Streit um EU-Geheimpapier
Bundesrat giesst noch Öl ins Feuer

Der Bundesrat hält das Papier über mögliche Folgen einer Ablehnung des EU-Rahmenabkommens unter Verschluss. Dabei liegt der Entscheid gar nicht mehr bei ihm. Parlamentarier sind empört.
Publiziert: 03.06.2021 um 13:19 Uhr
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Aktualisiert: 03.06.2021 um 13:39 Uhr
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Wie soll es zwischen der Schweiz und der EU weitergehen? Das Parlament hat viele Fragen an den Bundesrat.
Foto: Shutterstock
Daniel Ballmer

Wie soll es nach dem Verhandlungsabbruch zum Rahmenabkommen weitergehen? Wie stark steht die Schweiz nun unter Druck? Wie ist eine stabile Beziehung zur EU sicherzustellen? Der Bundesrat hat mit seinem Entscheid einen Riesenwirbel ausgelöst.

Das Parlament hat Klärungsbedarf. Dutzende Vorstösse wurden als Folge des Abbruchentscheids an der am Montag gestarteten Sommersession bereits eingereicht. Eine dringliche Debatte ist geplant.

Und die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats (APK-N) will endlich wissen, welche Folgen der Abbruch haben könnte. Weil sich der Bundesrat bisher aber standhaft weigerte, das Geheimpapier rauszurücken, muss nun das Nationalratspräsidium im Machtkampf zwischen Bundesrat und Parlament entscheiden – ein einmaliger Vorgang!

«Das ist nicht gerade deeskalierend»

Was das Parlament will, scheint den Bundesrat aber nur mässig zu interessieren. Im Gegenteil: Bundesratssprecher André Simonazzi giesst sogar noch weiter Öl ins Feuer. «Das Papier wird nicht öffentlich gemacht», betonte er kürzlich vor den Medien. Es handle sich um «Landesinteressen, die man nicht publik machen muss», doppelte Bundespräsident Guy Parmelin (61) nach.

Im Parlament kommt das gar nicht gut an. «Ich fand es irritierend, dass der stellvertretende Bundeskanzler Simonazzi so bestimmt sagt, die Papiere würden nicht herausgegeben», betont APK-Präsidentin Tiana Moser (42). Immerhin liegt dieser Entscheid gar nicht mehr beim Bundesrat. «Angesichts der Tatsache, dass eine Vermittlung ansteht, finde ich das nicht sehr geschickt. Das ist nicht gerade deeskalierend», findet die GLP-Fraktionschefin.

Entscheid liegt bei Parlamentsspitze

«Ich gehe nach wie vor davon aus, dass der Entscheid beim Nationalratspräsidium liegt», erklärt auch Nationalratspräsident Andreas Aebi (62, SVP). Er kann derzeit dem Bundesrat sagen, was dieser zu tun hat. Gemeinsam mit den beiden Vizepräsidenten Irène Kälin (34, Grüne) und Martin Candinas (40, Mitte) muss Aebi im Kräftemessen zwischen Landesregierung und Parlament entscheiden.

Das von allen sieben Departementen ausgearbeitete Papier diene zur Meinungs- und Vertrauensbildung innerhalb des Bundesrats und der Verwaltung, argumentiert die Regierung. Werde der Geheimbericht offengelegt, würden seine Verhandlungen und die Landesinteressen tangiert. Nach dem Abbruch der Verhandlungen holpert diese Argumentation doch sehr.

Kommission lässt nicht locker

Die Nationalratskommission beharrt denn auch auf ihrer Forderung. Zwar hatten Bundespräsident Parmelin und Aussenminister Ignazio Cassis (60) vor der Kommission einzelne Konsequenzen eines Neins angetönt. Den Mitgliedern aber reicht das nicht. «Wir können doch nicht beurteilen, ob ein möglicher Abbruch gerechtfertigt wäre, wenn wir die Fakten nicht kennen», sagen sie.

Am Montag wird sich Nationalratspräsident Aebi mit Vertretern der Aussenpolitischen Kommission treffen, um das weitere Vorgehen zu prüfen. Ob und falls ja, wann das Nationalratspräsidum über die Herausgabe des Papiers entscheidet, ist offen.

«Es ist in übergeordnetem Interesse, dass die APK-N detailliert informiert ist», bleibt Kommissionspräsidentin Moser bei ihrer Forderung, «gerade auch im Hinblick auf die Meinungsbildung für weitere Schritte.»

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