Zu verlieren hat der St. Galler Regierungspräsident Stefan Kölliker (53) nichts mehr. Im Frühling 2024 wird er nicht zur Wiederwahl antreten. Jetzt bringt er an einem Podium mehrere brisante Vorschläge auf den Tisch, die das Schulsystem radikal umkrempeln würden. Das «St. Galler Tagblatt» berichtet zuerst darüber. Nun erklärt Kölliker gegenüber Blick seine Vorschläge.
Denkbar wäre es für Kölliker, dass die Schülerinnen und Schüler nur von 8 bis 13.00 Uhr zur Schule gehen. «Der Nachmittag wäre dann da für Hausaufgaben, Nachhilfe oder den Vereinssport.» Also das, was sich bislang auf die Abende oder den Mittwochnachmittag konzentriert. «Die Lehrerinnen hätten dann Zeit für die Vor- und Nachbereitung», so Kölliker. «Die Unterrichtszeit bleibt gemäss unseren Berechnungen insgesamt gleich.»
Unabhängig davon hat der SVP-Politiker einen weiteren Vorschlag, um «die Schule als Ganzes» zu entlasten: Die Anzahl Schulwochen erhöhen, also die Ferien kürzen. Statt wie bislang 13 Wochen im Kanton St. Gallen wären es dann nur noch 11 Wochen. «Die Arbeitslast für die Lehrpersonen und die Schülerinnen und Schüler würde sich besser verteilen.»
Aber auch eine Woche mehr Ferien kann sich Kölliker vorstellen. «Dann hätten die Lehrerinnen und Lehrer mehr Zeit, um sich vorzubereiten.» Die Vorschläge könne man einzeln betrachten oder auch kombinieren, so der Bildungsdirektor.
«Das ganze System ist überlastet»
Kölliker macht die Vorschläge auch, um den Lehrermangel zu bekämpfen. Aber nicht nur. «Das ganze System Schule ist überlastet und braucht Reformen. Die Lehrpersonen sind ein Teil davon, aber auch die Eltern und die Schülerinnen und Schüler gehören dazu.»
Kölliker sieht gerade im Halbtagesunterricht viele Vorteile. «Nach dem Mittagessen sind die Kinder weniger leistungsfähig. Auch der Schulweg zum Essen hin und zurück würde wegfallen.» Für die Eltern würde sich im Kanton St. Gallen nicht viel ändern, sagt er, denn neu muss jede Schule eine Tagesstruktur von 7 bis 18 Uhr anbieten.
Gemischte Gefühle im Parlament
Köllikers Vorschlag bezieht sich auf den Kanton St. Gallen. Doch auch national gibt er zu reden. SP-Nationalrätin Sandra Locher Benguerel (47, GR) begrüsst die Stossrichtung. «Es ist richtig, dass man die Anzahl Lektionen für Lehrpersonen reduziert. Es gibt jedoch noch viele offene Fragen.» So hätten die Schülerinnen und Schüler schon in der Mittelstufe teilweise über 30 Lektionen Unterricht. «Wenn sie nur noch am Vormittag unterrichtet werden, fehlt wichtiger Schulstoff.»
Auch die Ferienreduktion sieht sie kritisch. «Die Belastung für die Lehrpersonen ist dann am höchsten, wenn der Betrieb läuft. Mit weniger Ferien für die Schülerinnen und Schüler steigt der Stress also weiter.» Darum wäre sie eher dafür, die Vorbereitungszeit zu erhöhen.
«Fünf Stunden am Stück Unterricht zu haben, ist nicht sinnvoll», sagt Mitte-Nationalrat Simon Stadler (35, UR). «Die Schülerinnen und Schüler werden müde und die Konzentration lässt nach.» Auch das Problem des Lehrermangels verschiebe sich so höchstens. «Die Kinder müssen auch am Nachmittag betreut werden. Also arbeiten dann einfach andere Betreuungspersonen oder die Eltern reduzieren ihr Pensum.»
Bildungsdirektor Kölliker möchte mit seinen Vorschlägen Denkanstösse liefern. In seinem Kanton steht die Revision des Volksschulgesetzes an. «Jetzt können sich die Lehrerinnen und Lehrer, aber auch die Schulen positionieren und Stellung beziehen.» Endgültig umsetzen dürfte dies dann die Nachfolge von Kölliker.