Auf einen Blick
- Individualbesteuerung soll Heiratsstrafe kippen
- Ständerat tritt auf Vorlage ein, doch diese bleibt auf der Kippe
- Systemwechsel kostet Bund und Kantone 870 Millionen Franken Steuereinnahmen
Eine Steuererklärung pro Ehepaar? Das könnte bald vorbei sein. Künftig soll jede steuerpflichtige Person ihre eigene Steuererklärung einreichen – egal ob verheiratet oder ledig. Das schlägt der Bundesrat mit einem neuen Bundesgesetz zur Individualbesteuerung vor.
Heute werden verheiratete und eingetragene Paare gemeinsam besteuert. Und das kann teuer werden: Arbeiten nämlich beide, muss das Ehepaar wegen der Progression mehr Steuern bezahlen als ein Konkubinatspaar mit gleichem Einkommen. Mit dem Systemwechsel soll diese «Heiratsstrafe» abgeschafft werden. Der Systemwechsel kostet Bund und Kantone 870 Millionen Franken an Steuereinnahmen.
Schlagabtausch mit offenem Ausgang
Der Nationalrat hat dem Systemwechsel bereits zugestimmt, allerdings knapp mit 98 zu 93 Stimmen. SP, FDP, Grüne und GLP stimmten dafür, SVP und Mitte votierten dagegen.
Auch im Ständerat kam es nun zu einem harten Schlagabtausch – mit offenem Ausgang. Zwar ist die kleine Kammer mit 23 zu 22 Stimmen auf die Vorlage eingetreten. Entscheidend wird aber die Detailberatung, welche erst am Montag beendet wird.
«Lebensformen sind vielfältig»
«Die Lebensformen sind vielfältig, das heutige Steuersystem wird der Gesellschaft nicht gerecht», plädierte GLP-Ständerätin Tiana Angelina Moser (45, ZH) für den Wechsel. Die Besteuerung müsse sich möglichst neutral auf die Lebensform auswirken, das sei mit der Individualbesteuerung am besten gewährleistet. «Es ist nicht am Staat zu bestimmen, wie eine Familie ihr Leben gestalten soll.» Die Vorlage bringe der Mehrheit der Familien eine Entlastung.
FDP-Ständerat Thierry Burkart (49, AG) sprach von einem gesellschafts-, steuer- und wirtschaftspolitischen Gebot, die Revision durchzusetzen. Diese setze beim individuellen Menschen an und nicht an dessen Lebensform. Das neue Gesetz schaffe besonders für Frauen Erwerbsanreize, beruflich tätig zu werden oder ihr Pensum zu erhöhen.
«Absurde Revolution»
«Das neue Gesetz greift mit ungerechten Mitteln in die Lebensform der Familien ein, ist ineffizient und verursacht hohe Kosten bei den Kantonen», monierte SVP-Ständerat Werner Salzmann (62, BE). «Die Individualbesteuerung ist ein Totalangriff auf die Ehe.»
Mit der Vorlage würden neue Ungerechtigkeiten geschaffen, besonders gegenüber Einverdienerpaaren oder Familien mit einem geringen Zweitverdienst, klagten mehrere Gegner. Reiche Doppelverdiener-Paare würden belohnt, Einverdiener-Ehen hingegen bestraft, geisselte Mitte-Ständerat Pirmin Bischof (66, SO) die Vorlage als «absurde Revolution».
Linke übt Kritik
Kritik gab es auch aus dem linken Lager. Dieses steht dem Systemwechsel grundsätzlich zwar positiv gegenüber, doch die hohen Steuerausfälle sorgen für Bauchschmerzen. «Für Ehepaare mit gutem Einkommen gibt es Steuererleichterungen – diejenigen hingegen, die es am nötigsten haben, werden vernachlässigt», so SP-Ständerätin Franziska Roth (58, SO).
In der jetzigen Form sei es eine «Steuerungerechtigkeits-Vorlage», so Roth. Mehrere Sozialdemokraten drohten daher mit einer Ablehnung der Vorlage, sollten diese Mängel nicht korrigiert werden.
Die Systemwechsel steht damit auf der Kippe. Zwar haben FDP, SP, Grüne und GLP im Ständerat eine theoretische Mehrheit von 24 Stimmen, SVP und Mitte kommen auf 22 Stimmen. Aufgrund dieser knappen Verhältnisse können bereits wenige Abweichler die Vorlage zum Absturz bringen.
Volk entscheidet sowieso
Klar ist: Das letzte Wort hat sowieso das Volk. Die FDP-Frauen haben ihre Volksinitiative für die Individualbesteuerung in der Hinterhand, welche beim Scheitern des Gesetzes zu Abstimmung kommen würde.
Auch die Mitte will die Heiratsstrafe mit einer eigenen Volksinitiative angehen. Künftig soll es für Verheiratete zwei Steuerberechnungen geben. Einmal als Paar; und alternativ dazu, als wären sie unverheiratet. Der tiefere der beiden berechneten Steuerbeträge in Rechnung gestellt werden. Diese Initiative ist beim Bundesrat hängig.