Unerwartete Kehrtwende
Bundesrat will plötzlich Russen-Gelder konfiszieren

Der Bundesrat will nun plötzlich doch prüfen, gesperrte russische Staatsgelder zu konfiszieren und für den Ukraine-Wiederaufbau einzusetzen. Er stimmt einem parlamentarischen Vorstoss zu – und vollzieht damit noch einen überraschenden Strategiewechsel.
Publiziert: 27.05.2023 um 09:57 Uhr
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Der Schaden in der Ukraine durch russische Angriffe wird auf etwa 2000 Milliarden Dollar beziffert.
Foto: imago/Ukrinform
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Im Bundesrat scheint derzeit das grosse Umdenken stattzufinden. Am Mittwoch stimmte er plötzlich dafür, 25 eingemottete Leopard-Panzer ausser Dienst zu stellen, um sie an Deutschland weitergeben zu können. Bisher verweigerte er aus Neutralitätsgründen sowohl die Weitergabe von Schweizer Kriegsmaterial an die Ukraine als auch sogenannte Ringtausche.

Nun zeigt sich die Regierung plötzlich auch offen dafür, in der Schweiz eingefrorene russische Staatsgelder für den Ukraine-Wiederaufbau zu verwenden. Auch das ist ein Paradigmenwechsel. Zwar hatte sich FDP-Aussenminister Ignazio Cassis (62) am Rande des WEF in Davos offen für Lösungen zeigt – wurde aber sofort vom Bundesrat zurückgepfiffen. Dieser stellte sich auf den Standpunkt, dass dies gegen die Verfassung verstosse. Diese schütze das Recht auf Eigentum.

Es geht nur um staatliche oder staatsnahe Gelder

Nun aber erklärt sich der Bundesrat bereit, aktiv zu werden und sich auf internationaler Ebene für die Grundlagen von Reparationszahlungen zugunsten eines völkerrechtswidrig angegriffenen Staates wie der Ukraine einzusetzen. Die Schäden an der dortigen Infrastruktur werden von der Weltbank auf rund 2000 Milliarden Dollar geschätzt.

Zu zahlen wären die Gelder aus dem Staatsvermögen des kriegsführenden Aggressors. Und weil die Schweiz nicht nur private, sondern auch staatliche oder staatsnahe Russen-Guthaben eingefroren hat, liegt es nahe, diese für den Wiederaufbau in der Ukraine zu verwenden. So hält alleine die Zentralbank der Russischen Föderation in der Schweiz Reserven von rund 7,4 Milliarden Franken.

Der Bundesrat unterstützt daher den Vorstoss mit genau dieser Forderung nach einem Mechanismus für Reparationszahlungen. Eine Gruppe von Nationalräten von FDP bis Grünen hat diesen gleich in fünffacher Version eingereicht, um die breite Abstützung zu unterstreichen. Rund 60 Ratsmitglieder haben mitunterzeichnet.

«Eine nicht deklarierte Strategieänderung»

«Das ist ein schöner überparteilicher Erfolg», freut sich Grünen-Nationalrat Gerhard Andrey (47). Mit dem gewichtigen Finanzplatz und international anerkannter Diplomatie könnte die Schweiz beim Wiederaufbau der Ukraine eine wichtige Rolle spielen. «Wir erwarten jetzt aber auch, dass der Bundesrat eine aktive Rolle übernimmt», so Andrey.

Überrascht von der Offenheit des Bundesrats zeigt sich FDP-Nationalrat Kurt Fluri (67): «Das hätte ich nicht erwartet. Für mich ist das eine nicht deklarierte Strategieänderung des Bundesrats.» Dieser setze sich damit auch unter Druck, tatsächlich aktiv zu werden, so Fluri. Natürlich aber könne die Schweiz ein solches Unterfangen aber nicht alleine stemmen. Es brauche internationale Zusammenarbeit.

Der Bundesrat hat auch nicht vor, alleine vorzupreschen. So tönt Helene Budliger Artieda, Staatssekretärin für Wirtschaft, gegenüber CH Media an, dass auf internationaler Ebene zur Debatte stehe, die russische Zentralbank zu enteignen oder wenigstens die Zinsen, die auf deren Milliarden anfallen, für den Wiederaufbau einzusetzen. Der Bundesrat wolle sich hier einbringen, kündigt er jetzt erstmals an.

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