SP-Chef Cédric Wermuth reagiert auf den Wirtschaftsminister
«Das Parlament hat Parmelin nicht zum Moderator gewählt»

Alles wird teurer – für viele Familien sind Mieten, Krankenkassen und Energiekosten fast nicht mehr zu schultern. Wirtschaftsminister Guy Parmelin anerkennt das Problem, sieht weitestgehend aber andere in der Verantwortung. SP-Co-Chef Cédric Wermuth kontert.
Publiziert: 10.09.2023 um 18:43 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2023 um 20:29 Uhr
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SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (Bild) reagiert auf die Äusserungen von Wirtschaftsminister Guy Parmelin.
Foto: keystone-sda.ch
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Pascal TischhauserStv. Politikchef

Wirtschaftsminister Guy Parmelin (63) zeigt Herz für die Probleme der Bürgerinnen und Bürger. Wie er im Interview mit der «Schweiz am Wochenende» anklingen liess, sieht der SVP-Bundesrat, dass die Bevölkerung unter den Kosten für Krankenkassen, Mieten und Strom leidet. Für ihn stehen vor allem Kantone und Gemeinden in der Pflicht, denen die Energieversorger gehören. Statt nur hohe Gewinne einzusacken, könnten diese dafür sorgen, dass beim Strom nicht die gesamten höheren Kosten an die Bevölkerung weitergegeben werden. Parmelin selbst kündigt gegen die hohen Mieten einen weiteren runden Tisch an. Das bringt SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (37) zur Weissglut, wie sich im Interview zeigt.

Blick: Herr Wermuth, Wirtschaftsminister Parmelin hat die Mieter entdeckt.
Cédric Wermuth:
Natürlich freut mich das, aber wahrscheinlich hat das mehr mit den Wahlen zu tun als mit ernsthafter Sorge. Einmal links blinken reicht nicht. Alles, was er sich plötzlich vorstellen kann, um den Mietern entgegenzukommen, haben er selbst und seine SVP in den letzten Jahren verhindert.

Bundesrat Parmelin spricht sich aber für eine schweizweite Formularpflicht aus, wie sie der Kanton Waadt kennt. Das begrüssen Sie doch, oder?
Natürlich begrüsse ich diese Pflicht. Sie allein reicht aber nicht. Mehrere Kantone kennen die Formularpflicht bereits, darunter Zürich – und trotzdem leiden wir auch dort unter viel zu hohen Mieten. Es braucht Mietpreiskontrollen, wie sie die SP fordert.

Das ist jetzt Wahlkampfgetöse …
Unsere Positionen zu Mieten und Prämien sind nicht erst seit dem Wahlkampf bekannt. Das konkreteste, was Parmelin ankündigt, ist ein weiterer runder Tisch – und das im nächsten Jahr, wenn die Wahlen wieder vorbei sind. Das Parlament hat Parmelin nicht zum Moderator runder Tische oder zum Ankündigungsminister gewählt. Er soll endlich seine Verantwortung als Wirtschaftsminister wahrnehmen.

Und wie?
Die wichtigste Stütze für die Wirtschaft in diesem Land ist die Kaufkraft der Menschen. Aber wegen der Mietpreisexplosion, der viel zu teuren Krankenkassenprämien, der gestiegenen Preise in den Läden und der hohen Stromtarife werden viele Mühe haben in den nächsten Monaten. 

Ja, aber was soll er Ihrer Ansicht nach tun?
Den Bundesrat und seine SVP-Fraktion überzeugen, jetzt zu handeln. Wenn alle Politiker von SVP bis zur Mitte, die sich jetzt vor der Kamera über die hohen Krankenkassenprämien empören, endlich mithelfen, haben wir noch in dieser Herbstsession Mehrheiten, um die steigenden Krankenkassenprämien abzufedern und um bei den Mietpreisen etwas zu tun. Die Vorschläge liegen fixfertig auf dem Tisch.

Muss das System mit den Referenzzinssätzen überdacht werden?
Die jetzige Situation beweist ja schon, dass das System Fehler hat. Das muss man nicht mehr prüfen, sondern man muss endlich konkrete Verbesserungen angehen. Das Hauptproblem ist, dass das geltende Gesetz von den Immobilienhaien schlicht ignoriert wird – und die Politik schaut zu. Jeder Haushalt zahlt heute schon im Schnitt 370 Franken zu viel Miete – pro Monat! Auch das liegt bei Wirtschaftsminister Parmelin. Er muss sich endlich entscheiden, ob er weiterhin die Arme verschränken und zuschauen will, womit er einfach Politik im Interesse der Immobilienkonzerne betreibt. Oder ob er Politik für die Bürgerinnen und Bürger machen will.

Aber die SP selbst hat doch in Zürich verhindert, dass mehr Wohnraum entsteht, in dem höher gebaut werden kann.
Das Beispiel Zürich zeigt sehr gut, dass es eine Rolle spielt, wer baut und was gebaut wird. Einfach mehr überteuerte Wohnungen von privaten Immobilienkonzernen sind nicht die Lösung. Es braucht mehr gemeinnützigen und öffentlichen Wohnungsbau. Genau das fördert die links-grüne Stadtzürcher Regierung. Sie kann auch nicht zaubern, aber ohne diese politischen Mehrheiten wäre Zürich schon seit Jahren für Normalsterbliche nicht mehr erschwinglich.

Der Wirtschaftsminister empfiehlt den Bürgern auch, Fahrgemeinschaften zu bilden.
Das zeigt höchstens, wie weit die SVP-Spitze inzwischen von den Problemen der einfachen Leute weg ist. Aber auch Parmelin weiss, dass man explodierende Mieten und Prämien nicht mit ein paar Fahrgemeinschaften ausgleichen kann. Im März hat der Bundesrat die Banken mit Milliarden gerettet und die Bürgerinnen und Bürger sollen jetzt selbst schauen? Ein Hohn! Herr Parmelin ist Wirtschaftsminister. Die Wirtschaft sind wir alle, nicht nur die Top-Manager. Wenn er feststellt, dass die Grosskonzerne riesige Gewinne machen auf Kosten der Bevölkerung, warum hat er dann in der Wirtschaftskommission alle Vorschläge abgelehnt, die das ändern wollen? Aber etwas Gutes haben Wortmeldungen wie diese von Herrn Parmelin ja.

Was denn?
Die Krankenkassenprämien und Mieten sind nicht erst seit gestern ein Problem. Die letzten vier Jahre hat die Mehrheit im Parlament die Sorgen der Bevölkerung schlicht ignoriert. Steuergeschenke für Grosskonzerne waren das Einzige, was das Parlament wirtschaftspolitisch zustande gebracht hat. Offenbar hat die SVP jetzt Angst vor den nahenden Wahlen vom 22. Oktober. Das zwingt sie, das Kaufkraftproblem endlich anzuerkennen. Doch sie verkennen dabei, dass es nicht ausreicht, bis zum Wahltermin noch ein paar Ankündigungen zu lancieren. Die Bevölkerung verlangt zu Recht, dass endlich gehandelt wird, nicht philosophiert. Die Menschen registrieren genau, wer ihre Probleme im Parlament angehen will – und wer seit Jahren verhindert, dass etwas geschieht.

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