Asylpolitik ist gewöhnlich ein heisses Eisen. Doch diesmal war man sich schnell einig: Ukrainische Kriegsflüchtlinge sollen unkompliziert und rasch in der Schweiz Schutz erhalten. Wie sich abgezeichnet hat, will die Regierung zum ersten Mal überhaupt den sogenannten Schutzstatus S aktivieren.
Den Grundsatzentscheid hat der Bundesrat am Freitag gefällt. Weil sich aber in vielen Punkten noch Fragen stellen, werden die Details erst am kommenden Freitag definitiv festgelegt. Bis dann haben Kantone und Hilfswerke Zeit, Stellung zu den Vorschlägen des Bundesrats zu nehmen.
Der Status S bedeutet, dass die Ukraine-Flüchtlinge nicht das Asylverfahren durchlaufen müssen. Sie können aber ein Asylgesuch stellen, wenn sie wollen. Der Aufenthaltsstatus ist auf ein Jahr befristet, wobei eine Verlängerung möglich ist. Ebenso wie der Nachzug von nahen Familienangehörigen.
Noch vor kurzem für Abschaffung
Flüchtlingsorganisationen freuen sich über den Entscheid. Dabei hatten sie sich vor nicht allzu langer Zeit noch dafür ausgesprochen, den S-Status ersatzlos aus dem Asylgesetz zu streichen. «Der Status S ist teuer, unnötig kompliziert und praxisuntauglich», hielt die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) noch vor einem Jahr fest. Auch das evangelische Hilfswerk Heks forderte im Rahmen einer Vernehmlassung zu einer Änderung des Status 2019 dessen komplette Abschaffung.
Woher dieser plötzliche Meinungsumschwung? Die Ausgangslage sei jetzt eine andere, sagt die Flüchtlingshilfe. «Die Menschen, die in die Schweiz kommen, fliehen hier alle und gleichzeitig aus demselben Grund – dem Krieg», sagt Sprecher Peter Meier. Bei anderen Fluchtbewegungen oder Herkunftsländern sei es hingegen anders, da brauche es eine individuelle Prüfung.
Keine Integration vorgesehen
Die SFH wie auch das Heks betonen zudem, dass es auf die Ausgestaltung des S-Status ankomme. Sie fordern nun zum Beispiel eine grosszügigere Regelung beim Familiennachzug.
Ein Kritikpunkt ist auch die Integration. Der S-Status sieht vor, dass Flüchtlinge nach drei Monaten arbeiten dürfen. Der Bundesrat denkt nun darüber nach, diese Frist zu verkürzen oder sogar ganz zu streichen, damit die Ukrainer schneller Arbeit finden können. Doch wie sollen sie arbeiten, wenn sie kein Deutsch oder Englisch verstehen? Bestimmte Integrationsmassnahmen seien nicht vorgesehen, sagte Keller-Sutter. Das kritisieren Flüchtlingsorganisationen.
Auch die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) hatte sich noch vor drei Jahren sehr kritisch zum S-Status geäussert. Aufgrund der fehlenden individuellen Prüfung von Asylanträgen bestehe ein «gravierendes Risiko» für die Sicherheit der Schweiz.
Heute sagt SODK-Generalsekretärin Gaby Szöllösy: «Der Status bringt gewisse Herausforderungen mit sich.» Sie gibt zu bedenken, dass man noch keine Erfahrungen mit dem Status gesammelt habe. Bezüglich Umsetzung gebe es darum noch zahlreiche Fragen. Fragen, die der Bundesrat bis nächste Woche klären will.