Darum gehts
- Reifenabrieb verursacht Mikroplastik und bringt gefährliche Chemikalien in die Umwelt
- Chemikalien aus Reifenabrieb reichern sich etwa in Gemüse an
- Rund 90 Prozent des Mikroplastiks in der Umwelt stammt von Autoreifen
Treibhausgase, Feinstaub und Lärmemissionen sorgen bei umweltbewussten Schweizerinnen und Schweizern für Sorgenfalten. Ein Problem, das sowohl Verbrenner als auch Elektrofahrzeuge gleichermassen betrifft, wird aber oft vergessen: der Abrieb der Autoreifen.
Die Pneus auf den Schweizer Strassen bringen jedoch Wissenschaftler, Parlamentarierinnen und den Bund gleichermassen in Aufruhr. Denn wie Untersuchungen der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (Empa) zeigen, verursachen sie rund 90 Prozent des Mikroplastiks in der Umwelt.
Hochbelastetes Gemüse
Die Auswirkung des mikroskopischen Kunststoffs auf den menschlichen Körper sind weitgehend ungeklärt. Im Gummi lauert aber auch eine deutlich akutere Gefahr: zahlreiche bedenkliche Chemikalien, die bei der Herstellung beigemischt werden. Wie neue Studien zeigen, landen diese rasch auf unserem Teller.
So konnten Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL) kürzlich nachweisen, dass sich die Chemikalien in zahlreichen Gemüsesorten anreichern. Sie kauften dafür häufig konsumierte Sorten aus der Schweiz, Italien, Spanien und Frankreich. Rund ein Drittel der Produkte war mit Reifenabrieb belastet. Die Studie entstand im Auftrag des Bundesamts für Lebensmittel- und Veterinärwesen (BLV) – und bestätigt Resultate aus anderen Ländern, wie beispielsweise Österreich.
Bund wartet auf die EU
Dem Bund ist das Problem mit den Autopneus schon länger bekannt: Etwa sorgen Entwässerungssysteme dafür, dass der Abrieb auf den Schweizer Nationalstrassen nicht in die Umwelt gelangt. Und 2023 verabschiedete der Bundesrat im Auftrag einer Motion der ehemaligen SP-Nationalrätin Ursula Schneider Schüttel (63) einen Massnahmenbericht, um dem Mikroplastik aus dem Strassenverkehr weiter Einhalt zu gebieten.
Im Zusammenhang mit den neuen Studien ist dies für die Aargauer SP-Nationalrätin Gabriela Suter (52) zu wenig. «Die giftigen Zusatzstoffe in Pneus sind ein zusätzliches Problem, das der Bund beim Verfassen des Berichts noch viel zu wenig auf dem Radar hatte», argumentiert die Parlamentarierin.
Zwar plant der Bund einige Massnahmen, die voraussichtlich auch die Chemikalienbelastung verringern. So soll auf den Reifenetiketten etwa deklariert werden, wie viel Abrieb anfällt. Auch sollen die Hersteller zur Produktion von robusteren Reifen verpflichtet werden. Zudem hofft der Bundesrat auf die Euro-7-Norm der EU, die 2026 in Kraft tritt. Sie definiert klare Grenzwerte für den Reifenabrieb.
Braucht es ein Verbot für gefährliche Pneus?
Dennoch wurden einige Massnahmen vom Bundesrat zurückgestellt, die Suter als notwendig sieht. Bei der Reinigung von Gemeinde- und Kantonsstrassen möchte der Bundesrat etwa nicht unter die Arme greifen. Unter anderem wegen des «angespannten Bundeshaushalts», wie die Landesregierung schreibt. Auch bei bereits produzierten Pneus sieht sie keine Regulierungen vor.
Die Umweltpolitikerin will daher vom Bundesrat wissen, wie er mit den neuen Erkenntnissen seine Bemühungen intensivieren möchte. «Es braucht für Pneus, die toxische und krebserregende Stoffe enthalten, schnell ein Verbot oder zumindest Grenzwerte», fordert Suter. Die Schweiz müsse nicht auf die EU warten. Anders als beim Mikroplastik könne die Wissenschaft die Schädlichkeit der giftigen Substanzen klar einstufen. «Bei den meisten weiss man, was sie im Menschen anrichten.»