Stundenlang im Wartezimmer
Flüchtlinge erwartet Schweizer Bürokratie

Der Bund rechnet mit bis zu 20'000 ukrainischen Flüchtlingen hierzulande. Die ersten Ukrainer sind schon da. Doch beim Bund herrscht vorerst noch Bürokratie vor, wie das Beispiel einer Flüchtlingsfamilie zeigt.
Publiziert: 06.03.2022 um 11:22 Uhr
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Justizministerin Karin Keller-Sutter verspricht Solidarität mit ukrainischen Flüchtlingen.
Foto: keystone-sda.ch

Die Schweiz bereiten sich auf eine Flüchtlingswelle als Folge des Ukraine-Krieges vor. Laut Justizministerin Karin Keller-Sutter (58) sind Bund und Kantone mit Hochdruck daran, die Notfallplanung hochzufahren.

Das ist auch nötig, wie ein aktuelles Beispiel einer ukrainischen Flüchtlingsfamilie zeigt, die hierzulande einige bürokratische Hürden zu meistern hatte. So berichtet die «Sonntagszeitung» von einer sechsköpfigen Familie, die nach einer fünftägigen Flucht über 1700 Kilometer in Zürich ankam. Erste Anlaufstelle war die Schwester der Frau, die in Zollikerberg ZH lebt.

Stundenlang im Wartezimmer

Als die Familie sich im Zürcher Bundesasylzentrum in Zürich registrieren wollte, musste sie erst einmal sieben Stunden im Wartezimmer verbringen, bis alle Formulare ausgefüllt waren.

Die in der Schweiz lebende Schwester versuchte dort zu vermitteln. Einen beschleunigten Prozess gab es trotzdem nicht. Erst spätabends konnte die Familie demnach einen Schlafsaal mit Doppelstockbetten beziehen.

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Nach einer Nacht im Zürcher Asylzentrum wurde die Familie «aus logistischen Gründen» ins 160 Kilometer entfernte Bundesasylzentrum nach Boudry NE geschickt. Wobei die Familie dort andere ukrainische Flüchtlinge traf, die ebenfalls «aus logistischen Gründen» nach Zürich geschickt wurden.

Zudem wurde den Geflüchteten bei ihrer Ankunft in den Bundesasylzentren die eigenen Nahrungsmittel weggenommen, die ihnen auf der Reise gespendet worden waren – «aus hygienischen Gründen», wie das zuständige Staatssekretariat für Migration (SEM) gegenüber der «Sonntagszeitung» erklärte. Verpflegung seitens der Zentren gibt es nur zu fixen Essenszeiten.

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Bund verspricht Besserung

Das SEM will den Einzelfall selbst nicht kommentieren. Es verspricht aber Besserung: «Wir treffen nun fortlaufend Massnahmen, um unsere Abläufe den veränderten Umständen anzupassen.» Man arbeite intensiv daran, die ankommenden Flüchtenden aus der Ukraine rasch und unkompliziert zu empfangen, aufzunehmen und gut unterzubringen.

Aktuell sind rund 200 Ukrainer in Bundesasylzentren untergebracht. Die Zahl dürfte in den nächsten Wochen steigen. Insgesamt rechnet der Bund mit rund 20'000 ukrainischen Flüchtlingen hierzulande.

Die ukrainische Flüchtlingsfamilie will nun erst mal in Neuenburg zu Ruhe kommen und dann einen Antrag auf Privatunterkunft stellen, der vom SEM bewilligt werden muss.

Über 30'000 Betten von Privaten

Die Solidarität in der Bevölkerung ist jedenfalls riesig. Bei der Organisation Campax haben sich bereits über 12'000 Haushalte gemeldet, die über 30'000 Betten für ukrainische Flüchtlinge zur Verfügung stellen wollen. (rus)

Schweiz rechnet mit 20'000 Flüchtlingen

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe rechnet mit bis zu 20'000 Flüchtlingen aus der Ukraine. Der Bundesrat möchte den Menschen rasch und unbürokratisch Schutz gewähren. Dafür schlägt er vor, den Schutzstatus S zu aktivieren. Damit würden die Geflüchteten rasch ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz erhalten, ohne dass sie ein ordentliches Asylverfahren durchlaufen müssten, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter diese Woche.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe rechnet mit bis zu 20'000 Flüchtlingen aus der Ukraine. Der Bundesrat möchte den Menschen rasch und unbürokratisch Schutz gewähren. Dafür schlägt er vor, den Schutzstatus S zu aktivieren. Damit würden die Geflüchteten rasch ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz erhalten, ohne dass sie ein ordentliches Asylverfahren durchlaufen müssten, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter diese Woche.

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