Die Ankündigung sorgt bei Schweizer Sicherheitspolitikern für Knieflattern: Deutschland will die Munition für den Flugabwehrpanzer Gepard künftig wieder selber produzieren. Die Armeefreunde befürchten, dass weitere Nato-Staaten auf Schweizer Munition verzichten könnten – zum Schaden der einheimischen Rüstungsindustrie.
Die Sorgen sind umso grösser, als Rheinmetall in Deutschland eine neue Munitionsfertigung aufbaut. Das Rüstungsunternehmen stellte bisher in der Schweiz die umstrittene Gepard-Munition her. Stellt die Firma seine Produktion in der Schweiz nun ein? Spielt es sogar mit dem Gedanken, das Land ganz zu verlassen?
«Verlagerung aus der Schweiz ist nicht vorgesehen»
Doch nun können Schweizer Sicherheitspolitiker aufatmen. Aus der Hauptzentrale in Düsseldorf (D) kommt vorerst Entwarnung. «Der in den Medien viel beachtete Aufbau einer weiteren Mittelkaliber-Munitionsproduktion in Deutschland erfolgt, um zusätzliche Kapazitäten zu schaffen», versichert Kommunikationsleiter Oliver Hoffmann auf Anfrage. Und vor allem: «Eine Verlagerung aus der Schweiz ist nicht vorgesehen.»
Auf politischer Ebene und mit Partnern aus der Industrie würden weiter Gespräche stattfinden. «Wir sind optimistisch, dass es eine für alle Seiten tragbare Lösung geben wird», erklärt der Sprecher der deutschen Waffenschmiede.
Berlin will nicht mehr von Bern abhängig sein
Das tönt zuversichtlicher als auf politischer Ebene. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs giftelt Berlin gegen den Bundesrat. Mehrfach lehnte dieser aus Neutralitätsgründen Anfragen für den Weiterexport von Schutz- und Kriegsmaterial ab. Darunter fällt auch die umstrittene Gepard-Munition, die Rheinmetall an Standorten in der Schweiz produziert.
Die deutsche Regierung um Bundeskanzler Olaf Scholz (64) hat die Nase mittlerweile voll. Wenn sie in Kriegszeiten keine Schweizer Munition nutzen kann, dann will sie eben keine Schweizer Munition mehr.
Deutschland werde wieder selber in die Produktion von Munition für den Flugabwehrpanzer Gepard einsteigen. Das erklärte Verteidigungsminister Boris Pistorius (62) am Dienstagmorgen vor dem Nato-Verteidigungsministertreffen in Brüssel. «Die Verträge für die Produktion von Gepard-Munition sind unterschrieben», so der SPD-Politiker. Man habe sich zu diesem Schritt entschieden, um nicht von der Schweiz abhängig zu sein.
Verstimmung auch andernorts
Auch andernorts sorgt die Schweizer Zurückhaltung für Verstimmung. Weil die Ukraine Kriegspartei ist, durfte Dänemark keine Schweizer Piranha-Radschützenpanzer weitergeben, Belgien könnte dasselbe blühen.
Spanien wiederum bleibt auf zwei aus der Schweiz stammenden 35-mm-Flugabwehrkanonen hocken. Deshalb kritisierte Verteidigungsministerin Margarita Robles (66) die Schweiz scharf. Vor spanischen Diplomaten erklärte sie vor kurzem, sie respektiere die Schweizer Neutralität, doch durch die Schweizer Gesetzgebung werde Spanien daran gehindert, «sich an einer legitimen Verteidigung gegen die ungerechte, illegale und grausame russische Invasion» in der Ukraine zu beteiligen.
Auf wirtschaftlicher Ebene scheinen also Lösungen möglich zu sein. Auf diplomatischer Ebene aber dürfte das noch eine Weile dauern.