«Absturzgefahr!», warnt ein Plakat im Luzerner Kulturzentrum Neubad. Der Hinweis gilt eigentlich nur für Gläser, die im einstigen Hallenbad zu nah am Beckenrand stehen.
Doch diesmal gilt die Warnung auch für die drei SP-Kandidatinnen, die um die Nachfolge von Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62) buhlen. Im Neubad stellten sich die beiden Ständerätinnen Eva Herzog (60, BS) und Elisabeth Baume-Schneider (58, JU) sowie die Berner Regierungsrätin Evi Allemann (44) am Montagabend dem ersten öffentlichen Hearing. Gleich vorweg: Vor den rund 200 Gästen kam keine ins Schwimmen.
«Ich bin ganz brav»
Als Moderator wollte der Luzerner SP-Präsident David Roth (37) gleich mal auf Nummer sicher gehen und fragte die drei Kandidatinnen nach extravaganten Hobbys wie etwa Privatfliegerei – womit er auf Bundesrat Alain Berset (50) anspielte, der als Privatpilot in Frankreich gar einen Luftpolizei-Einsatz ausgelöst hatte.
Das Frauentrio aber konnte den ehemaligen Juso-Präsidenten beruhigen: Baume-Schneider kocht und strickt gern, Herzog ist in einer Frauen-Velogruppe. Da ist das Risiko negativer Schlagzeilen klein. Auch Allemann versicherte: «Ich bin ganz brav.»
Nur selten kleine Nuancen
Dann folgte das harte Politgeschäft. Wobei die drei Frauen den sozialdemokratischen Rezepten weitgehend treu blieben. Dem Kaufkraftverlust wollen sie etwa mit einem Teuerungsausgleich bei Löhnen und Renten begegnen. Bei der Klimapolitik rasch vorwärtsmachen, ebenso bei der Gleichstellungsfrage.
Nur selten gab es kleine Nuancen. Allemann outete sich als Windkraft-Befürworterin. Baume-Schneider fiel dadurch auf, dass sie mit ihren bürgerlichen Ständeratskollegen hart ins Gericht ging. Bei der Sozialpolitik werde die «Chambre de réfléxion» zur «Chambre d'obsession de la droite». Und Herzog machte bezüglich Gleichstellung klar: «Wenn es zu langsam vorwärtsgeht, bin ich für Quoten.»
Neuanlauf für Rahmenabkommen
Ein heisses Eisen ist der Neuanlauf für ein Rahmenabkommen mit der EU. Alle wollen den Neustart, doch beim Tempo will sich Baume-Schneider etwas mehr Zeit lassen, um den Lohnschutz zu sichern. Aufs Gaspedal drückt Herzog: «Es braucht eine schnelle Lösung.» Wobei sie nicht daran glaubt, dass man eine bessere Lösung erreichen werde. Allemann will die institutionellen Fragen mit «Hochdruck» vorantreiben, sonst bleibe am Schluss nur der EWR- oder EU-Beitritt als Alternative.
Die Lust am Politisieren war bei allen dreien spürbar – und die Lust auf das höchste politische Amt im Land. Wovor aber hätten sie am meisten Respekt, sollten sie am 7. Dezember gewählt werden?
Vor der grossen Verantwortung, meinte Allemann. Da geht es Herzog nicht anders. Die Entscheide im Bundesrat hätten weitreichende Folgen und würden jeweils viele Menschen betreffen. «Und man kann sich dann nicht mehr so gut verstecken wie im Parlament, in dem viel mehr Menschen sitzen.»
Zumindest einen Erfolg könne die SP bereits vor den Bundesratswahlen verbuchen: Noch nie hätten sich bürgerliche Politiker so sehr für Gleichstellung interessiert wie während der Diskussionen um ein rein weibliches Frauen-Ticket bei den Sozialdemokraten, spottete Roth.