Der höchste Schweizer entscheidet!
Muss der Bundesrat das EU-Geheimpapier rausrücken?

Die Landesregierung will das Parlament nicht über die Folgen einer Ablehnung des EU-Rahmenabkommens informieren. Dieses aber beharrt auf Einblick in ein Geheimpapier. Nun muss das Nationalratspräsidium das Kräftemessen entscheiden.
Publiziert: 17.05.2021 um 19:29 Uhr
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Aktualisiert: 18.05.2021 um 07:46 Uhr
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Ist das Rahmenabkommen noch zu retten? Klar ist: Aussenminister Ignazio Cassis und der Bundesrat stehen vor einer schwierigen Aufgabe.
Foto: Keystone
Daniel Ballmer und Pascal Tischhauser

Der Begriff «historisch» wird zu oft verwendet. Aber das gab es in der Geschichte der Schweiz tatsächlich noch nie: Der höchste Schweizer sagt dem Bundesrat, was dieser zu tun hat. Nationalratspräsident Andreas Aebi (62, SVP) und die beiden Vizepräsidenten Irène Kälin (34, Grüne) und Martin Candinas (40, Mitte) müssen im Kräftemessen zwischen Landesregierung und Parlament entscheiden.

Denn der Bundesrat will das Parlament nicht im Detail über mögliche Folgen eines Neins zum EU-Rahmenabkommens informieren. Mittlerweile ist im EU-Dossier ein offener Streit ausgebrochen! Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats (APK-N) beharrt darauf, Einblick in den Geheimbericht zu erhalten, in dem die wahrscheinlichen Folgen aufgeführt sind.

Der Gesamtbundesrat verweigert der APK-N aber den Einblick in das von sieben Departementen ausgearbeitete Papier. Einstimmig unterstützte die Kommission am Montag einen Antrag von Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (57), den Bericht sehen zu wollen.

«Verhandlungstaktisch ungeschickt»

Zwar hätten Bundespräsident Guy Parmelin (61) und Aussenminister Ignazio Cassis (60) vor der Kommission einzelne Konsequenzen eines Neins angetönt. Den Mitgliedern aber reicht das nicht. «Wir können doch nicht beurteilen, ob ein möglicher Abbruch gerechtfertigt wäre, wenn wir die Fakten nicht kennen», sagen sie.

Schliesslich hat das Parlament das Recht, alle Unterlagen einzusehen, sofern diese nicht Teil der Bundesratsverhandlungen sind, Staatsschutz- oder Landesinteressen dagegen stehen, oder Persönlichkeitsrechte verletzt würden. Laut dem Bundesrat wären aber seine Verhandlungen und die Landesinteressen tangiert.

Nun will die APK-N, dass das Nationalratspräsidium entscheidet, ob der Bundesrat das Geheimpapier unter Verschluss halten darf oder nicht. Ratspräsident Andreas Aebi lässt durchblicken, dass er dagegen ist. Das sei nicht nur eine Vertrauensfrage gegenüber dem Bundesrat. «Es wäre auch verhandlungstaktisch ungeschickt», findet der SVPler.

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