Top-Kandidaten fürs SVP-Präsidium machens nicht gratis
Muss Blocher den Parteichef zahlen?

Die SVP hat ein Problem: Sie findet keinen geeigneten Nachfolger für den abtretenden Parteichef Albert Rösti. Diejenigen, die wollen, sind Parteiübervater Christoph Blocher nicht genehm. Die anderen sagen ab. Helfen soll nun ein Griff in die Herrliberger Münz-Schatulle.
Publiziert: 12.06.2020 um 23:23 Uhr
|
Aktualisiert: 30.07.2020 um 19:14 Uhr
1/16
Christoph Blocher will die, die ins Präsidium wollen, nicht. Und die, die er will, wollen selbst nicht ins Präsidium.
Foto: Benjamin Soland
Pascal Tischhauser

Christoph Blocher (79) hat ein «Hans im Schnäggeloch»-Problem: Der SVP-Übervater hat alles, was er will. Nämlich mehrere Kandidaten fürs höchste SVP-Parteiamt – die Nationalräte Andreas Glarner (57) und Alfred Heer (58).

Doch wie der Hans im Kinderlied hat der Christoph in der Realität eben doch nicht das, was er wirklich will. Er hat keinen zweiten Toni Brunner (45), der SVP-Präsident werden könnte. Wunschkandidat und Landwirt Marcel Dettling (39) mag nicht. Und Glarner und Heer sind Blocher nicht genehm.

Ein Stabschef ist gefunden

Was nun? Die SVP sucht und sucht. Gefunden hat die Partei Franz Grüter (56). Der Luzerner IT-Unternehmer möchte aber ebenfalls nicht zuoberst an die Parteispitze. Grüter übernimmt die Rolle des neu geschaffenen Stabschefs.

Die Personalie Grüter macht die Suche nach der Nachfolge des abtretenden Parteipräsidenten Albert Rösti (52) allerdings nicht einfacher. Ein neuer SVP-Chef möchte vielleicht die eine oder andere Vertrauensperson mitbringen und nicht schon einen in der Parteizentrale sitzen haben, der im Ruf steht, Blochers Aufpasser zu sein.

Angesprochen auf seine ungewöhnliche Rolle, wehrt sich IT-Unternehmer Grüter: «Ich bin unabhängig von Herrliberg und stehe dem neuen Präsidenten oder der neuen Präsidentin als Stabschef zur Seite, aber nicht im Weg.» Er sehe seine Arbeit in erster Linie als Unterstützung und Verteilung der Last auf mehrere Schultern.

Am Samstag hielt Baader Hof

Nach einem Unterbruch wegen Corona hat die Präsidenten-Findungskommission ihre Arbeit wieder aufgenommen. Am vergangenen Samstag empfing sie mehrere mögliche Kandidaten. Welche und wie viele, sagt Kommissionschef Caspar Baader (66) nicht. Der frühere Fraktionschef betont, es gebe noch keine Entscheide. Er sei aber «zuversichtlich», dass man auf die Delegiertenversammlung vom 22. August eine Kandidatur fürs Präsidium präsentieren könne.

Sicher ist er jedoch nicht. Vielleicht wird es doch Oktober, bis die SVP einen oder mehrere Bewerber präsentieren kann. Stand heute ist nicht einmal klar, ob es eine Auswahl geben wird oder nur ein einziger Kandidat abgenickt werden soll.

Gutjahr gab Baader einen Korb

Laut BLICK-Informationen ist bei der SVP die Verzweiflung gross. Auch sehr unerfahrene Mitglieder der Bundeshausfraktion sollen letzte Woche von der Findungskommission angehört worden sein. Wer teilnahm und wer nicht, darüber haben die Beteiligten Stillschweigen vereinbart. BLICK weiss, eine Einladung hatte auch die Thurgauer Nationalrätin Diana Gutjahr (36). Sie aber gab der Findungskommission einen Korb.

Nun werden Stimmen laut, Albert Rösti solle doch bis 2022 weitermachen, bevor es zu einer Verlegenheitslösung an der SVP-Spitze komme. Offiziell angefragt hat die Findungskommission Rösti aber nicht.

Abstimmung macht SVP nervös

Ausgeschlossen ist Röstis Verlängerung nicht. Schliesslich befindet die Stimmbevölkerung am 27. September über die Kündigungs-Initiative der SVP, die die Zuwanderung in die Schweiz begrenzen und die Personenfreizügigkeit mit der EU über Bord werfen will. Einen Monat vorher das Zugpferd auszuwechseln, ist gewagt – will man tatsächlich die Schweiz dem Risiko der Abschottung aussetzen.

Wie gross die Verunsicherung innerhalb der SVP wegen der bevorstehenden Abstimmung ist, zeigen auch die Heckenschüsse auf ihren eigenen Bundesrat Guy Parmelin (60), der die Initiative als Gefahr für den Standort Schweiz sieht. Man hätte auch einfach darüber hinwegsehen können, dass ein SVP-Bundesrat sich ans Kollegialitätsprinzip hält und aus seinem Herzen keine Mördergrube macht.

Berner Lösung kostet

Angesichts der Ratlosigkeit in Sachen Präsidium wäre ein etwas längerer Verbleib des bei der Bevölkerung beliebten Rösti nicht falsch. Er würde der SVP Zeit verschaffen, um eine gute Lösung aufzugleisen. Doch damit Rösti auf Rösti folgt, müsste Blocher seine Schatulle öffnen. Weiterhin Gratisarbeit leisten mag der Berner Oberländer nicht.

Im Rennen ist laut BLICK-Recherchen noch ein weiterer Berner: der Ständerat Werner Salzmann (57). Auch er hatte zwar abgewinkt. Doch das heisst nichts. Gutjahr hatte ebenfalls schon öffentlich abgesagt – und wurde doch wieder bekniet, mit der Findungskommission zu reden.

Doch wie bei Rösti müsste Blocher auch bei Salzmann das Portemonnaie zücken. Denn Parteipräsident ist ein enorm zeitaufwendiger Job. Salzmann wäre deshalb gezwungen, seine Stelle beim Kanton Bern aufzugeben. Da muss finanziell schon etwas gehen, damit jemand für seine letzten Arbeitsjahre eine sicherere Stelle im Staatsdienst kündigt und riskiert, nach den Wahlen 2023 ohne Ständeratsmandat und Parteiamt dazustehen – und ohne den sicheren Beamtensessel.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?