Nun steigt auch die Zürcher SVP mit einer Kandidatur ins Rennen um den frei werdenden Sitz im Bundesrat. Sie kommt mit Hans-Ueli Vogt (52), wie Parteipräsident Domenik Ledergerber (34) an einer Medienkonferenz bekannt gab. Er pries den früheren Nationalrat als «urban, aber doch bodenständig» an. Der Rechtsprofessor war vor einem Jahr aus dem Nationalrat zurückgetreten.
Er wolle sich wieder stärker auf seine juristische Tätigkeit konzentrieren, sagte er bei seinem Rücktritt. Das Parlament sei nicht der Ort, wo er seine Fähigkeiten optimal einsetzen könne. Seine politische Karriere begann Vogt 2011 im Zürcher Kantonsrat. Bei den Eidgenössischen Wahlen 2015 gelang ihm der Einzug in den Nationalrat.
«Perfekter Kandidat»
Der Stadtzürcher, der offen homosexuell lebt, gilt als eher zurückhaltend. Über sich selber sagte er einmal, er sei «nicht sehr gut im Generieren von Aufmerksamkeit». Er sei vielmehr konstruktiv und an Lösungen interessiert. «Ich bin bereit, dieses Amt zu übernehmen», sagte Vogt nun vor den Medien. Er habe sich die Sache vorher gründlich überlegt.
Ob die Schweiz denn bereit sei, für den ersten öffentlich homosexuell lebenden Bundesrat, wollte ein Journalist an der Medienkonferenz von Vogt wissen. Er habe mit dieser Frage nicht gerechnet, antwortete er daraufhin. In seinem Empfinden «als Mensch und Politiker» spiele seine sexuelle Orientierung keine Rolle. Er erlebe die Schweiz auch als tolerantes Land gegenüber Homosexuellen, so Vogt.
Die an der Veranstaltung anwesende Rita Fuhrer, Präsidentin der Findungskommission, sagte, Hans-Ueli Vogt sei der «perfekte Kandidat, weil er erfahren, angesehen und ein allseits sehr respektierter Politiker» sei.
Einst stolze SVP-Sektion schwächelt
Der Kanton Zürich hat seit 1848 insgesamt 20 Bundesräte gestellt, so viele wie kein anderer. Doch in den letzten Tagen hatte es viele Absagen von bekannten Namen gegeben. So wollte weder Favoritin Natalie Rickli (45) noch Nationalrat Gregor Rutz (50). Auch Nationalrat Thomas Matter (56) verzichtete auf eine Bundesratskandidatur.
Deshalb wurden vor allem Zürcher Namen herumgereicht, die nicht sonderlich erfolgversprechend klangen: So etwa jener von Finanzdirektor Ernst Stocker (67) oder der von Nationalrat Benjamin Fischer (31), der noch nicht einmal ein Jahr in Bern politisiert und vor wenigen Monaten wegen seiner beruflichen und familiären Verpflichtungen als Kantonalparteipräsident zurückgetreten ist.
Zwei Berner, ein Zuger und eine Nidwaldnerin
Bei Wahlen lief es der Zürcher SVP zuletzt schlecht. 2019 musste sie bei den kantonalen und nationalen Wahlen Verluste hinnehmen. Ebenso bei den Kommunalwahlen in der Stadt Zürich und den grossen Zürcher Agglomerationsgemeinden.
Während die Zürcher lange brauchten, um einen Kandidaten präsentieren zu können, waren die Berner schneller. Ihre Kandidatur für die Nachfolge von Maurer angekündigt haben bisher der Berner Nationalrat Albert Rösti (55) und der Berner Ständerat Werner Salzmann (59). Auch der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler (62) und zuletzt die Nidwaldner Regierungsrätin Michèle Blöchliger (55) haben ihr Interesse angemeldet. (sie)