Aus und vorbei, das Rahmenabkommen ist tot. Der Bundesrat hat der EU am Mittwoch eine Absage erteilt. Zu gross sind die Differenzen bei Unionsbürgerrichtlinie, Lohnschutz und staatlichen Beihilfen. Nach sieben Jahren andauernden Gesprächen sind die Verhandlungen beendet. Ohne Unterschrift.
Die EU wird das nicht einfach hinnehmen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Zu oft hat Brüssel bisher mit verschiedenen Schikanen versucht, die Schweiz zum Unterzeichnen des Abkommens zu drängen. Die Börsenäquivalenz wurde nicht verlängert, die SBB von einem europäischen Forschungsprogramm ausgeschlossen.
Der Druck von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (62) wird weiter zunehmen. Mit neuen Nadelstichen ist zu rechnen. Da kann der Bundesrat solche Strafmassnahmen noch so lange als «sachfremd und kontraproduktiv» kritisieren.
EU droht bereits mit neuen Strafaktionen
Die Schweizer Medizinaltechnik-Branche hat bereits am Mittwoch den privilegierten Zugang zum EU-Binnenmarkt verloren. Damit kommen Mehrkosten und ein grösserer administrativer Aufwand auf die Schweizer Unternehmen zu.
Und Brüssel droht bereits mit neuen Strafaktionen. Ohne Rahmenabkommen werde es keine neuen Verträge geben, bestehende würden auslaufen, teilte die EU-Kommission noch während der Medienkonferenz des Bundesrats mit.
Bereits am Dienstag hatte Brüssel ein Faktenblatt mit möglichen Konsequenzen bei einem Non aus Bern veröffentlicht. So liegt die Schweizer Beteiligung am Forschungsprogramm Horizon wohl noch länger auf Eis. Auch dem Stromabkommen ist der Stecker gezogen. Das ist nicht nur ein Problem bei der Versorgungssicherheit. Es dürfte für hiesige Stromunternehmen auch teuer werden, fürchtet Energieministerin Simonetta Sommaruga (61).
Von der Leyen gibt Parmelin einen Korb
Gleichzeitig drohen der Luftfahrt neue Hürden. Und die Schweiz muss sogar bei der Einfuhr von Lebensmitteln mit Problemen rechnen. Ein deutliches Warnsignal.
Wie gekränkt Brüssel ist, zeigte sich am Mittwoch: Bundespräsident Guy Parmelin (61) wollte von der Leyen den Entscheid des Bundesrats telefonisch mitteilen. Die EU-Chefin aber erteilte ihm einen Korb – angeblich wegen eines übervollen Terminkalenders. Stattdessen brachte Staatssekretärin Livia Leu (60) Parmelins schriftliche Absage dann persönlich nach Brüssel.
Bundesrat versucht schon mal, Wogen zu glätten
Dass nun erst mal eine kleine Eiszeit auf die Schweiz zukommt, ist auch dem Bundesrat klar. Es werde Nachteile geben, aber man habe Zeit, darauf zu reagieren, versuchte Aussenminister Ignazio Cassis (60) den Ball flach zu halten. Änderungen kämen nicht über Nacht. Dies erlaube es der Schweiz, «Auffangmassnahmen» umzusetzen. Und «wenn die Emotionen sich wieder etwas beruhigt haben», sei man zuversichtlich, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. «Wir sind ein nicht unwesentlicher Partner der EU», gab sich Cassis selbstbewusst.
Dennoch versucht der Bundesrat, die Wogen schon auf Vorrat ein wenig zu glätten. Da kommt FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter (57) ins Spiel. Ihr Justizdepartement soll nun prüfen, wie Schweizer Recht an EU-Recht angepasst werden kann, «wo es im Interesse der Schweiz sinnvoll und nötig ist». Dieser Prozess soll autonom und unter Einbezug der Sozialpartner und Kantone erfolgen. So will die Schweiz in politisch unumstrittenen Bereichen der EU entgegenkommen – und Brüssel damit zumindest faktisch keinen Vorwand liefern, uns zu diskriminieren.
Gleichzeitig will sich der Bundesrat im Parlament dafür einsetzen, die blockierte Kohäsionsmilliarde an die EU-Länder freizugeben. Vorgesehen sind 1,3 Milliarden Franken. «Es ist die Eintrittsgebühr für den Zutritt zum EU-Binnenmarkt», sagte Cassis. «Wir sind bereit, die entsprechenden Kosten zu übernehmen.» Definitiv über das Geld entscheiden kann aber nur das Parlament.
Bundesrat schwört weiter auf bilateralen Weg
Mit diesen Massnahmen hofft der Bundesrat, Schaden für die Schweiz zu vermeiden. Er sei weiterhin willens, die guten bilateralen Beziehungen zu pflegen und zu vertiefen, betonten alle drei Bundesräte unisono.
Der Abbruch der Verhandlungen bedeute nicht, dass der bilaterale Weg gescheitert sei, so Keller-Sutter. Im Gegenteil: «Die Schweiz sagt Ja zum bilateralen Weg.» Aber bei dessen Weiterentwicklung wolle man selber den Takt vorgeben.