhältnis zur EU gerade den «Reset», also einen Neustart. Ein mögliches Ergebnis könnte auch die EU-Verhandlungen mit der Schweiz betreffen.

Ein französischer Diplomat merkt allerdings an, dass die EU hier strikte Disziplin wahre und es an der Schweiz liege, klar zu sagen, was sie akzeptieren könne, um weiterhin Zugang zum EU-Markt zu haben.

Unerwartete Forderungen zur falschen Zeit

Russotto betont, dass die Schweizer Forderungen zur Personenfreizügigkeit zu einem ungünstigen Zeitpunkt kämen. In Brüssel herrsche Überdruss am Dossier. Versuche, die EU zu spalten, würden nicht mehr funktionieren.

Diese Woche dauerten die Diskussionen zu den Verhandlungen mit der Schweiz fast eine Stunde, ohne dass Differenzen zwischen den Mitgliedstaaten festzustellen waren. Deutschland, Frankreich und andere Länder unterstützen die harte Haltung der EU-Kommission. Acht Mitgliedstaaten, darunter Frankreich, Belgien und Ungarn, fordern ein Ergebnis bis Ende Jahr – selbst im Fall eines Scheiterns.

Schwierige Nachbarschaft

Was bedeuten die engen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen der Schweiz und ihren Nachbarn? Tausende Grenzgänger aus Frankreich, Deutschland und Italien arbeiten in der Schweiz. Doch politische Entwicklungen wie der Wahlsieg der Rechtspopulisten in Österreich beeinflussen diese Annäherungen. Experte Gilbert Casasus vermutet, dass europaskeptische Politiker in Österreich eine Annäherung der EU an die Schweiz blockieren könnten.

Auch Deutschland spielt ein doppeltes Spiel. Es gibt sich gegenüber den EU-Partnern tugendhaft, verteidigt aber gleichzeitig seine eigenen Interessen an der Schweiz. Etwa beim Forschungsprogramm «Horizon Europe». Denn: Die Schweiz gilt als innovativstes Land Europas, davon wollen auch andere profitieren. Trotzdem hat sich Berlin in Luxemburg nicht für die Forderungen der Schweiz eingesetzt.

Der luxemburgische Aussenminister Xavier Bettel (51) brachte es auf den Punkt: «Die EU ist kein Menü à la carte.» Man könne sich nicht die besten Teile heraussuchen und die weniger angenehmen abwählen. Die EU bleibt hart in ihrer Position. Für die Schweiz, besonders für ihre Wirtschaft, gibt es allerdings kaum Alternativen zur Zusammenarbeit mit der EU.

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