Herr Vogt, Sie sind Bundesratskandidat. Überrascht Sie das?
Hans-Ueli Vogt: Das hat sich bis vor kurzem nicht abgezeichnet. Mehrere potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Kanton Zürich sagten ab. Parallel dazu sprachen mich immer mehr Leute an und sagten, ich sei der richtige Kandidat. Dass ich heute Kandidat bin, ist so gesehen auch für mich eine Überraschung.
Dass Sie erst nach der Absage der SVP-Schwergewichte zum Zug kamen, stört Sie nicht?
Nein. Dass amtierende Politiker zuerst gehandelt wurden, ist ganz normal.
Sie gehören nicht zum Blocher-Flügel, sind nicht Teil des inneren Zirkels der Zürcher SVP. Gehen Sie überhaupt als Vertreter dieser Kantonalpartei durch?
Ich hoffe, dass kein Bundesratskandidat mit dem Verständnis antritt, eine bestimmte Sektion zu vertreten. Ich bin ein Kandidat mit Überzeugungen und Werten, die mit der SVP übereinstimmen. Darum hat mich die Kantonalpartei nominiert. Aber ich bin nicht Repräsentant einer Parteisektion.
«Weltwoche»-Autor Christoph Mörgeli zeigte sich jedenfalls glücklich, dass der Zürcher Löwe nun doch noch den Berner Bären angreife. Freut Sie diese Unterstützung?
Dieser Aspekt hat schon eine gewisse Relevanz. Es ist legitim, dass der Kanton Zürich im Bundesrat vertreten ist. Das fängt schon bei der wirtschaftlichen Bedeutung an. Im Finanzausgleich ist der Kanton Zürich der Top-Geber, der Kanton Bern ist der Top-Nehmer.
Der Berner Albert Rösti ist Doktor der Agronomie, Sie sind Rechtsprofessor. Bildet dieser Gelehrtenstreit die SVP ab? Was ist aus der Bauernpartei geworden?
Die SVP tritt für Freiheit und Unabhängigkeit ein. Das sind zwar Werte mit einer Nähe zur ländlichen Schweiz. Wir können sie schön mit Sennenkutten und Ehringer-Kühen ausdrücken. Aber der Wähleranteil der SVP beträgt knapp 30 Prozent. Das können unmöglich nur Menschen sein, die auf dem Land leben. Zu unseren Wählern müssen viele Städter und Menschen in Agglomerationen gehören, die lieber ins Fitnessstudio als auf eine Weide oder in einen Stall gehen. Zusammen repräsentieren der Kandersteger Albert Rösti und ich das ganze Spektrum.
Rösti gilt als Favorit. Haben Sie keine Angst vor einer Niederlage?
Ich habe im Gespräch mit der Kantonalpartei früh und ungefragt gesagt: Ich trete an, weil ich keine Angst vor einer Niederlage habe. Mich haben Menschen immer inspiriert, die auch in der Niederlage Grösse zeigen – wie Roger Federer zum Beispiel.
Klingt, als ob Sie schon vorab Forfait geben!
Im Gegenteil. Nur wer die Niederlage nicht fürchtet, kann befreit kämpfen. Ich habe in meiner politischen Laufbahn mehrmals verloren, zum Beispiel mit der Selbstbestimmungs-Initiative, die vom Volk abgelehnt wurde. Aber ich bin wieder aufgestanden und habe weitergemacht.
Sie haben diese Initiative damals entworfen. Doch drei Monate vor der Abstimmung ersetzte Sie Ihre Partei durch Thomas Matter als Kampagnenleiter. Das war doch ein Affront?
Überhaupt nicht. Die Kampagne wurde von der Partei entwickelt und geführt. Das habe ich immer für richtig gehalten, ich war froh um die Unterstützung.
Hans-Ueli Vogt (52) studierte an der Universität Zürich Rechtswissenschaft. Dort wurde er 2013 zum ordentlichen Professor für Privat- und Wirtschaftsrecht berufen. Als SVP-Politiker wurde Vogt 2011 in den Zürcher Kantonsrat und 2015 in den Nationalrat gewählt. Er gilt als Vater der Selbstbestimmungs-Initiative. Ende 2021 trat er aus dem Parlament zurück. Am letzten Mittwoch hat er seine Kandidatur für den frei werdenden Bundesratssitz von Ueli Maurer bekannt gegeben.
Hans-Ueli Vogt (52) studierte an der Universität Zürich Rechtswissenschaft. Dort wurde er 2013 zum ordentlichen Professor für Privat- und Wirtschaftsrecht berufen. Als SVP-Politiker wurde Vogt 2011 in den Zürcher Kantonsrat und 2015 in den Nationalrat gewählt. Er gilt als Vater der Selbstbestimmungs-Initiative. Ende 2021 trat er aus dem Parlament zurück. Am letzten Mittwoch hat er seine Kandidatur für den frei werdenden Bundesratssitz von Ueli Maurer bekannt gegeben.
Das klingt sehr harmonisch. Aber auch der von Ihnen verfasste Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungs-Initiative sorgte für Streit mit Ihrer eigenen Partei. Bei der Ehe für alle wichen Sie ebenfalls klar von der Parteilinie ab.
Auswertungen des Abstimmungsverhaltens im Parlament zeigen, dass ich als Nationalrat leicht rechts der Mitte des SVP-Spektrums stand. Wer mich politisch einordnen will, sollte sich nicht auf die wenigen Punkte stürzen, bei denen es eine Differenz gab.
Sie gelten als introvertierter Professor. Passt das zum Profil eines Bundesrats?
Ich verfüge über zehn Jahre politische Erfahrung. Als Parlamentarier brachte ich meine Überzeugungen und Werte ein, habe mit Verbänden und Organisationen zusammengearbeitet. Als Professor leitete ich während 20 Jahren Teams. Tatsächlich habe ich auch eine nach innen gekehrte Seite und schätze den persönlichen Kontakt im Zwiegespräch. Das sagt mir mehr zu als eine Veranstaltung im vollen Rössli-Saal mit Bier und Gesang. Diese Eigenschaft widerspricht aber kaum den Anforderungen an einen Bundesrat.
Sie werden also nie im Trychler-Hemd herumlaufen?
Nein, aber in der Stadt Zürich trägt auch niemand ein Trychler-Hemd. Der Begriff der Volksnähe knüpft intuitiv an das Bild vom Lande an. Doch in Zürich bedeutet Volksnähe etwas anderes. Zum Beispiel, dass ich mich im Tram oder im Fitness mit Menschen unterhalte, die mich ansprechen, weil sie mich im TV gesehen haben.
Sie treten konziliant auf, auch Albert Rösti ist kein Polteri. Ist die Ära der totalen SVP-Opposition vorbei?
An der Rolle der SVP darf sich nichts ändern. Es braucht eine Partei, die verschiedenste Entwicklungen bremst. Sei es in der Energiedebatte, in der Steuerpolitik oder beim Gender-Thema. Eine andere Frage ist, wer sich für den Bundesrat zur Verfügung stellt. Das sollte jemand sein, der mit Argumenten überzeugen kann und Lösungen sieht, wo andere nur den Gegensatz sehen.
Laufen Sie dann nicht Gefahr, als «halber Bundesrat» zu enden?
Nach gemeinsamen Lösungen zu suchen, heisst nicht, einfach nachzugeben. Es geht darum, die eigenen Ziele zu verfolgen, ohne dass das Gegenüber mit leeren Händen dasteht. Das ist erfolgversprechender als das blosse Beharren auf der eigenen Position.
Warum soll das Parlament Sie wählen?
Ich bin ein Mensch mit starken Werten und Überzeugungen, und das Parlament weiss, was diese sind. Aber wer ein Anliegen hat, dem höre ich zu. Ich will kein Sonnenkönig sein, sondern bodenständig, wie ich eben bin. Ich kann mit Menschen umgehen und sie führen. Und ich denke, dass ich die richtige Einstellung gegenüber der Aufgabe und dem Land habe.